1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Burg
  6. >
  7. Darf es in der historischen Burger Innenstadt einen lila Farbtupfer geben?

Ortsrecht: Fassaden müssen einheitlich gestaltet werden Darf es in der historischen Burger Innenstadt einen lila Farbtupfer geben?

Verhärtet sind die Fronten im Streit zwischen einer Burger Geschäftsfrau
auf der einen und dem Bauausschuss sowie der Stadtverwaltung auf der
anderen Seite. Es geht um die Gestaltung einer Hausfassade in der
Schartauer Straße.

Von Steffen Reichel und Mario Kraus 30.10.2013, 01:08

Burg l Lolita Holfeld ist seit acht Jahren Nageldesignerin und hat sich kürzlich mit einem kleinen Studio in der Schartauer Straße selbständig gemacht. Und weil zu einem Nagelstudio ein knalliger Name passt, hat Lolita Holfeld ihr Geschäft "Lolitas Lila Lounge" genannt und diesen Namen zum Programm gemacht: Sie trägt lila Arbeitskleidung und die Inneneinrichtung des Ladens ist entsprechend farblich abgestimmt. Für 300 Euro hat die Kleinunternehmerin, quasi als I-Tüpfelchen, auch den Eingangsbereich des Geschäftes farblich gestalten lassen: Blumen und Schmetterlinge auf lila Hintergrund. Doch das ist offenbar zuviel Lila für Burg ...

Der Stadtverwaltung zeigte Lolita Holfeld die rote Karte in Form der geltenden Gestaltungssatzung "Innenstadt". Darin ist unter anderem geregelt, dass "die Hauptflächen aller gleichzeitig sichtbaren Gebäudeseiten (...) in einer Farbigkeit zu gestalten" sind. Im August wurde seitens der Verwaltung ein Schreiben an den Hauseigentümer geschickt, in dem dieser gebeten wird, zusammen mit "Mieterin Lolita Holfeld (...) eine andere Lösung für die Werbung/Fassadengestaltung zu finden". Und der Bauausschuss des Stadtrates bekam den "Fall" auf den Tisch.

Im Bau- und Umweltausschuss hatte Lolita Holfeld die Fassade ihres Geschäftes dann kurz vorgestellt. "Bei den Kunden gibt es eine gute Resonanz, die finden es toll. Es ist ein Farbtupfer."

Bei den Ausschussmitgliedern hielt sich die Freude sichtlich in Grenzen. "Vieles ist eine Geschmacksfrage. Wir sind aber eine alte Stadt", sagte der Vorsitzende Clemens Engel (CDU). Er erinnerte an die vom Stadtrat beschlossene Gestaltungssatzung, die zumindest eine Richtschnur sein sollte. Dominik Patté (SPD) fragte kurz nach, ob die Inhaberin sich auch Veränderungen vorstellen könne, was Lolita Holfeld mit einem klaren "Nein" beantwortete. Frank-Michael Ruth (CDU) kritisierte, dass nun "vollendete Tatsachen" geschaffen wurden. Karin Langner (SPD-Fraktion) sei grundsätzlich für Veränderungen, empfand die Gestaltung jedoch "komisch". Ein lilafarbener Sockel wäre auch ausreichend gewesen.

Nur Frank Endert (Freie Wähler/Endert-JL) schlug sich mit lauten Worten auf die Seite der Geschäftsfrau: "Es gibt genügend Dreckecken in Burg. Da macht mal jemand was, sorgt für frische Farben und schon droht Ärger. Mir gefällt es."

Im nichtöffentlichen Teil der Beratung einigten sich die Mitglieder mehrheitlich auf einen Kompromissvorschlag, wonach zumindest ein Teil der außergewöhnlichen Bemalung bleiben kann.

Das bestätigte Bürgermeister Jörg Rehbaum gestern der Volksstimme. "Dieser Kompromissvorschlag sieht so aus, dass die Bemalung in der Türfasche so bleiben kann, wie sie ist. Und, was die übrige Fassade betrifft, eine einheitliche ockerbraune Ansichtsfläche hergestellt werden soll, so wie es die Gestaltungssatzung vorgibt."

Der Bürgermeister, der sich vor Ort ein Bild gemacht und das Gespräch mit Lolita Holfeld gesucht hat, betont, dass man mit dem Kompromissvorschlag der Geschäftsfrau, die die Fassadenbemalung als Teil ihres Werbekonzepts sieht, bereits entgegenkomme und damit eine Ausnahme von der Gestaltungssatzung zulasse, "so wie das in vielen anderen Fällen auch vom Bauausschuss gehandhabt wurde, um öffentliche und private Interessen in Einklang zu bringen".

Zur Funktion der Gestaltungssatzung sagte Rehbaum, dass Burg eine historische Altstadt habe. Das würden sowohl die Burger als auch Besucher der Stadt so wahrnehmen. Rehbaum: "Eine kunterbunte Innenstadt ist nicht unser Ziel."

Rehbaum hofft nun, dass Lolita Holfeld den Kompromissvorschlag akzeptiert und "zeitnah reagiert". Ansonsten wolle die Verwaltung den Hauseigentümer nochmals zum Handeln auffordern.

Den vorgeschlagenen Kompromiss will Lolita Holfeld aber nicht akzeptieren. Sie ist vielmehr in die Offensive gegangen, hat bisher 200 Unterschriften für ihre lila Fassade gesammelt und eine rege Diskussion im Netz entfacht. Nicht nur, dass bei einer Umgestaltung der Fassade nochmals mehrere hundert Euro auf die Geschäftsfrau an Kosten zukommen. "Ich und meine Kunden verstehen es einfach nicht, warum anderswo in der Burger Innenstadt viel gravierendere Ausnahmen von der Gestaltungssatzung zugelassen werden", sagt Lolita Holfeld, die jetzt Widerspruch eingelegt hat und den Stadtrat anrufen will, um die Entscheidung des Bauausschusses zu ihren Gunsten zu kippen.

Im Stadtrat sitzt auch Dr. Udo Vogt (CDU-Fraktion), Vorsitzender des Fördervereins für die Landesgartenschau 2018 in Burg. Er hatte im Bauausschuss gegen die Mehrheit und für die lila Fassade gestimmt. "Es ist doch ein Farbtupfer für Burg, genau so wie es unsere bunten Blumenkübel oder bestrickten Laternen sind", so Vogt, der bunte Fassaden in der Burger Innenstadt "auf jeden Fall besser als mit gleichmäßig grauen Brettern vernagelte Schaufenster" findet.