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Demenz kann nicht nur Senioren treffen / Oft schwierige Situation für Angehörige Wenn junge Menschen vergessen

17.09.2013, 01:10

Demenz ist keine Krankheit, die nur alte Menschen trifft. Auch Personen weit unter 65 können an den typischen Erinnerungslücken leiden. Für sie ist es meist schlimmer: Ihr Körper ist noch fit, der Kopf weiß nur nichts mehr damit anzufangen.

Berlin (dpa) l Manchmal etwas zu vergessen, das gehört für ältere Menschen zum Alltag. Doch wenn das Gedächtnis häufiger versagt, die Orientierung verloren geht und sich die Persönlichkeit verändert, dann lautet die Diagnose oft: Demenz.

Fast immer sind Menschen ab 65 Jahren betroffen. Doch auch Jüngere können an einer Demenz erkranken: "Diese Menschen fallen völlig aus dem Alltag", umschreibt es Professor Richard Dodel von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie in Siegen. Wer unter 65 ist, steht meistens noch im Berufsleben, ist in feste Terminpläne eingebunden und gilt noch nicht als Senior. Kollegen, Freunde und Familie denken nicht direkt an eine Krankheit, wenn sich das Verhalten auffällig ändert.

Doch dieses Symptom ist charakteristisch für die Frontotemporale Demenz (FTD). Wie bei allen Formen der Demenz sterben dabei Gehirnzellen, in diesem Fall im Stirnhirn und im Schläfenlappen, ab. "Bei FTD können Persönlichkeitsveränderungen, Verhaltens- und Sprachstörungen auftreten", sagt Richard Dodel, Neurologie-Professor an der Philipps-Universität Marburg. Das zeigt sich sehr unterschiedlich: Betroffene werden fahrig, apathisch, aggressiv, enthemmt. Sie selbst registrieren die Persönlichkeitsveränderung in der Regel nicht.

"Bei der Alzheimer-Krankheit, an der zwei Drittel der Demenz-Betroffenen leiden, lassen die kognitiven Fähigkeiten nach. Zu den typischen Erinnerungslücken kommen Orientierungslosigkeit und Konzentrationsschwächen.

Auch Alzheimer trifft vereinzelt jüngere Menschen. "Dabei handelt es sich immer um eine erbliche Veranlagung", sagt Professor Christian Haass, Demenzforscher im Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in München.

Vom Hausarzt wird ein Patient mit Demenzverdacht zum Neurologen, Psychologen oder zur Gedächtnisambulanz geschickt. Dort wird gezielt auf Demenz untersucht. "Da werden vor allem organische Ursachen für eine Demenz ausgeschlossen", erklärt Dodel. Denn in allen Altersgruppen kann Demenz auch die Folge von anderen Krankheiten sein, etwa einer Durchblutungs- oder Schilddrüsenstörung und von Schlaganfällen. Ist die primäre Erkrankung behandelbar, bessert sich oft auch die Demenz.

Alzheimer, FTD und die meisten anderen Arten der fortschreitenden Demenz sind jedoch nicht heilbar - auch wenn die Forschung immer neue Erkenntnisse gewinnt. Umso wichtiger ist daher die Betreuung, die laut Bundesfamilienministerium zu zwei Dritteln Angehörige übernehmen. "Gerade bei jüngeren Betroffenen ist es schwierig, sich auf die Einschränkungen einzulassen", erklärt Sozialarbeiterin Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft.

Anders als bei Erkrankten im Ruhestand sind dabei zum Beispiel auch die Versorgung von Kindern oder die Regelung der Altersvorsorge noch ein Thema. Auch sind die Frühbetroffenen in der Regel körperlich fitter, denn das Kleinhirn, zuständig für die grundlegenden Körperfunktionen, ist vom Zelltod nicht betroffen.

Körperliche Fitness ist für Betreuer eine besondere Herausforderung. Für die Betroffenen ist sie eine Chance: "Sport ist das Einzige, was man gegen Demenz machen kann", sagt Haass. "Es ist durch Tierversuche belegt, dass körperliche und geistige Betätigung die Demenz zwar nicht verhindert, aber den Verlauf hinauszögert."

Geistige und körperliche Anregung sollte es für Patienten immer geben, auch in einem Heim. Bei aktiveren Jüngeren sind entsprechende Angebote schwerer zu finden. "Da kann man es mal in einer Behindertenwerkstatt versuchen", schlägt Sozialarbeiterin Saxl vor. Auch Wohneinrichtungen für psychisch Kranke hält sie für eine mögliche Alternative zum Altenpflegeheim.

Walking-Gruppen oder Tanzkurse sind ebenfalls denkbar und helfen auch den pflegenden Angehörigen, weil sie den schwierigen Alltag auflockern. "Es gibt auch Urlaubsangebote speziell für Patienten und Betreuer", sagt Susanna Saxl. Solche Angebote sind wichtig, denn die Demenz wird immer schwerer. Sie selbst ist nicht tödlich. Aber sie begünstigt Sekundärerkrankungen, die zum Tod führen können.