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Müll-Skandal Anwälte geben Anlieferern Schuld

170 000 Tonnen hausmüllähnlicher Abfall soll zwischen 2005 und 2006 in der Tongrube Möckern gelandet sein. Doch wer ist daran Schuld?

Von Franziska Ellrich 16.10.2015, 11:00

Möckern/Stendal l Der jeweilige Anlieferer ist dafür verantwortlich, dass der geladene Müll der Genehmigung entspricht – und damit in der Tongrube in Möckern verfüllt werden darf. Das erklärte die Verteidigung vom ehemaligen Geschäftsführer der insolventen Sporkenbach Ziegelei Stefan S. am Donnerstag im Prozess am Stendaler Landgericht. Der Sonderbetriebsplan für die Tongrube sei vom Bergamt zugelassen worden und darin verpflichten sich die Mitarbeiter allein zur visuellen Kontrolle. Enstehe dabei der Verdacht von Unregelmäßigkeiten, muss der Müll zurückgewiesen werden. „Und genau so ist es auch gewesen“, macht die Verteidigung deutlich.

Beweisen sollen das Zeugenaussagen der vergangenen Wochen. Einzelne Mitarbeiter haben bei Befragungen bestätigt, in Ausnahmefällen Lkw zurückgewiesen zu haben. Auch in dem Betriebstagebuch soll vermerkt worden sein, dass in mehreren Fällen – aufgezählt hat der Verteidiger insgesamt vier - Lieferungen abgelehnt wurden. Die Verteidigung des damaligen Geschäftsführers wirft in diesem Zusammenhang nicht zum ersten Mal der Staatsanwaltschaft eine einseitige Beweisermittlung vor. „Alles Entlastende wird überhaupt nicht berücksichtigt.“ Doch sitzen wirklich die Falschen auf der Anklagebank? Staatsanwalt Thomas Kramer reagiert auf Volksstimme-Nachfrage gelassen: „Verteidiger müssen eben verteidigen. Wir sind an der Wahrheitsfindung interessiert.“

Fakt ist: Erklärtes Ziel der Verfüllung der Tongrube war laut Plan die Rekultivierung, die Herstellung einer landwirtschaftlichen Nutzfläche. Das erklärte am Donnerstag der Zeuge Ralf S. gegenüber der Vorsitzenden Richterin Simone Heinze-von Staden. Doch dazu ist es nie gekommen. Im Gegenteil: Die Fläche wird für die kommenden Jahrzehnte unnutzbar sein. Heute stehen auf dem Gelände der ehemaligen Tongrube dutzende Gasbrunnen, die das explosive Methan und den giftigen Schwefelwasserstoff verbrennen, um Umwelt und Anwohner zu schützen. Stahlspundwände sollen verhindern, dass vergiftetes Sickerwasser austritt. Schuld daran sind die hausmüllähnlichen Abfälle, die ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen einer Deponie und aufgrund der Gesetzgebung von 2005 ohne vorbehandelt zu werden, nicht in die Grube gedurft hätten. Ralf S. arbeitete für das Ingenieurbüro, dass die Haupt- und Sonderbetriebspläne für die insolvente Sporkenbach Ziegelei, damalige Betreiberin der Tongruben Möckern und Vehlitz, erarbeitet hat. Staatsanwältin Iris Benzel will von dem Ingenieur wissen, welche Materialien laut Plan für die Verfüllung vorgesehen waren. Der Zeuge zählt Bauschutt, Beton, Ziegel und Boden auf. „Es ging im wesentlichen um mineralische Materialien, da können aber auch zwischen fünf und zehn Prozent organische Materialien dabei sein“, erklärt Ralf S. Und macht am Beispiel eines abgerissenen Einfamlienhauses deutlich: „Vom Ziegel über Holz, Beton, Umzugkartons, Zeitungspapier und auch mal einer Gardine, kann alles dabei sein.“

Die Verteidigung des ehemaligen Geschäftsführers will wissen, welche Rolle die Behörden bei der Planung spielten. Dem Zeugen zufolge wurden die Ergebnisse sowohl beim Bergamt Staßfurt als auch bei der Landkreisverwaltung Jerichower Land und dem Landesamt für Bergwesen und Geologie vorgelegt. „Dann wurden Vorgaben gemacht und für eine Genehmigung musste ich mich bei den Planungen genau an diese Auflagen halten“, erklärt Ralf S. die übliche Vorgehensweise.

Weg von den Behörden, zurück zu den Anlieferern: Der Rechtsanwalt von Stefan S. zitiert aus dem Sonderbetriebsplan. Darin heißt es, wer den Müll anliefert, muss die Herkunft und Art des Materials belegen. „Wer ist also dafür verantwortlich, dass es sich um zugelassenes Material handelt?“ Die Antwort des Zeugen kommt prompt: „Der Mitarbeiter vor Ort, der den Müll annimmt, ist verantwortlich. Er muss in der Lage sein, zu erkennen, ob das Material komisch aussieht oder sogar ungewohnt riecht.“ Was die chemische Zusammensetzung oder Belastungswerte betrifft, dabei müsse sich der Mitarbeiter vor Ort auf die Analyse des Anlieferers verlassen. „Aber ob die Art und Größe des Materials den zugelassenen Stoffen entspricht, das muss er erkennen“, macht Ralf S. auf Nachfrage noch einmal deutlich.

Davon ist auch die Staatsanwaltschaft überzeugt. „Das Verhalten war vorsätzlich, weil jede Ladung sogar noch begutachtet und absichtlich verfüllt wurde“, sagt Thomas Kramer. Und erinnert an einen Zeugen, dem Fotos von reinem Kunststoffabfall gezeigt wurden. Der ehemalige Mitarbeiter räumte ein, dass solcher Müll seines Erachtens nach genehmigungsfähig war, weil er einer bestimmten Größe entspricht. Denn genauso wurde er belehrt: „Der Vorarbeiter hatte nur die Größe zur Kontrolle vorgegeben, inhaltlich wurde gar nicht überprüft“, bemängelt Kramer.