Der fünfte Teil der Pilzserie vergleicht essbare und giftige Champignon- und Wulstlingsarten Störer, Fliegenfänger, Tobsuchtsauslöser
Im fünften Teil der Volksstimme-Pilz-Serie vergleicht der Magdeburger Pilzsachverständiger Martin Groß heute Champignon- und Wulstlingsarten. Eine Art kann Tobsuchtsanfälle auslösen. Die Fotos stammen von Prof. Wulf Pohle.
Magdeburg (rgm) l Champignons sind jedem Pilzlaien als delikate Speisepilze wohlbekannt. In der Regel werden die verschiedenen Zuchtchampignonarten aus dem Supermarktangebot verzehrt, aber bei den wild wachsenden Champignonarten ist der "schlemmerische Zugriff" schon seltener, weil die eben nicht so leicht verfügbar sind und auch nicht so genau gekannt werden.
Und siehe da, urplötzlich wachsen im eigenen Garten ganz stattliche Pilze, die wie Champignons aussehen und auch tatsächlich welche sind, wenn man die wichtigsten Merkmale für Champignons vergleicht - weitgehend weißer Pilz mit Manschette, rosa-farbene bis braune eng stehende Lamellen. Leckere Champignons im Garten? Sind die nicht auf Wiesen oder im Wald zu Hause? Ja schon, aber eine Art liebt auch Gärten. Dummerweise ist die gerade giftig - nämlich der Giftchampignon (Agaricus xanthoderma), der auch Karbolegerling genannt wird.
"Sammler wurden wegen Randalen aus dem Zug geworfen."
Alljährlich kommen Menschen in die Pilzberatung und berichten von diesem Phänomen der weißen stattlichen Pilze in ihren Gärten, die sie so gerne essen würden. Sagt man dann, die sind giftig, ist die Enttäuschung groß und es wird sofort gefragt, wie man diese nun zu "Störern" des Gartenglücks herabgestuften Pilze wieder los wird. Die Antwort lautet, Pilze sind wunderschöne etwas geheimnisvolle Naturschöpfungen, deren Anblick an sich erfreut, auch wenn man sie nicht essen kann. Man lässt sie einfach gewähren, denn alt werden sie ja nicht, ganz abgesehen von ihre wichtigen Funktion im Naturkreislauf. So schnell wie sie gekommen sind, sind sie auch wieder weg.
Der Giftchampignon ist recht leicht von den essbaren Arten zu unterscheiden, denn wenn man ihn am leicht knolligen Stielende oder am Hutrand verletzt beziehungsweise anschneidet, läuft die betreffende Stelle sofort leuchtend chromgelb an, wobei die Färbung nach recht kurzer Zeit schon wieder verblasst. Der Geruch nach Karbol (Tinte, Desinfektionsmittel), von dem er auch seinen anderen Namen hat, ist nicht immer deutlich ausgeprägt, so dass das kein verlässliches Merkmal ist. Erst wenn dieser Pilz versehentlich in den Topf gelangt, werden die unangenehmen Geruchstoffe mit dem beim Erhitzen austretenden Wasserdampf besser wahrgenommen. Manche riechen aber auch gar nichts und essen alles arglos.
Zu beachten ist beim "Anschneidetest", dass einige essbare Champignonarten nach Berührungen an Hut und Stiel auch gilben, jedoch die gelbe Färbung dauerhaft bestehen bleibt. Kenner sehen auch den Farbunterschied zwischen dem hier auftretenden Indisch-Gelb und dem beim beschriebenen Test zu beobachtenden Chromgelb. Gerät man doch an den Giftchampignon, was recht häufig geschieht, muss man zum Glück nicht um sein Leben bangen. Die Vergiftung verläuft verhältnismäßig harmlos, "nur" mit Erbrechen und Durchfall.
Der bekannteste Pilz ist der Fliegenpilz (Amanita muscaria). Er ist quasi die Galionsfigur aller Großpilze und sitzt tief in der deutschen Seele. Ihn kennt schon jedes Kind und er ist ein Mythos, etwa so wie der "Deutsche Wald" an sich. Auch bei dem vom Textdichter unserer Nationalhymne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, verfassten Kinderliedtext "Ein Männlein steht im Walde ...", denkt jeder erst an den Fliegenpilz und nicht an die eigentlich gemeinte Hagebutte.
