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Wandern im Pindos-Gebirge Durch die tiefste Schlucht Griechenlands

Nirgendwo in Hellas geht es so steil und tief hinab wie in Zagori im Nordwesten. Die Vikos-Schlucht ist nicht das einzige steinerne Wunder. Alte Brücken und Treppen verbinden Welterbe-Dörfer.

Von Luisa Heyer, dpa 30.06.2025, 00:05
Beeindruckendes Bauwerk inmitten der Schucht: die Kokkorou-Brücke.
Beeindruckendes Bauwerk inmitten der Schucht: die Kokkorou-Brücke. Linda Heyer/dpa-tmn

Monodendri/Megalo Papingo - Es ist noch früh am Morgen, als wir uns an diesem Tag auf den Weg in die Vikos-Schlucht machen. Die Sonne geht gerade auf und färbt den Himmel in ein Aquarell aus Pink, Orange und Blau. Wir beginnen unsere Tour im Bergdorf Monodendri. Kopfsteinpflastergassen kleben am Hang. Uns begegnet keine Menschenseele. Nur ein Hund trottet daher und begleitet uns - bis zum Eingang der Vikos-Schlucht. 

Die Vikos-Schlucht beginnt am Rande des Bergdorfes und ist Teil des Pindos-Gebirges im Nordwesten Griechenlands. Ihre Ausmaße sind beeindruckend: Mehr als zehn Kilometer sind es bis zu ihrem anderen Ende im Norden nahe dem Dorf Megalo Papingo. Und mehr als tausend Meter tief ist sie, begrenzt von schroffen, mancherorts fast senkrechten Kalksteinfelsen.

Damit ist sie eine der tiefsten Schluchten der Welt. Der Grand Canyon in den USA ist vom Rim (Rand) bis zum Talboden teils zwar fast doppelt so tief, dafür aber wesentlich breiter. Die Wände der Vikos-Erdfurche stehen anschaulich eng beieinander. 

Gewarnt waren wir

Wie steil es bergab geht, erfahren wir mit jedem schweißtreibenden Schritt hinunter zum Grund der Schlucht. Schnell wird klar: Das hier ist kein Sonntagsspaziergang. Unserem Begleiter auf vier Pfoten wird es zu anstrengend, zumindest verabschiedet er sich nach den ersten Serpentinen. 

Dass die Tour durch die Vikos-Schlucht kein Zuckerschlecken würde, davon hatten wir schon gehört.

„Ich musste schon vielen Wanderern auf ihrem Weg durch die Schlucht helfen“, berichtet Lefteris Ladias. Er ist Bergführer und leitet zusammen mit seinem Bruder das Gästehaus „Ladias“, in dem wir untergekommen sind. „Einmal habe ich sogar einen Mann durch die Schlucht getragen, da er auf halber Strecke zusammengebrochen war und nicht mehr laufen konnte.“ In weniger dramatischen Notlagen musste Lefteris nur mit Wasser und Nervennahrung aushelfen. 

Bis nach unten schaffen wir es ohne größere Verluste. Dichter Wald aus Eichen und Buchen umgibt uns. Alles leuchtet in sattem Grün. Wir folgen dem Pfad entlang des Flussbettes, vom Wasser des Voidomatis ist nicht viel zu sehen. Mal auf, mal ab, mal quer und hin und her schlängelt sich der Weg immer weiter nach Norden.

Die Vikos-Schlucht ist das Zuhause zahlreicher Arten. Urzeitlich anmutende Farne und moosbedeckte Felsen säumen unseren Pfad. Und manchmal muss man einfach stehen bleiben, um die Schönheit aufzusaugen: An einer Felswand verliert sich eine riesige Efeuranke mit unzähligen filigranen Verästelungen in der Höhe. Das Naturkunstwerk ist in über 100 Jahren gewachsen, erfahren wir.

Auch viele Tiere leben in der Schlucht. „Ich habe schon einige wilde Tiere hier entdeckt“, berichtet Lefteris. Wildschweine und Bergziegen, Adler, Schlangen, Bären, alle hat er schon gesehen. Mehr als 180 Vogelarten wurden dokumentiert und über 1.800 Pflanzenarten. 

