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Lyrikerin und Romanautorin Promi-Geburtstag vom 30. April 2020: Ulla Hahn

Sie gilt als eine der wichtigsten Lyrikerinnen der Gegenwart. Hat aber auch Romane geschrieben, die zu Bestsellern wurden. Nun feiert Ulla Hahn ihren 75. Geburtstag - und arbeitet in Corona-Zeiten an einem Werk, mit dem sie Trost und Hoffnung spenden möchte.

Von Ulrike Cordes, dpa 29.04.2020, 23:01

Hamburg (dpa) - Einem großen Fernsehpublikum wurde sie durch Hermine Hundgeburths Film "Der Teufelsbraten" (ARD) bekannt: Unter dem Titel hatte die Regisseurin den ersten Teil von Ulla Hahns autobiografisch basierter Roman-Tetralogie ("Das verborgene Wort", 2001) als Zweiteiler Grimme-preisgekrönt auf die Bildschirme gebracht.

Dabei hatte die Autorin bereits in den 1980er Jahren viele Menschen erreicht - mit ihren Liebesgedichten, in denen sie das überkommene Genre quasi entschlackt und aufgeklärt in die Gegenwart überträgt ("Herz über Kopf", 1981). Heute feiert die Lyrikerin und Erzählerin an ihrem langjährigen Wohnort Hamburg ihren 75. Geburtstag.

Ihr neuer Gedichtband "stille trommeln" werde im Herbst erscheinen, berichtet die Autorin im Corona-bedingt schriftlichen Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Derzeit arbeite sie am Text zu einer "Urknallkantate" - im Auftrag von Generalmusikdirektor Kent Nagano und dem Philharmonischen Staatsorchester der Hansestadt. Die Uraufführung ist für das Internationale Musikfest Hamburg im April 2021 geplant. "Darin versuche ich, naturwissenschaftliche Erkenntnisse in eine poetische Sprache zu übersetzen - ein leicht wahnsinniges Unterfangen, ich weiß", erklärt die auch privat Musik liebende Schriftstellerin.

So beschäftige sie sich damit, "meinen Text um die dramatischen Erfahrungen dieser Corona-Krise zu erweitern. Denn diese Zeit der Angst, Einschränkungen und Verluste wird unser soziales und kulturelles Verhalten und Empfinden nachhaltig verändern." Für die Rettung des Lebens auf der Erde müsse allerdings jeder Einzelne seinen Beitrag leisten.

"Euch ist nicht zu helfen, wenn ihr euch nicht selber helft", zitiert die gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi (91), sehr umweltbewusst lebende Autorin ihren Dichter-Kollegen Friedrich Hölderlin (1770-1843).

Bis sie zu einer der wichtigsten Lyrikerinnen der Gegenwart wurde, hat Hahn einen weiten Weg zurückgelegt. Denn geboren wurde sie in den letzten Kriegstagen 1945 in Brachthausen (Sauerland) in eine Arbeiterfamilie, in der die Verhältnisse nach ihren Worten kaum schwieriger hätten sein können. Ihr Abitur holte sie - nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau - auf dem zweiten Bildungsweg 1964 nach. "Steh' auf!", diese Worte ihres Volksschullehrers, der ihr damit erst Mut zum Besuch der Realschule machte, seien ihr zur Lebensmaxime geraten, verrät die Schriftstellerin der dpa.

In Köln studierte sie Germanistik, Soziologie und Geschichte, promovierte. Später arbeitete Hahn, die in jungen Jahren vorübergehend Mitglied der DKP war, als Literaturredakteurin für Radio Bremen und als Uni-Lehrbeauftrage.

In ihren Romanen reflektiert die Autorin Lernen, Lesen, Liebe, Sex, Familie, Politik und die Erneuerung der Gesellschaft durch die 1968er-Jugend, zu der sie sich selbst jedoch nicht zählt. Erste Gedichte schrieb Hahn in den 1970ern - und konnte mit ihnen den Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki (1920-2013, "Das literarische Quartett") begeistern. Der setzte sich für ihr lyrisches Werk ein - verriss aber den Roman "Das verborgene Wort".

Wie überhaupt die Kritikerresonanz, anders als die des Lesepublikums, zuweilen widersprüchlich ausfiel. Die Verfasserin formuliert unter dem Gedichttitel "Meine Wörter" im Band "Herz über Kopf" ihr Sprachverständnis: "Meine Wörter hab ich / mir ausgezogen / bis sie dalagen / atmend nackt / mir unter der Zunge."

Den alle zwei Jahre vergebenen Ulla-Hahn-Autorenpreis hat ihr die Stadt Monheim (Nordrhein-Westfalen) gewidmet. Und ihr Elternhaus beherbergt seit 2013 das Ulla-Hahn-Haus, das sich um die Sprach- und Leseförderung von Kindern und Jugendlichen kümmert.

Ulla Hahn