Behandlungsstrategien im Vergleich / Urologen erörtern in Magdeburg verschiedene Verfahren Therapievielfalt bei Prostatakrebs
Derzeit treffen sich in Magdeburg rund 300 Mediziner, um über Prostatakrebs zu diskutieren. Im Mittelpunkt der Tagung steht eine der weltweit größten Studien, die auch am Magdeburger Universitätsklinikum beginnt.
Magdeburg (rgm) l Der Prostatakrebs ist die häufigste bösartige Männer-Erkrankung. Verzeichneten Ärzte vor zehn Jahren rund 40 000 Neuerkrankungen pro Jahr, sind es heute über 60 000. Nicht zuletzt die Bluttests auf PSA (Prostata-spezifisches Antigen) im Rahmen der Krebsfrüherkennung haben zur Zunahme der männlichen Krebspatienten beigetragen.
Sobald die Diagnose sicher feststeht, stellt sich für jeden Mann die Frage nach der Art der Behandlung. Die medizinischen Therapieempfehlungen sind unter anderen abhängig vom Stadium der Erkrankung, der Größe des Tumors, seiner Lage und Aggressivität. Beschränkt sich der Tumor auf die Prostatakapsel und ist er wenig aggressiv, gibt es vier anerkannte und theoretisch gleichwertige Strategien:
m die operative Entfernung der Prostata (Radikale Prostatektomie),
m die Bestrahlung von Außen (perkutane Strahlentherapie),
m die Bestrahlung mit reiskorngroßen Strahlenquellen, die in die Prostata implantiert werden und sie zerstören (permanente Seed Implantation beziehungsweise interstitielle Brachytherapie) sowie
m das aktive Abwarten (Active Surveillance). In diesem Fall wird der Tumor nur engmaschig kontrolliert. Erst im Fall eines Fortschreitens der Erkrankung stellt sich die Frage nach einer Therapie.
Weltweit stehen Ärzte und Patienten vor dem Dilemma, dass es keinen wissenschaftlichen Vergleich zwischen den vier verschiedenen Strategien gibt. Das heißt, dass niemand exakt weiß, welche Behandlung bei einem Patienten mit Prostatakrebs im lokal begrenzten Stadium und geringer Tumoragressivität wirklich zu mehr Lebenszeit und Lebensqualität führt. Individuell können die Ärzte keinen wirklich fundierten Rat geben.
Optimale medizinische Kontrolle und Behandlung
Dennoch raten viele Urologen in Deutschland meist zu einer Operation. Das gilt insbesondere für Patienten im Alter von unter 65 Jahren. "Es könnte allerdings auch sein, dass Strahlentherapien oder das aktive Abwarten gleichwertige oder gar bessere Alternativen sind", sagt Professor Martin Schostak, Direktor der Magdeburger Uniklinik für Urologie und Kinderurologie.
Um Patienten künftig Empfehlungen auf einer sicheren wissenschaftlichen Datenbasis liefern zu können, haben die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe in Zusammenarbeit mit gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen eine der weltweit größten Prostatakrebsstudien weltweit in Angriff genommen. Ziel ist es, die Therapien im Hinblick auf den Patientennutzen gegeneinander zu bewerten. Mindestens 7500 Patienten sollen in den kommenden drei Jahren an der Studie teilnehmen.
"Maßgeblich für den Erfolg der wissenschaftlichen Studie werden die Hausärzte und niedergelassenen Urologen sein", so Prof. Schostak. Sie leisten die Therapie-Erstberatung und überweisen gegebenenfalls in ein zertifiziertes Prostatazentrum, das an der Studie teilnimmt und alle vier Therapieoptionen anbietet. Zwischen Hamburg und Leipzig, Braunschweig und Berlin ist das die Urologische Universitätsklinik Magdeburg.
Nach der gemeinsamen Beratung durch die beiden Leiter der Unikliniken für Urologie und Strahlentherapie, bei der den Männern die bekannten Aus- und Nebenwirkungen der verschiedenen Therapien vorgestellt werden, können Patienten im Alter unter 76 Jahren und geringen Risiken bis zu zwei Behandlungsstrategien ablehnen. Zwischen den restlichen beiden Therapien entscheidet letztlich das Los.
Wissenschaftlich gesicherte Nachteile gegenüber anderen Prostata-Krebspatienten mit vergleichbaren Risiken haben die Teilnehmer an der Studie trotz des Losentscheids nicht. "Im Gegenteil", so Prof. Schostak. "Ich denke, die Studienteilnehmer werden in jedem Fall von einer besonders engmaschigen Kontrolle über einen Zeitraum von mindestens 13 Jahre profitieren." Veränderungen im Gesundheitszustand werden bei den Studienteilnehmern besonders schnell erkannt und die Patienten werden von hochqualifizierten Therapeuten behandelt.
Die Hoffnung der Ärzte ist, dass wegen der langen Laufzeit der Studie möglichst viele Männer unter 65 Jahren sich zu einer Teilnahme entschließen werden. Eventuelle Auslagen wie beispielsweise Fahrtkosten werden vom Studienzentrum übernommen.Noch im Februar sollen die ersten Probanden in die Studien aufgenommen werden.