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Tanzen Löwen-Mädchen vorm großen Spiegel

„Tanzen ist Leidenschaft“, sagt Aileen Klingenberg, die am Sonnabend mit einigen Schützlingen in Burg den Welttanztag nachfeiert.

Von Falk Heidel 30.04.2016, 17:00

Burg l Tanztraining bei Vilando an der Burger Kapellenstraße: Trainerin Aileen Klingenberg bastelt mit ihren Mädels an der Choreografie für einen Löwentanz. Die entscheidenden Bewegungen macht sie immer wieder vor. Sie bewegt sich so geschmeidig, als ob sie die Hauptrolle im Musical Cats übernimmt. Die Mädels bekommen klare Anweisungen: „Die Bewegungen in den Beinen sind starr, die Krümmungen im Oberkörper kommen über die Rückenmuskulatur.“ Die Mädchen setzen das Gesehene um – auf dem Parkett schleichen die jungen Löwen-Damen grazil vor dem großen Spiegel auf und ab. Sekunden später macht sie der Rhythmus zu unbändigen Wildtieren. Nur mit dem Lächeln klappt es noch nicht: „Dafür sind sie zu konzentriert“, erklärt Trainerin Aileen.

Am Sonnabend ist sie 24 Stunden nach dem Welttanztag mit drei Gruppen an der Kappellenstraße aktiv, also direkt vor der Haustür. Der benachbarte Kampfkunstclub feiert mit einem Open-Air-Fest das 25-jährige Bestehen.

Initiiert wurde der Welttanztag im Jahr 1983. Das Internationale Theater Institut der UNESCO legte als Datum den Geburtstag von Jean-Georges Noverre fest, der als Schöpfer des modernen Balletts gilt. An diesem Tag sollen Barrieren abgebaut und Menschen mit der universellen Sprache des Tanzes zusammengebracht werden.

Viele Vereine, Tanzschulen, Gruppen und Studios zeigen ihren Zuschauern ihr Können und animieren zum Nach- und Mitmachen – vom klassischen Ballett über den leidenschaftlichen Tango bis hin zum waghalsigen Breakdance. Zudem gibt es jedes Jahr eine neue Botschaft, die im jährlichen Wechsel von jeweils einem anderen Künstler verfasst wird und an diesem Tag weltweit verbreitet werden soll. In Leipzig präsentierten sich 20 Vereine und Tanzschulen im Opernhaus.

Tanzen ist für Aileen Klingenberg nicht nur Spaß an der Bewegung: „Tanzen ist auch Verantwortung.“ Mit ihrer Schwester Sarah teilt sie sich im Verein die Verantwortung für 300 Mitglieder in 20 Gruppen aller Altersstufen. Vilando gibt es seit knapp sechs Jahren, seit zwei Jahren als Verein.

Auch einige Schützlinge der Klingenberg-Schwestern haben in den vergangenen Monaten gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Jodie Helene Friedrich zum Beispiel, die als fünfjähriges Mädchen bei den Tanzmäusen begann und am 1. Mai ihren 16. Geburtstag feiert. Jodie ist ein außergewöhnliches Tanz- und Schauspieltalent. Ihre nächsten zehn Lebensjahre hat sie bereits perfekt durchgeplant. „Nach dem Abitur will ich mich bei einer Musical-Akademie in Hamburg bewerben.“ Ihr Ziel ist glasklar definiert: „Ich werde Musical-Darstellerin.“ Ihr ist völlig klar, dass sie sich in knallharten Castings durchbeißen muss: „Aber wenn es nicht sofort klappt, werde ich die Zeit als Tanzpädagogin überbrücken.“

Ihre Schauspielbegabung kennen die Besucher der Theater AG des Rolandgymnasiums. Im vergangenen Jahr spielte sie eine blonde TV-Moderatorin, die alle witzigen Klischees erfüllt. In der aktuellen Saison verkörpert sie einen Teufel im Stück namens „Götter“.

„Ja, in bösen Rollen kann ich mich ausleben, schließlich bin ich im Alltag eine ganz Liebe.“ Bei Vilando hat Jodie einige Monate als Schwangerschaftsvertretung für Chefin Aileen die Kurse der Show-Tanz-Kinder übernommen: „Es ist eine ganz tolle Erfahrung, wie meine kleinen Eisprinzessinnen ganz brav dasitzen, wenn ich ihnen etwas erkläre.“

Aileen Klingenberg sagt: „Ich sehe, dass Mädchen wie Jodie Leidenschaft entwickeln. Dann beobachte ich sie eine ganze Weile, ehe ich ihnen Verantwortung übertrage.“ Das gilt auch für Elen Wittwer (15) aus Burg. Sie hatte schon als vierjähriges Kind die Tanzschuhe an den Füßen. Mittlerweile hat sie fast alle Facetten durch: Von Show- und Step-Tanz über Hip-Hop und Modern Jazz bis hin zu Breakdance. Auch bei ihr bleibt es nicht bei der Tänzerin – sie ist Co-Trainerin der Step-Mittelgruppe von Sarah Klingenberg. Gefragt nach der Faszination des Tanzens sagt sie: „Ich bin kein Ballsport-Typ. Beim Tanzen fühle ich mich frei. Ich kann Stimmungen wiedergeben und dabei meine eigene Stimmung anheben.“

Wie lange der Tanzclub ihr Lebensmittelpunkt sein wird, kann Elen heute noch nicht absehen: „Bis zum Abitur auf jeden Fall, danach will ich mal schauen, was das Leben so bringt.“ Aktuell arbeitet sie mit ihrer Freundin Cora Presser an einer eigenen Tanz-Choreografie für die große Vilando-Show zum Jahresende. Thematisch geht es um das Leben, so bunt wie ein Zirkus.

Aileen Klingenberg will die beiden Mädchen arbeiten lassen und erst schauen, wenn das Ergebnis fest steht: „Danach werden wir entscheiden, ob wir ihren Tanz in die Gala einbauen können.“ Auch Cora (14) ist Co-Trainerin von Sarah Klingenberg. Ebenso wie Elen trainiert die Siemens-Gymnasiastin aus Burg dreimal wöchentlich in mehreren Tanzgruppen. Ihre restliche Zeit verbringt sie beim Spielen am Klavier. Cora meint: „Ich möchte nie aufhören zu tanzen. Beruflich würde ich später etwas mit Kindern machen.“

Stichwort Kinder: Das Training der Löwen-Mädels ist zu Ende. Die nächste Gruppe steht schon an der Tür des Trainingsraumes mit dem großen Spiegel. Für Aileen Klingenberg bleibt nur eine kurze Pause, ein Schluck aus der Wasserflasche und die Antworten auf drei Fragen des Mannes von der Zeitung. Und schon zeigt sie ihren Schülern, wie geschmeidig sich Katzen bewegen können.