Eklat im Stadtrat Gommern Ortschaftsräte entmachtet: CDU und AfD stimmen gegen PV-Anlage und sorgen für Vertrauensbruch
Politisches Erdbeben in Gommern: CDU und AfD setzen sich über den Willen der Ortschaft Karith/Pöthen hinweg und lehnen den Bau einer PV-Anlage ab. Eine 20-jährige kommunale Praxis wird damit gebrochen.

Gommern. - Seit dem Bestehen der Einheitsgemeinde Gommern ist es gelebte politische Praxis, dass die Ortschaftsräte in Vertretung und im Interesse ihrer Einwohner selbst über jene Belange entscheiden, die ihren Ort betreffen. Das ist seit Mittwoch, 4. Juni 2025, in Gommern Geschichte.
Die Stadtratsfraktionen der AfD und der CDU haben sich über den Willen der Ortschaft Karith/Pöthen hinweggesetzt. Es geht um den Bau einer PV-Anlage in der Gemarkung Karith.
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Der Ortschaftsrat Karith/Pöthen hatte in seiner jüngsten Sitzung mit 4 zu 2 Stimmen für den Bau gestimmt. Vorausgegangen waren monatelange Planungen, Diskussionen, Einbeziehung der Einwohner, ein Abwägen des Für und Wider.
Pro und Kontra im Stadtrat
Die Crux: Entscheidungsbefugnis hat ein Ortschaftsrat nicht. Die hat der Stadtrat, der sich – bisher – am Votum der Orte orientiert hat. Ehe es am Mittwoch beim Stadtrat zur Abstimmung über die PV-Anlage kam, kam es zu einigen Redebeiträgen.
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Wieder ging es um das Abwägen der Umnutzung von Ackerboden, ob ein Boden mit einem Richtwert von 30 fruchtbar ist oder nicht, um eine befürchtete Versiegelung der Fläche oder aber auch die mögliche langfristige Verbesserung des Mikroklimas, Studien pro und kontra zu PV-Anlagen auf Ackerflächen wurden verbal in den Raum geworfen – je nachdem, ob ein Befürworter oder ein Gegner des Projektes das Wort ergriff.
Redebeiträge, die so erwartet werden konnten, wenngleich das Thema PV-Anlage Karith zuvor schon ausgiebig in den Fachausschüssen als auch im Ortschaftsrat Karith/Pöthen behandelt, diskutiert und abgewogen wurde.
CDU mit Paukenschlag
Was jedoch völlig unerwartet kam und einem Paukenschlag glich, war das, was Matthias Fickel, Fraktionsvorsitzender der CDU, verkündete: „Wir sind zu dem Entschluss gekommen, dem hier heute nicht zustimmen zu können. Wir möchten erst Leitplanken bilden. Eine Leitplanke können unmöglich 30 Bodenpunkte sein – das ist schlichtweg zu hoch. Darum werden wir nicht zustimmen.“
Die erwähnten Leitplanken sollen laut CDU eine Art Rahmen für den Bau derartiger Anlagen bilden. Dass die CDU in der alles entscheidenden Sitzung dieses Ansinnen als für sie verpflichtendes Kriterium vorbrachte, erstaunte.
Einerseits läuft die Planung zur Anlage immerhin schon seit über einem Jahr. Andererseits wurde in der vergangenen Legislatur ein Antrag der Fraktion SPD/Die Grünen, der sich ebenfalls mit Rahmenbedingungen für Anlagen erneuerbarer Energien befasste, abgelehnt – mit Stimmen der CDU.
Grund und Konsens der damaligen Ablehnung: Die Orte sollen selber entscheiden können, was bei ihnen gebaut wird oder nicht.
Und: Im Bauausschuss am 20. Mai stimmte die CDU dem Bau noch zu. „Für mich ist das Votum der Ortschaft wichtig. Im Ortschaftsrat gibt es eine Mehrheit, die Anlage zu errichten. Damit bin ich der Meinung, kann ich der Sache so auch folgen“, äußerte sich Matthias Fickel, der dem Bauausschuss vorsitzt. Auch in den anderen Fachausschüssen stimmte die CDU zu. Nun die Kehrtwende.
Fassungslosigkeit
Daher sorgte die Ankündigung von Matthias Fickel im Stadtrat nicht nur für Erstaunen, sondern für Fassungslosigkeit, als klar wurde, was das für Konsequenzen nach sich zieht.
Erste Konsequenz: Eine seit 20 Jahren in Gommern etablierte politische Konvention wird gebrochen und dem Willen eines Ortschaftsrates nicht entsprochen.
Zweite Konsequenz: der Verzicht auf jährlich in Summe von – laut Verwaltung – bis zu 500.000 Euro an Einnahmen durch das Beteiligungs- und Akzeptanzgesetz und zu erwartende Gewerbesteuereinnahmen.
„CDU bricht Bräuche“
„Mit dieser Aussage bricht die CDU-Fraktion die alten Bräuche, dass man sich an das Votum des Ortschaftsrates hält und dem in der Regel folgt. Damit ist dann also zukünftig Schluss. Die Ortschaftsräte müssen sich darauf einstellen, dass das allgemeine politische Vertrauen damit dann nicht mehr gegeben ist. Das möchte ich hier mal festhalten“, äußerte sich sichtlich irritiert Gommerns Bürgermeister Jens Hünerbein.
Auch Frank Krehan (FWGLG), Stadtrat und Ortsbürgermeister von Leitzkau, zeigte sich bestürzt. „Das ist keine positive Entwicklung. Das sage ich so, wie es ist. Das wird in den Ortschaftsräten sehr genau aufgenommen, wie wir damit umgehen.“
Der Stadtratsvorsitzenden Margrit Peters (CDU), zudem Ortsbürgermeisterin von Menz, entwich ein „Ich habe jetzt auch Bauchschmerzen.“ Bei der unmittelbar folgenden Abstimmung enthielt sie sich.
„Votum mit Füßen getreten“
Mit 12 Nein-Stimmen aus den Reihen der AfD und der CDU gegen 11 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen wurde der Bau der Anlage abgelehnt.
Dieses Votum sorgte für weitere Verstimmung. Jens Hünerbein stellte in Frage, ob man ein bei Leitzkau geplantes PV-Projekt nun überhaupt noch weiterführen solle, wenn die CDU sich dabei auch nicht an das Votum des Ortschaftsrates halten würde.
„Ich bin als Ortschaftsratsmitglied Vehlitz schockiert, dass man das Votum eines Ortschaftsrates mit Füßen tritt. Dann kann ich mein Amt auch niederlegen und sagen, dann soll doch der Stadtrat entscheiden, was bei uns im Dorf gemacht wird. Es ist nicht in Ordnung, was ihr hier macht“, zeigte sich Mario Langer (Die Linke) entsetzt.