"Wolf", "Dad" und "Walden" - Neue Magazine für Männer
Sie heißen "Wolf" oder "Dad": Für Männer gibt es immer neue Zeitschriften. Was steckt dahinter: Neue Zeiten, neue Männer?
Berlin (dpa) - Viele Männer hätten die Klischees satt, sagt Sinja Schütte. Dicke Uhren, schwerer Rotwein, der Porsche. "Oder Bitterschokolade! Kennen Sie einen Mann, der Bitterschokolade isst? Die essen doch viel lieber Vollmilch mit Nüssen."
Sinja Schütte hat sich mit Männern als Lesern beschäftigt. Sie leitet das Frauenmagazin "Flow", das bei einer Tochter von Gruner + Jahr und dem Landwirtschaftsverlag Münster erscheint. "Flow" bekommt nächste Woche (29.11.) einen Ableger für Männer, "Wolf". Die Zielgruppe beschreibt Schütte so: der moderne, eher städtische Mann, der selbstverständlich Elternzeit nimmt, auch wenn er seinen Job liebt. Einer, der mit seinen Kumpels grillt, aber auch zum Yoga geht.
Im Zeitschriftenregal liegen eine ganze Reihe von Titeln, die zeigen, wie sich die Männerwelt verändert hat. "Men's Health" hat mit "Dad" das "erste Männermagazin für Väter" auf den Markt gebracht. Das "Zeit"-Magazin widmet dem Mann eine eigene Zeitschrift und arbeitet gerade an der zweiten Ausgabe. Das Outdoor-Heft "Walden" erscheint künftig vier- statt zweimal im Jahr.
EIN MÄNNERMAGAZIN FÜR ACHTSAMKEIT
Zeitschriften greifen oft gesellschaftliche Trends auf. Das ist ein bisschen wie in der Werbung: "Pampers" holte für einen Werbespot harte Kerle mit Tattoos und Vollbärten mit ihren Babys vor die Kamera. Im Jahr 2016 dürfen Väter Windeln erklären. Auch bei Instagram kann man die Gattung "der neue Mann" finden. In England postet ein Familienvater mit vier Töchtern Bilder aus seinem Alltag und hat Hunderttausende von Abonnenten. "Männer haben nicht genug Magazine, die ihre Lebenswirklichkeit spiegeln", sagt Sinja Schütte. Ihre Beobachtungen: Autos, Fußball, nackte Brüste - es gibt Männer, die darüber nicht noch mehr lesen wollen. Besonders seit der Einführung des Elterngeldes (2007) tut sich was. Es geht weg von alten Rollenbildern. "Eigentlich emanzipieren sich Männer gerade", sagt Schütte.
"Wolf" ist ein Männermagazin für Achtsamkeit. So heißt der Trend, in einer hektischen Welt nach den wahren Werten, einem Ruhepol zu suchen. Der Name "Wolf" kommt von "Flow", wenn man das Wort rückwärts liest. Das Heft kostet 8,50 Euro und hat laut Schütte das Potenzial, viermal im Jahr zu erscheinen. Auf dem Titel der ersten Ausgabe ist ein alter VW-Bus zu sehen. Die Titelthemen: "Mehr offline", "Mehr Freiheit", "Nur Mut".
DRAUßEN WARTET MEHR AUF UNS
Um das Abenteuer vor der Haustür geht es beim Magazin "Walden" (Gruner + Jahr): Zelten, Fliegenfischen oder wie man ein Wildschwein im Wald grillt. Benannt ist das Heft nach dem Klassiker von Henry David Thoreau aus dem 1854 über ein Leben in der amerikanischen Wildnis. Thoreaus Botschaft sei einfach und heute noch ebenso gültig wie damals, sagt Markus Wolff aus der Redaktionsleitung: "Draußen wartet mehr auf uns. Wir müssen nur wieder einmal aufbrechen."
Die "Walden"-Reportage mit der größten Resonanz war laut Wolff ganz unspektakulär. Sie handelte von vier Freunden, die seit 27 Jahren im Winter im Harz zelten, an einem immer gleichen geheimen Platz im Wald. Ein Leser habe geschrieben: "Ich habe meiner Frau gesagt: Wenn du wissen willst, wie wir Männer ticken, dann lies die Seiten über das Winterzelten im Harz."
SURVIVAL BEIM KINDERGEBURTSTAG
Das Magazin "Dad" (4,50 Euro, Rodale-Motor-Presse) widmet sich Survival-Tipps für Kindergeburtstage, stellt die Frage, wie viele Kinder perfekt sind und listet nervige Sätze von Müttern auf ("Lass mich das lieber machen").
Neue Zeiten, neue Männer? Beim Stammblatt "Men's Health" heißt es, die Zielgruppe sei nach wie vor jung, hoch gebildet und leistungsorientiert. Aber die Welt um die Männer herum habe sich verändert. "Ihr Alltag wird immer schneller und komplexer, Rollenbilder und -erwartungen weichen auf, nichts ist mehr für die Ewigkeit", sagt Publisher Wolfgang Melcher. Zum Start vor 20 Jahren war das Heft "Das Magazin für Männer". Seit August hat "Men's Health" einen neuen Claim: "Strong for Life", stark fürs Leben.
Es geht nicht nur um den Kampf gegen die "Winterwampe" und Flirttipps, sondern auch um Teilzeit, Home Office und Sabbatical. Lesestoff für Kerle findet sich weiter. So wie bei einer Leserdebatte zur These "Wer im Fitness-Studio schreit und laut stöhnt, macht sich zum Affen".
DER MANN AUF DER TANZFLÄCHE
Das erste "Zeit Magazin Mann" (8,50 Euro) verkaufte sich viel besser als erwartet, wie Chefredakteur Christoph Amend sagt. Die Resonanz sei toll gewesen. Gefreut hat sich Amend über die Instagram-Notiz eines Lesers: "6.9. 2016, im Alter von 39 Jahren erwerbe ich mein erstes Männermagazin".
Im Heft kommen klassische Themen wie Fußball oder Wein vor, aber anders erzählt: Etwa in einer Geschichte über einen 104 Jahre alten Winzer in Portugal, der mit fast 100 sein Leben noch einmal auf den Kopf stellte. "Zeit"-Autor Moritz von Uslar beschreibt, wo es sich seltsam anfühlt, ein Mann zu sein: auf der Tanzfläche.
Über den Zeitschriftenmarkt sagt Amend: "Wir hatten immer das Gefühl, da fehlt etwas." Das Nachdenken über die eigene Rolle, wie verhalte ich mich im Leben: Solche Gedanken seien bisher zu kurz gekommen. Bei den Männern habe diese Reflexion verglichen mit den Frauen enorm verzögert eingesetzt. "Wir sind ein bisschen spät dran, aber wir holen auf."
Was sagen Branchenkenner? Stephan Scherzer, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger, beobachtet, dass die Leidenschaften von Männern immer breiter im Kiosk abgebildet werden: vom Fliegenfischer, über Mode bis zum Auto-Liebhaber. Weit über 100 Titel seien es mittlerweile. "Die Männer sind in ihren Interessen heute so vielfältig wie die Frauen", sagt Scherzer. Und: "Die Männer sind auf Identitätssuche."