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Frauentag Drei Frauen – drei Sichtweisen

Drei Frauen aus dem Jerichower Land, drei Generationen, drei unterschiedliche Sichtweisen auf den Internationalen Frauentag.

Von Simone Pötschke 07.03.2021, 00:00

Genthin l Der heutige Frauentag beginnt für Isabelle Schmidt (29), Claudia Tritt (55) und Gerda Zinke (87) so unspektakulär wie die meisten Tage des Jahres. Besonders für Isabelle Schmidt, Logopädin und Therapeutin, die ein ganz normaler Arbeitstag in der Uni-Klinik Magdeburg erwartet. Blumen werde sie von ihrem Mann ganz bestimmt nicht geschenkt bekommen, sagt sie. Das sei für sie völlig in Ordnung. In die speziell ostdeutsche Frauentags-Tradition sei sie wie viele junge Frauen ihrer Generation nicht hineingewachsen.
Für Claudia Tritt, Einrichtungsleiterin der Johanniterheime in Loburg und Genthin, gibt es hingegen schon von Berufswegen um eine solchen Frauentag kein Herumkommen. Als Frau, die eigentlich im Mittelpunkt des Tages steht, hat sie dafür Sorge zu tragen, dass Heimbewohnerinnen und Mitarbeiterinnen zur Feier des Tages eine Blume überreicht bekommen und später bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen können. „Die Bewohner erwarten das“, meint sie, egal ob Mann oder Frau die Aufmerksamkeit organisiert.
Claudia Tritt selbst fremdelt mit dem Frauentag, wohl auch aus ihrer DDR-Biografie heraus, als der Frauentag weniger mit politischen Forderungen als meist mit einer ausschweifenden betrieblichen Fete begangen wurde. Sicherlich habe die Frauenbewegung in ihrer über 100-jährigen Geschichte vieles bewegt, stellt sie nicht in Abrede. „Doch heute sind wir emanzipiert und selbstbewusst genug, uns durchzusetzen.“ Ob es dazu eines Frauentages quasi als „Verstärkung“ bedürfe, lässt sie offen. Fest steht für sie, dass es bei der Bezahlung von Jobs längst noch keine Gleichbehandlung zwischen Mann und Frau gebe. Solche Negativerfahrungen seien ihr in ihrem Berufsleben glücklicherweise erspart geblieben. Ob Mann oder Frau bei Stellenbesetzungen die Nase vorn hat, ob Mann oder Frau die besseren Chefs sind, bleiben für Claudia Tritt Fragen, über die allein Kompetenz, Qualifikation und Durchsetzungsvermögen entscheiden. Frauenquoten lehnt sie kategorisch ab. Sie sei jemand, die das Herz auf der Zunge trägt und Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg gehe. „Neue Herausforderungen und Ehrgeiz haben mich Stück für Stück im Berufsleben vorangebracht.“ Männliche Konkurrenz, auch auf der Leitungsebene, sei deshalb für sie nie ein Thema gewesen.
Gerda Zinke, geboren 1933, in dem Jahr, als der Frauentag von den Nazis verboten wurde, hat als Lehrerin viele Frauentagsfeiern erleben können. Es sei schön gewesen, von männlichen Kollegen an diesem Tag bedient worden zu sein. Es habe ein Präsent gegeben, eben eine kleine Anerkennung. Dem Vorwurf, dass sich Frauen bei solchen Feiern „abspeisen“ ließen, widerspricht sie. Sie selbst habe nie das Gefühl gehabt, als Frau im Beruf benachteiligt worden zu sein. Es habe sich in ihrem Leben, auch dank privater Umstände, gut gefügt, Familie und Beruf miteinander verbinden zu können. Gerda Zinke steht dazu, auch wenn die DDR die Rolle der Frau ideologisch vereinnahmt hatte. Aber die 87-Jährige weiß auch, dass sich die Arbeitswelt längst verändert hat. Für junge Frauen und Mütter sei es heute schwerer, alles unter einen Hut zu bekommen.
Allen guten Erinnerungen zum Trotz will die 87-Jährige, die nach wie vor aufmerksam das Tagesgeschehen verfolgt, die einstigen sozialistischen Veranstaltungen nicht verklären. Den Frauentag verortet sie heute deshalb politischer als noch vor Jahrzehnten. Dabei kommen ihr auch die Erfahrungen eines langen Lebens zu Gute. Ihr Rückblick fällt durchwachsen aus: „Ich dachte, vieles wäre in Sachen Gleichberechtigung längst überwunden.“ Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine stärkere Vertretung der Frauen in den Parlamenten und in den Chefetagen der Unternehmen: „Ich glaube, wir waren da schon mal weiter.“ Dreh- und Angelpunkt der Gleichberechtigung bleibt für die Seniorin eine gute berufliche Ausbildung für Mädchen und Frauen, um finanziell unabhängig vom Geldbeutel des Ehemannes zu bleiben.
Fünf Jahrzehnte Altersunterschied lassen Isabelle Schmidt nicht nur allein auf die finanzielle Unabhängigkeit schauen. Sie verkörpert das Selbstbewusstsein einer jungen Generation. „Im Gegensatz zu früher stehen Frauen heute mehr Möglichkeiten offen, aber nach wie vor gibt es Handlungsbedarf.“ Frauen ihres Alters seien auch weiterhin eher für Haushalt und Familie zuständig. „Ich würde mir wünschen, dass es in Zukunft als Selbstverständlichkeit angesehen wird, dass der Mann zu Hause bleibt und die Frau das Geld nach Hause bringt. Unabhängig von Geschlecht sollten alle Menschen dieselben Möglichkeiten haben.