Coronavirus Blinde Krise

Peter Tränkler aus Burg bekommt von hysterischen Hamsterkäufen in Zeiten der Corona-Krise wenig mit. Denn er kann sie nicht sehen.

Von Juliane Just 23.03.2020, 05:00

Burg l Blindenführhund Galwin führt sein Herrchen durch den Flickschupark – auch in Zeiten der Corona-Krise. Gemeinsam gehen die beiden jeden Tag an die frische Luft, um sich zu bewegen. Ob andere Spazierende zwei Meter Abstand halten, kann Peter Tränkler nicht einschätzen – er ist fast blind.

Mit 75 Jahren gehört Peter Tränkler zur Risikogruppe, für die eine Erkrankung durch den Coronavirus tödlich sein kann. „Ich bin wachsam, aber ich verfalle nicht in Hysterie“, sagt der gebürtige Burger. Hamsterkäufe, von denen er im Radio gehört hat, kann er nicht nachvollziehen.

Allgemein bezieht er seine Informationen aus Radio oder Fernsehen. Die Flut an Nachrichten dosiert er für sich. „Alles dreht sich gerade nur um Corona. Andere Nachrichten wären auch mal wieder schön“, sagt er. So habe er in den vergangenen Tagen das Radio auch öfter ausgestellt und stattdessen Hörspiele gehört.

Peter Tränkler konnte sehen, als er jung war. Dann ließ das Augenlicht allmählich nach. Er hat einen erheblichen Augendefekt, Grauen Star und einen so genannten Röhrenblick. Heute ist er auf dem linken Auge blind, auf dem rechten kann er mit zwei Prozent Sehvermögen nur noch Schatten wahrnehmen. „Ich bin hellblind. Ich sehe also nur weiß“, beschreibt er. Deswegen trägt er immer eine Schirmmütze sowie eine getönte Brille, weil das Tageslicht gleißend hell für ihn ist.

Zwei Mal in der Woche reist Peter Tränkler mit seinem Blindenführhund nach Magdeburg, um zu kegeln. Seit vielen Jahren betreibt er den Sport. Nach seinem Schlaganfall im vergangenen Jahr sei es das beste Mittel, um wieder auf die Beine zu kommen. Doch am Montag dann die Hiobsbotschaft: Die Sportstätten müssen auf Anordnung der Bundesregierung geschlossen werden. „Eine Katastrophe für mich“, sagt Peter Tränkler. Ihm fehle der Sport, der ihn sonst mobil macht und mal aus dem Haus holt.

Wann die Schließungen wieder aufgehoben werden, weiß derzeit niemand. Um weiter mobil zu bleiben, geht er täglich eine große Runde mit seiner treuen Seele Galwin. Dann wird dem Hund das Geschirr umgelegt, seine Arbeitskleidung sozusagen, die ihn in seinen Job versetzt.

Eine weitere schlechte Nachricht erreichte den Burger am Freitag: Die mobile Physiotherapie besucht ihn nicht mehr, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Doch für ihn sind die Übungen und Massagen wichtig, um seine Mobilität wiederzuerlangen. Wann die Physiotherapie wieder möglich ist, steht ebenfalls in den Sternen.

In Zeiten der Hysterie in den Einkaufsmärkten ist Peter Tränkler froh, dass seine Kinder für ihn einkaufen gehen. Vor seinem Schlaganfall hat er das noch selbst gemacht. Dann blieb der Hund am Eingang, während ein Mitarbeiter ihm die verschiedenen Produkte herausgesucht und in die Hand gegeben hat, damit er das Produkt „fühlen“ kann. Das erleichtert ihm später das Auspacken Zuhause. „Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeiter das auch jetzt noch tun würden“, ist Peter Tränkler. Er ist aufgrund seiner Blindheit angewiesen auf andere Menschen.

Auch auf einer Geburtstagsparty sei Tränkler vor kurzem gewesen – dort sei die Corona-Krise das Hauptthema gewesen. „Jeder Mensch ist ja auf seine Weise betroffen davon und hat auch seine eigene Meinung dazu“, sagt er. Trotzdem sei er froh, wenn das Chaos wieder vorbei sei. Bis dahin sorgt Hündchen Galwin dafür, dass sich Peter Tränkler nicht allein fühlt. „Eher im Gegenteil – er hält mich auf Trab“, sagt er und lacht.