Fliegenpilzvergiftungen sind ziemlich selten, einfach deshalb, weil jeder weiß, dass der giftig ist. Trotzdem können sehr junge Exemplare, die also noch nicht aufgeschirmt sind, mit dem Perlpilz (Amanita rubescens) verwechselt werden. Selbst geübte Perlpilzsucher müssen sich ihrer Sache ganz sicher sein und den Test kennen, den man mit sehr jungen noch geschlossenen Pilzen machen muss. Einmal längs durchzuschneiden und nach einem deutlich orange-roten Streifen unter der Huthaut suchen. Ist der vorhanden, hat man ein (giftiges) Fliegenpilzbaby vor sich.
Nun könnte man meinen, dass Fliegenpilze nur "schön aussehen", aber es ist noch von einem sehr praktischen Zweck zu berichten, durch den er seinen Namen erhielt. Der Fliegenpilz ist ein Fliegentöter, etwa so wie das tapfere Schneiderlein im Märchen, nur dass er nicht zuschlägt, sondern eben mit Gift tötet.
"Der Pantherpilz heißt auch Sachsenschreck."
Früher, als es noch keine Insektenvernichtungssprays gab, stellte man eine Schale verdünnter Milch mit darin eingeweichten Fliegenpilzstückchen einfach auf einen Schrank und lockte so die im Zimmer befindlichen Fliegen an. Die schleckten das "leckere Essen" und starben dann an den in der Milch gelösten Fliegenpilzgiften (Ibotensäure, Miscimol, Muscazon). Alles "sehr ökologisch" und "ganz ohne Chemie", obwohl das letztlich auch nicht stimmt, denn die wirkenden Gifte sind ziemlich komplizierte chemische Verbindungen.
Eine weitere wichtige Giftpilzart soll auch noch besprochen werden, die innerhalb von ein bis zwei Stunden zu Tobsuchtsanfällen führt, einem häufigen Symptom. Bei einem Fall hatte eine Gruppe von Personen unmittelbar beim Pilzesuchen in der Colbitz-Letzlinger Heide auch Pantherpilze (Amanita pantherina) mitgesammelt, in der Annahme, es wären Perlpilze.
Gleich nach dem Sammeln wurden alle Pilze als Abendbrot bei Freunden vor Ort verzehrt. Danach fuhr die Gruppe zirka eine Stunde später mit dem Zug in Richtung Magdeburg nach Hause. Sie mussten wegen Randalierens aus dem Zug geholt werden! Dabei wusste man nicht sofort, dass eine Pantherpilzvergiftung im Spiel war.
Es ist auch schon vorgekommen, dass jemand in dem Gefühl von "Riesenkräften" einfach aus dem Fenster sprang und starb. Der Pantherpilz heißt übrigens auch "Sachsenschreck", weil er häufig sächsische Urlauber in der Ostseeregion vergiftete. In Mecklenburg-Vorpommern ist er häufiger als in Sachsen und war daher dort weniger bekannt. Verwechselt wurde er mit dem essbaren Perlpilz beziehungsweise auch mit dem essbaren Grauen Wulstling (Amanita spissa), den eigentlich nur gute Pilzkenner sammeln dürfen, weil hier die Irrtumsgefahr sehr hoch ist. Diese beiden essbaren Wulstlingsarten müssen sicher von den anderenzum Teil tödlich giftigen Wulstlingsarten unterschieden werden können. Da braucht es wieder die genauen Merkmalskenntnisse.
Der Pantherpilz hat einen bis zehn Zentimeter großen graubraunen Hut mit kreisförmig angeordneten weißen Flöckchen und der Hutrand ist gerieft. Der schlanke Stiel hat eine oft undeutliche ungeriefte Manschette und besitzt am Fuß eine wulstartig gerandete Knolle, über der sich oft ein weiteres ringartiges Gebilde befindet. Die Lamellen stehen eng und sind rein weiß, wie auch das Pilzfleisch. Im Bergland fällt er kräftiger aus und hat dort keinen gerieften Hutrand.
(Der sechste Teil der Volksstimme-Pilz-Reihe erscheint am Donnerstag, 27. September.)