Volksstimme-Serie "Damals war‘s" (Teil 3): Ralf Deutschmann (Schlagenthin), zweimaliger DDR-Meister im Springreiten Dorit, Dunar und Ataman ebnen Reiter den Weg an die DDR-Spitze
Die Volksstimme wagt in den kommenden Wochen ein Blick in die Sporthistorie. In der Serie "Damals war‘s" werden Sportgrößen aus dem Jerichower Land vorgestellt, die in der Vergangenheit auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene außergewöhnliche Erfolge feierten. Ob im Fußball, Handball oder im Rudern, Reitsport und Boxen - Sportler des Kreises schafften den Sprung in Nationalkader, bis hin zum Olympiasieg. Heute: Der zweimalige DDR-Meister im Springreiten, Ralf Deutschmann.
Von Maria Kurth
Schlagenthin. Pferd um Pferd, Turnier um Turnier – wenn der Schlagenthiner Ralf Deutschmann seine vier großen Fotoalben durchblättert, hat er zu jedem Bild die passende Geschichte parat. Doch vielleicht ist es normal, dass er von den meisten Turnieren berichtet, als seien sie gestern gewesen. Immerhin gehörte er mehr als zehn Jahre zur DDR-Spitze im Springreiten. "Das war 1979 mit Dorit. Ach, das war ein Klassepferd", sprudelt es aus ihm heraus. Seine leuchtenden Augen und sein erheiterndes Lächeln sprechen Bände.
"Dorit war ein besonderes Pferd"
"Mit Dorit hatte ich wirklich Glück. Ich bekam sie 1977 und gewann gleich die ersten beiden Springen. Das war ein besonderes Pferd", berichtet er stolz. Nur zwei Jahre später, damals noch für den RV Traktor Schlagentin startend, feierte er die ersten großen Erfolge und gewann den DDR-Meistertitel sowie den Nationenpreis mit der DDR-Nationalmannschaft in Bratislava. Zur erfolgreichen Equipe gehörten außerdem Günter Till, Bernd Peters und Volker Tonn. Dass er es einmal soweit bringen würde, ahnte er 1963 noch nicht, "doch irgendwie war da immer diese Begeisterung für Pferde", wie er heute berichtet. Mit zehn Jahren rannte er immer zum Bäcker nach Kleinwusterwitz, dessen Pferde er reiten durfte. Schon bald wurde aus Spaß der Drang nach mehr. Und nur sechs Jahre später, mit gerade einmal 16 Jahren, wurde er DDR-Jugendmeister auf Goldpfeil. Schnell machte er sich in der ostdeutschen Reitsportszene einen Namen. Der feine Unterschied zu anderen Reitern: Seine Konstanz. Ganze 13 Jahre, von 1977 bis 1990, war er im Kader der Nationalmannschaft. Zu den ersten Meistertiteln gesellte sich 1985 ein Zweiter. Zwei Silber- und Bronzeschleifen bei DDR-Meisterschaften machten seine erfolgreichste Zeit als Springreiter, die 80er Jahre, perfekt.
Dass Ralf Deutschmann nicht allein seine eigene Klasse als Grund für den Erfolg in der Vergangenheit ausmacht, verrät auch etwas über sein Wesen. Stolz, ohne überheblich zu wirken, und bescheiden, ohne tief zu stapeln, diese Eindrücke hinterlässt er beim ersten Kennenlernen. "Natürlich sind diese Erfolge über so viele Jahre hinweg etwas Besonderes, aber dafür braucht man vor allem gute Pferde. Viele Reiter waren damals gut, jedoch besaßen die meisten nur ein Spitzenpferd, mit dem sie dann über zwei bis drei Jahre Erfolge feierten", hebt er die Besonderheit seiner Sportart heraus – nicht allein der Mensch, sondern auch das Pferd entscheiden über Sieg oder Niederlage. Deutschmann besaß mit Dorit, Ataman, Dunar, Janosch und Festa fünf Spitzenpferde – irgendetwas muss er richtig gemacht haben.
Doch es gab auch Zeiten, in denen der Springreiter die begrenzten Möglichkeiten in der DDR zu spüren bekam. Nach
"Olympia wäre toll gewesen"
den Olympischen Spielen in München 1972 stellte die DDR die Förderung des Reitsports ein. Ralf Deutschmann blieb somit die ganz große Bühne verwehrt. "Wir hätten 1980 in Moskau wirklich gute Chancen gehabt, Medaillen zu holen. Deswegen ist es rückblickend schon schade, dass man den Reitsport nicht mehr förderte. Olympia wäre toll gewesen", schaut der heute 58-Jährige wehmütig zurück.
Doch auch ohne eine Olympia-Teilnahme bescherte ihm der Reitsport viele unvergessliche Momente. "1980 versagte auf dem Weg nach Prag die Bremse vom LKW. Das war ein riesen Schreck. Zum Glück kam dann ein Parkplatz, an dem wir uns austrudeln lassen konnten", plaudert er aus dem Nähkästchen, immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Auch seine "bessere Hälfte" lernte er – wie kann es anders sein – beim Reitsport kennen. Mit seiner Frau Donia, ebenfalls begeisterte Reiterin, lebt er bereits seit 25 Jahren zusammen. Auch ihre gemeinsame Tochter Maria teilt die Leidenschaft des Papas und reitet. Drei Jahre nach ihrer Geburt, 1991, beschließt Ralf Deutschmann anderen Dingen mehr Priorität einzuräumen und macht sich selbstständig. Bis heute betreibt er erfolgreich ein Spezial- und Schwertransportunternehmen in Schlagenthin. Noch heute reitet er, nimmt in regelmäßigen Abständen an Turnieren teil und besitzt noch zwölf Pferde. Seit 1995 startet er jedoch für den eigens gegründeten RV Eichberg/Schlagenthin. Sein größter Erfolg nach der Wende: Der Sieg beim Großen Preis von Jüterbog im Jahr 1998.
Vieles hat sich also im Leben des einstigen Spitzenreiters verändert. Doch auch der Reitsport sei ein anderer geworden, wie Deutschmann berichtet: "Mit den Pferden wird ganz anders trainiert, sie sind auch schlanker. Auch das Pferdematerial ist natürlich besser geworden." Ob sein Material immer noch gut genug ist, kann er Ende September testen. Dann treffen sich die erfolgreichsten Springreiter vor der Wende in Jüterbog und ermitteln den Champion der Altmeister.