Das Herz pumpt

Sieben Stunden sind wir bereits unterwegs, als sich der Wald lichtet und den Blick freigibt auf das Tymfi-Bergmassiv. In bizarren Zacken thront die Bergkette über uns. So beeindruckend die Aussicht ist - sie ist auch das Signal für den Härtetest. Denn jetzt geht es wieder bergauf. Wir atmen tief durch. Das letzte Stück unserer Wanderung verlangt uns alles ab: Die Waden melden sich mit jedem Schritt, das Herz pumpt.

Schließlich erreichen wir unser Ziel: Megalo Papingo. Genau wie Monodendri ist auch dieses Nest ein typisches Zagori-Dorf, ganz aus Stein erbaut. Die Einbettung in die Berglandschaft und die traditionelle Architektur waren es der Unesco 2023 wert, insgesamt 46 solcher traditionellen Bergdörfer zum Weltkulturerbe zu erheben.

„Wenn man in dieser Region ein neues Haus bauen möchte - sei es ein Hotel, ein Restaurant oder ein Haus für die Familie - muss es aus demselben Stein und im selben Stil gebaut werden wie der Rest des Dorfes“, erklärt Bergführer und Hotelier Lefteris Ladias.

Einige der Zagorochoria-Dörfer lassen sich gut erwandern. Die Wege verlaufen entlang alter gepflasterter Straßen, über Bogenbrücken und Treppen, die sich wie steinerne Schlangen die Berge hinaufwinden. Auch diese baulichen Charakteristika hob die Unesco hervor.

Also reich an Natur und Baukultur, doch einwohnerarm ist die Region Zagori. Und wenn man auf Menschen im Plural trifft, dann am ehesten in Megalo Papingo. Es ist das meistbesuchte der Zagori-Dörfer. Die Touristen seien in den vergangenen Jahren mehr geworden, hat Lefteris beobachtet. Doch von den Besuchermassen wie in Athen oder auf den griechischen Inseln scheint die Region genauso weit entfernt wie sie abgelegen ist - dort im Norden des Landes nahe der Grenze zu Albanien. 

Im Licht der Abendsonne schlendern wir durch die gepflasterten Straßen Megalo Papingos vorbei an niedlichen Steinhäusern. Im Hintergrund ragen die Astraka-Türme, die mit knapp 2.500 Metern höchsten Gipfel des Tymfi-Bergmassivs, in den Himmel. Die untergehende Sonne taucht sie in ein leuchtendes Rot.

Links, Tipps, Praktisches:

Reiseziel: Die Zagori-Region liegt im Nordwesten Griechenlands. Die Schlucht liegt im Vikos-Aoos Nationalpark.

Reisezeit: Die beste Zeit, die Vikos-Schlucht zu durchqueren, ist ab Februar im Frühjahr und im Herbst bis in den November. Im Sommer spendet die Vegetation in der Schlucht Schatten. Im Oktober erstrahlt die Region in schönen Herbstfarben.

Anreise: Mit dem Flugzeug über Athen nach Ioannina, von dort sind es noch 40 Kilometer bis nach Monodendri. Es empfiehlt sich die Anreise mit einem Mietwagen, da die Region kaum mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen ist. Manche Unterkünfte in Zagori bieten einen Taxi-Service von Ioannina an. Alternativ per Nonstop-Flug nach Thessaloniki, das von Monodendri jedoch 290 Kilometer entfernt liegt.

Einreise: Es genügt ein gültiger Personalausweis.

Wandern: Es gibt mehrere Routen, der Klassiker ist der Vikos-Schlucht-Weg, 12,5 Kilometer lang und in sechs bis acht Stunden zu schaffen. Der Schwierigkeitsgrad ist mit drei von fünf Punkten eingestuft, ein Mindestalter von zwölf Jahren wird empfohlen. Man steigt insgesamt über 1.100 Meter ab und wieder über 800 Meter auf. Die Wanderung über die Vradeto-Treppen führt zum Beloi-Aussichtspunkt, wo der Blick auf die Vikos-Schlucht spektakulär ist.

Unterkunft: Neben dem Hotel „Ladias“ in Monodendri gibt es weitere Möglichkeiten in den der Schlucht nächstgelegenen weiteren Zagori-Dörfern Vikos, Megalo Papingo, Mikro Papingo, Aristi, Vitsa, Kapesovo und Tsepelovovon - von traditionellen Gasthäusern bis zu Boutique-Hotels.

Weiterführende Informationen: discovergreece.com