Renaturierung BUND schlitzt Altdeich bei Wanzer
Mit viel Aufwand fand bei Wanzer der erste Spatenstich für die Wiederanbindung der Hohen Garbe an die Elbe statt.
Wanzer l Man kann durcheinander kommen bei den vielen Deichen. Von der Bockwindmühle Wanzer aus ist da zunächst der Alanddeich, dann der Elbdeich und dann, ja, nochmal ein Elbdeich. Der alte Elbdeich, der in den 1980er Jahren vom neuen abgelöst, aber nicht rückgebaut wurde. Zwar nagten die Jahre an ihm, aber eine Barriere stellte er noch dar.
Für die Hohe Garbe, eine der wichtigsten Auwälder der Unteren Mittelelbe. Bei größerem Hochwasser schwappte zwar Wasser über den alten Deich, aber es lief nicht wieder richtig ab, weswegen die wertvollen Baumbestände „in der Badewanne“ bereits Schaden nahmen. Da der neue Deich seinerzeit ins Land zurückverlegt worden war, nicht wie der alte die Deichschleife mitgeht, bot sich ein großes Unterfangen an: den alten Deich durchlässig machen und so die Hohe Garbe wieder an die Elbe anschließen. Was so einfach klingt, bedurfte jahrelanger Vorbereitung, wurde am Mittwoch im Rahmen des feierlichen Spatenstichs erläutert.
Schließlich gelang es dem BUND-Auenzentrum durch Flächenankäufe und Flächentausch, rund 260 Hektar der rund 400 Hektar großen Hohen Garbe mit der „Zweckbindung Naturschutz“ zu versehen. Und das, wie auch Verbandsgemeindebürgermeister Rüdiger Kloth lobte, ohne großen Ärger. Zu den involvierten Landwirten gehört auch Friedrich-Wilhelm Gernecke. „Wollen ist die eine Seite, vielleicht haben wir gewisse Einsichten gewonnen“, sagte er augenzwinkernd zu seinem Landtausch. „Nein, wirklich, das ist alles sehr vernünftig gelaufen.“
Gut so, wie Prof. Dr. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), nach der Bustour in die Garbe auf dem Dorfplatz Wanzer ausführte: „Naturnahe Hartholzauen wie hier bedecken heute nur noch ein Prozent ihrer ursprünglichen Fläche. Gleichzeitig zählen intakte Auen aber zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas und sind Refugien für seltene und bedrohte Arten wie Fischotter, Seeadler oder Rotbauchunke.“ Ins gleiche Horn blies der BUND-Vorsitzende Prof. Dr. Hubert Weiger: „Gerade angesichts der Klimakrise sind intakte Auenwälder wichtig. Sie halten Wasser lange in der Landschaft zurück. Dadurch verringern sie die Hochwassergefahr und verhindern in niederschlagsarmen Jahren das Austrocknen ganzer Landstriche. Auch filtern und reinigen sie das Wasser.“
Durch das Schlitzen des Altdeiches und von Aufwölbungen mitten in der Garbe sowie das Reaktivieren alter Flutrinnen könne das Elbwasser laut Dr. Meike Kleinwächter, Projektleiterin vom BUND-Auenzentrum auf der Burg Lenzen, „zukünftig auch bei kleineren Hochwassern wieder einfließen und Lebensräume für seltene Tiere und Pflanzen schaffen“.
Ein Team des BUND-Auenzentrums arbeitet seit 2012 an der Revitalisierung der Hohen Garbe, dem Projekt „Lebendige Auen für die Elbe“. Zu den Maßnahmen gehört auch das Anpflanzen eines jungen Auwaldes. Insgesamt wurden 10.000 Bäume und Sträucher in die Erde der Garbe gesetzt. Auch wurden Tümpel und eine Steilwand für Amphibien und Uferschwalben angelegt. Mit Erfolg! Rund 6 Millionen Euro kostet das Projekt, das Gros kam im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Vielfalt vom Bundesamt für Naturschutz, letztlich dem Bundesumweltministerium.
Im Gespräch zwischen VG-Bürgermeister Rüdiger Kloth, Aland-Bürgermeister Hans-Joachim Hildebrandt und Landwirt Friedrich-Wilhelm Gernecke war angesichts der Geldausgaben von einer Schieflage die Rede. Zwar sehen alle das Auenrojekt positiv, aber sei auch Unverständnis da, wenn gleichzeitig ein Förderverein gegründet werden muss, damit etwa eine vernünftige Schulspeisung existiert.
„Die meisten unserer Kommunen sind in der Konsolidierung, es ist für nichts Geld da, nicht mal für ein 80 Jahre altes Schwimmbad“, sagte Kloth vor allen. Er wünsche sich eine Art Finanzausgleich zwischen den Kommunen, „die die grünen Lungen Deutschlands vorhalten“ und jenen, wo sich Industrie ansiedelt – ansiedeln darf. Jonny Buck, der Vorsitzende des Windmühlen- und Heimatvereins Garbe, der mit „elements“ Vielbaum den Empfang ausrichtete, äußerte sich kritisch zum Umgang mit dem Eichenprozessionsspinner. „80 Prozent des Auwaldes sind ja schon tot.“ Auch zeigte er sich skeptisch, ob das Wasser in die Garbe fließt, die ja nicht umsonst den Beinamen „hohe“ habe. „Das wurde alles modelliert, genau geschaut, wie das Wasser fließt, sonst hätten wir gar keine Förderung bekommen“, sagte dazu Katrin Evers von der BUND-Bundesgeschäftsstelle. Es stimme, dass die Aue durch den bis dato bestandenen „Badewanneneffekt“, die Dürren und den Eichenprozessionsspinner geschädigt ist. „Aber so hoch schätzen wir den Schaden nicht.“ Letztlich lägen letztere Aspekte aber nicht im Gestaltungsspielraum des BUND. Und der Badewanneneffekt würde ja nun aufgehoben.
Große Freude am Ende noch beim BUND-Auenzentrum: „Lebendige Auen für die Elbe“ wurde als Projekt der UN-Dekade „Biologische Vielfalt“ ausgezeichnet. „Vor allem die vorbildliche Einbeziehung der lokalen Bevölkerung mit der Auenwerkstatt und eine Öffentlichkeitsarbeit mit bundesweiter Ausstrahlung sorgen dafür, dass der Wert naturnaher Auen im gesellschaftlichen Bewusstsein besser verankert wird“, sagte Beate Jessel.