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Digitales Lernen Schule als Ort der Begegnung fehlt

Die Europaschule in Gommern zieht in der Corona-Krise ein Fazit: Digitales Lernen kann den Schulbesuch nicht ersetzen.

Von Manuela Langner 08.04.2020, 06:00

Gommern l Nicht mit neuen Aufgaben – schließlich sind Ferien – sondern mit einem Video überraschten die Lehrer und Mitarbeiter der Europaschule Gymnasium Gommern (EGG) ihre Schüler auf der Internetseite der Schule. Die Botschaft ist ganz eindeutig: „Wir vermissen euch!“ Schulleiterin Dagmar Riwaldt, ihr Stellvertreter Michael Franz und Oberstufenkoordinatorin Margarete Lux grüßten wie Hausmeister oder Sekretärin aus der Schule, viele Lehrer aus ihrem Homeoffice. „Es ist einfach nichts los ohne euch“, sagte Matthias Kolodziej mit dem leeren Pausenhof in seinem Rücken. „Lehrerdasein ohne Schüler, die man regelmäßig sieht, ist echt blöd“, fügte Katja Frentzel an.

Die Informatiklehrerin kümmerte sich darum, alle Lernmaterialien auf die Homepage der Schule zu stellen. Dazu wandte sich Dagmar Riwaldt in einem Brief an die Eltern, Tipps für das Lernen zu Hause wurden ebenso online gestellt wie Hinweise, wie die Schüler trotz Corona-Einschränkungen körperlich fit bleiben können.

Das online gestellte Lernmaterial ist zuletzt um einen Fragebogen ergänzt worden. Die Schüler – die Eltern dürfen sich gerne beteiligen – sollen unter anderem einschätzen, wie die selbstständige Organisation ihres Arbeitens und Lernens zu Hause funktioniert und wie der Zeitaufwand der gestellten Aufgaben passte.

Außerdem wird nachgefragt: Wer kann zu Hause helfen? Welche Geräte und Materialien stehen zur Verfügung? Welche Aufgaben eignen sich für das Lernen von zu Hause? Sind das eher Aufgaben zur Wiederholung und Vertiefung? Zur selbstständigen Erschließung von Inhalten? Oder die Arbeit an Projekten?

So wie die Schüler und Eltern werden auch die Lehrer in die Befragung einbezogen. Welche Fortbildungen wünschen sie sich beispielsweise, um auf Situationen wie diese besser vorbereitet zu sein?

„Völlig unfreiwillig“ sei die Europaschule in die Situation gekommen, ein digitales Bildungskonzept zu erarbeiten, sagte Dagmar Riwaldt. Jetzt will die Schule das Beste daraus machen. Man wisse schließlich nicht, wie bald man das Konzept wieder benötige.

Allerdings stehe fest: „Nur online geht nicht.“ Schule als Ort der Begegnung fehle. „Schüler fangen sich gegenseitig auf, wenn einer nicht mit dem Stoff mitkommt oder eine schlechte Note geschrieben hat“, sagte die Schulleiterin.

Ähnlich wie an der Gommeraner Sekundarschule stellten die Lehrer fest, dass die Schüler zwar problemlos auf ihrem Smartphone tippen könnten, aber nicht jeder gut mit Schreibprogrammen auf dem Computer umgehen könne. Über das Ganztagsangebot werden dafür an der EGG entsprechende Kurse angeboten. Das soll künftig noch ausgebaut werden.

„Zu Hause selber strukturiert zu arbeiten, fällt nicht jedem Schüler leicht“, sagte Margarete Lux. Jede Familie habe in der jetzigen Krisensituation ihren eigenen Rucksack zu tragen. Deshalb sollten die Schüler während der Schulschließung nicht mit Aufgaben überlastet werden.

Anrufe von Eltern in der Schule gab es nur sehr wenige.

„Wir stecken bei der digitalen Bildung noch in den Kinderschuhen“, sagte Dagmar Riwaldt. Lernvideos, wie sie Frau Brinkmann erstellt habe, seien ein erster, wichtiger Schritt.

Mit Blick auf den diesjährigen Abiturjahrgang stellte die Schulleiterin fest: „Die jungen Leute sind wirklich auf das Leben vorbereitet“. Erst hatten sie den Neu- und Umbau der Schulgebäude mit allen Störquellen erlebt, jetzt die Schulschließung wegen der Coronavirus-Pandemie so kurz vor ihren Abschlussprüfungen. „Sie haben notgedrungen gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen.“

Für die Oberstufe, also auch für die 11. Klassen, war eine Informationskette aufgebaut worden. Die Schüler konnten sofort Fragen stellen, wenn sich Probleme ergaben. Über die E-Mail-Adressen war es ihnen zudem möglich, sich bei den Lehrern nach ihren Noten zu erkundigen.

Die zwei Abiturtermine, die im Sinne der Schüler gedacht seien, seien für die Schule eine „ganz große Herausforderung“, setzte Margarete Lux hinzu. Damit ballten sich so viele Aufgaben am Schuljahresende, dass man Angst haben müsse, die anderen Jahrgänge fallen herunter.

Schon jetzt seien die Projekttage abgesagt, die gewöhnlich am Ende des Schuljahres angeboten werden, informierte Michael Franz. „Das Schulleben kann durch digitale Bildung nicht ersetzt werden. Schule ist ein sozialer Ort.“ Man müsse auch an die Kinder und Jugendlichen in sozial schwachen Familien denken.

Zwar wurde der letzte Schultag schon auf den 30. April um eine Woche nach hinten verschoben, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Tag komplett abgesagt werden muss. Es wäre schließlich eine Veranstaltung mit mehr als 500 Schülern. Dass den Abiturienten dieses Erlebnis genommen werden könnte, schmerzt auch die Lehrer. „Der letzte Schultag gehört zur Schulkultur“, sagte Dagmar Riwaldt.

Um zielorientiert auf die Abschlussprüfungen vorbereitet zu sein, haben sich die Zwölft-klässler, wenn der Schulbesuch wieder erlaubt ist, Intensivwochen gewünscht. Da fast alle Schüler schon das Vor-Abi geschrieben hatten, bedeutete der Termin in der vergangenen Woche keine große Herausforderung an der EGG. Für die Fächer Musik und Kunsterziehung, in denen Klausuren noch offen gewesen waren, hatte das Bildungsministerium Ersatzleistungen ermöglicht.

Lediglich zwei Schüler mussten Mathematik nachschreiben. Für zwei Schüler und einen Lehrer war ein Klassenraum mehr als groß genug, um alle Abstandsregeln einzuhalten.

Jetzt in den Osterferien sollen die Schüler ihre freie Zeit genießen, wünscht sich die Schulleitung der Europaschule. Es sei natürlich nichts dagegen einzuwenden, ein Buch zu lesen, aber zum Lernen sei nach den Ferien wieder genügend Gelegenheit.

www.europaschule-gommern.de