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DDR-Schachgenie Promi-Geburtstag vom 29. März 2020: Wolfgang Uhlmann

Wie Tennis, Basketball oder Ski alpin gehört auch Schach in der DDR zu den Mauerblümchen-Sportarten. Aber es gibt einen Superstar mit Privilegien.

Von Ralf Jarkowski, dpa 28.03.2020, 23:01

Dresden (dpa) - Ein Schachtisch mit Marmorplatte von Fidel Castro, ein fein geschnitztes Zigarrenkästchen als Geschenk von Che Guevara, acht Duelle mit dem Exzentriker Bobby Fischer und Reisen um die weite Welt - das Schachspiel hat den Sachsen Wolfgang Uhlmann zum Weltbürger gemacht.

Der Dresdner sitzt zehn Weltmeistern gegenüber, fünf kann er besiegen. Er ist in der DDR ein Exot in einer exotischen Sportart, sieht die Philippinen, darf nach Argentinien reisen, auch nach England. Ein Privilegierter? "Das muss ich schon mit Ja beantworten", sagt Uhlmann im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Heute wirde er 85 Jahre alt.

Die lange geplante kleine Feier mit der Familie und Freunden muss er nun verschieben - das derzeit in Jekaterinburg laufende WM-Kandidatenturnier verfolgt Uhlmann aber. "Natürlich, Schach ist doch mein Leben", sagt der Sachse. Rund 15.000 Partien hat Uhlmann in seinem Leben wohl gespielt, ans Schachbrett setzt er sich heute aber nur noch selten.

"Ausdauer und Kondition sind nicht mehr so da", erklärt der Mann, für den Schach einst die Welt war: 37 Länder - "da waren auch einige Privatreisen dabei", sagt er, "aber meine Frau durfte mich vor der Wende nie begleiten - nicht ein einziges Mal." Im englischen Hastings ist er oft, zweimal besiegt er dort die internationale Schachelite. "Das war mein Schokoladenturnier."

Im Alter von neun Jahren erlernt Uhlmann das königliche Spiel, nach Kriegsende erkrankt er an Tuberkulose und muss ein Jahr im Sanatorium verbringen. Während dieser Zeit studiert der Bursche die Bücher des russischen Weltmeisters Alexander Aljechin. Er erlernt den Beruf eines Buchdruckers, übt ihn aber nie aus: Denn de facto ist Uhlmann ein Schachprofi im Arbeiter-und-Bauern-Staat.

Ende der 1950er Jahre wird er Großmeister, in den 1960er und 1970er Jahren gehört er zur absoluten Weltspitze. Er rückt bis auf Position acht der Weltrangliste vor. Bei der Schach-Olympiade 1966 in Kubas Hauptstadt Havanna wird er drittbester Spieler am Spitzenbrett. Die wertvollen Geschenke kommen von Castro und Che - die beiden Revolutionsführer sind auch begeisterte Schachspieler. Castros Schachtisch nutzt Uhlmann heute noch gern.

Und wie war das mit Bobby Fischer, der ja immer für ein Skandälchen gut war? "Am Schachbrett war er außerordentlich fair, immer wie ein Gentleman gekleidet, es gab auch immer einen Handschlag", berichtet Uhlmann, der den späteren Weltmeister in acht Partien ein einziges Mal besiegen kann: am 2. Juli 1960 in Buenos Aires.

Uhlmann wird elf Mal DDR-Meister, veröffentlicht vier Schachbücher und gilt in der Szene als großer Spezialist der Französischen Verteidigung. Sogar der Russe Anatoli Karpow, Weltmeister von 1975 bis 1985, nimmt deshalb beim DDR-Kollegen Unterricht. Und die Lektionen zahlen sich aus: Karpow schlägt seinen früheren Landsmann Viktor Kortschnoi - später Schweizer - in den WM-Finals 1978 und 1981. "Da war dann der Kortschnoi wohl ein bisschen sauer auf mich und hat gegen Karpow ungern Französisch gespielt", schildert Uhlmann.

Mit Fußball-Kulttrainer Eduard Geyer ist Uhlmann schon seit Jahren befreundet, auch sein aus gemeinsamen Monaten in der Druckerei "Sachsenverlag" bekannter Schachfreund Gottfried Braun schätzt ihn sehr. Der heute 86 Jahre alte Leipziger hat unter anderem in der DDR-Sonderliga gegen Uhlmann gespielt. "Da war Respekt", erzählt der Fide-Meister und deutsche Seniorenmeister von 1995.

Waren die nicht so guten Schach-Kollegen damals neidisch auf den Globetrotter-Großmeister? "Diese Frage stellte sich für uns gar nicht. Irgendein Konkurrenz-Gedanke war uns fremd - Leistung entschied", versichert Braun.