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Interview mit der Niegripper Schriftstellerin über das zu Ende gehende Brigitte-Reimann-Jahr 2013 in Burg Dorothea Iser: Der Anfang ist gemacht

17.12.2013, 01:08

Die in Niegripp lebende Schriftstellerin Dorothea Iser ist Vorsitzende des Friedrich-Bödecker-Kreises in Sachsen-Anhalt und des Pelikan e. V. Beide Vereine hatten die Trägerschaft über das Brigitte-Reimann-Jahr 2013 in Burg, das am morgigen Mittwoch um 19 Uhr im Burger Kino feierlich seinen Abschluss finden wird und wozu der Kulturstammtisch herzlich einlädt. Mit Dorothea Iser sprach Roland Stauf.

Volksstimme: Frau Iser, was war das Reimann-Jahr für Sie?
Dorothea Iser: Man kann nicht so ein Jahr ausrufen und fängt dann im Januar an, es vorzubereiten. Wir hatten also schon 2012 damit begonnen. Wir waren schon zu dieser Zeit im Gymnasium, haben mit den Schülern gearbeitet, Ulrich Reimann, der Bruder der Schriftstellerin, war zu einer Gesprächsrunde dort, wir waren froh, dass unser Projekt der Prüfung im Literaturrat des Landes standhielt, und genau am 13. Dezember hatte Jürgen Jankofsky die Bestätigung des Landes Sachsen-Anhalt in den Händen, dass das Land unser Projekt unterstützt und Ministerpräsident Reiner Haseloff die Schirmherrschaft übernehmen wird. Wir spürten, dass wir in Burg nicht allein mit unserem Anliegen sind, sondern dass es eine Sache des Landes Sachsen-Anhalt wurde. Das fand ein positives Echo im Brigitte-Reimann-Literaturhaus in Neubrandenburg und Hoyerswerda. Die Beziehungen zwischen uns wurden eng. Die Kulturstiftung in Bonn interessierte sich für uns und stellte eines ihrer Hefte ganz in das Zeichen Brigitte Reimanns. Wir haben die Neuerscheinungen bezüglich der Reimann auf dem Buchmarkt verfolgt, so den Briefwechsel von Brigitte Reimann und Siegfried Pitschmann "Wär schön gewesen" und "Lebenswege der Brigitte Reimann". Wir haben den Kontakt zu den beiden Brüdern der Reimann herstellen können, zu Zeitzeugen und zu ihrer engen Freundin Irmgard Weinhofen. Alles belebende Anregungen.

Volksstimme: Wie zeigte sich das denn in Burg?
Dorothea Iser: Schön war, dass das Thema Brigitte Reimann nicht im Literarischen stecken blieb, sondern auch den öffentlichen Raum erreichte. Es gab die Banner in der Stadt, die vom Brigitte-Reimann-Jahr kündeten, es gibt jetzt eine Brigitte-Reimann-Promenade. Dort befindet sich eine Informationstafel, und vor dem früheren Wohnhaus der Reimann ist eine Tafel in den Gehweg eingelassen, die darauf hinweist, dass die Begründerin der Ankunftsliteratur dort ihre Jugendzeit verbrachte.

Volksstimme: Aber das sind nur Äußerlichkeiten ...
Dorothea Iser: Ich denke das hat auch dazu beigetragen, die Reimann wieder in die Köpfe der Burger zu bringen. Mit Distanz und ungebrochener Begeisterung, die durch ihre Art zu schreiben, Probleme aufzugreifen und damit zu leben, entsteht. Also literarisch zu wirken und damit auch den künstlerischen Anspruch zu manifestieren und darin nicht nachzulassen und nicht aufzugeben in der Auseinandersetzung mit dem Alltag. So verstehen wir auch den Titel der Anthologie, die am 18. Dezember Premiere haben wird: "Ich sterbe, wenn ich nicht schreibe". 600 Seiten Auseinandersetzung mit Leben und Werk der Reimann. Es war ein unglaublicher Arbeitsaufwand, dieses Buch in der Kürze der Zeit von September bis Dezember fertigzustellen. Darin enthalten sind die Wettbewerbsbeiträge zum Schreibaufruf anlässlich des Brigitte-Reimann-Jahres sämtlicher Autoren sowie die Vorträge, die auf dem Kolloquium gehalten wurden. Bekannte und Freunde, die sich an sie erinnerten, stellen sich vor.

Volksstimme: Was nehmen Sie mit aus dem Reimann-Jahr?
Dorothea Iser: Literatur, die ernstgenommen werden will, kann auch freundlich sein, sie kann humoristisch sein und Menschen zum Lachen bringen, aber sie wird nie Vorureile und Klischees bestätigen, sondern immer dagegen anschreiben. Das ist etwas, was wir aus dem Brigitte-Reimann-Jahr mitnehmen. Und dass es immer Streit geben muss und darum auch immer geben wird, der, wenn er ordentlich geführt wird, fruchtbar ist.

Volksstimme: Das Programm des Brigitte-Reimann-Jahres war anspruchsvoll und vielseitig, aber dann kam das Hochwasser...
Dorothea Iser: Ja, es ist klar, dass wir darauf reagieren mussten, aber Literaten und Künstler sind flexibel. So haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen hatten. Und manches ist dazugekommen. So Heide Hampels Vorstellung des Briefwechsels der Reimann mit ihren Eltern zum Beispiel. Das war ein für uns kostenloses Angebot des Literaturhauses Neubrandenburg. Wir hatten die Schriftstellerin Regine Kress-Fricke aus Karlsruhe hier. Und wir hatten das Live-Hörspiel des Burger Kabaretts, von dem ich mir wünsche, dass es in Neubrandenburg oder Hoyerswerda auch einmal aufgeführt werden kann. Das sind schon besondere Dinge. Genau so der Vortrag von Pfarrer Peter Gümbel darüber, dass das Werk der Reimann voller biblischer Anspielungen ist. Darüber hatte bisher noch niemand nachgedacht.

Volksstimme: Zur Abschlussveranstaltung wird der Brigitte-Reimann-Preis verliehen ...
Dorothea Iser: Ja, und wie es sich gehört, gab es Streit darum. Jetzt steht fest: Es ist eine Kulturpreis, kein ausschließlicher Literaturpreis. Er wird vergeben vom Burger Kulturstammtisch, der das Reimann-Jahr veranstaltete. Gestiftet wird er von Monika Ferchland. Wer ihn bekommen wird, will ich hier noch nicht verraten, aber es ist eine Burger Persönlichkeit, die für ihr künstlerisches Werk und ihren Einsatz für das kulturelle Erbe gewürdigt werden soll. Damit geht Burg einen Schritt in die Richtung, die von der Resolution des Kulturstammtischen 2012 gefordert worden war.

Volksstimme: Aber es ist kein Preis der Stadt?
Dorothea Iser: Die Stadt Burg ist am Kulturstammtisch vertreten. Sogar der Bürgermeister lässt sich hin und wieder sehen. Die Stadt sitzt also mit im Boot, ist nur nicht der Steuermann.

Volksstimme: Auf der Veranstaltung im Kino wird sicher gelesen?
Dorothea Iser: Natürlich, die drei Preisträger des Wettbewerbs werden nicht nur geehrt, sie werden auch lesen.

Volksstimme: Können wir die schon nennen?
Dorothea Iser: Das sind Maik Altenburg aus Frankfurt/Oder, Albrecht Franke aus Stendal und Christina Seidel aus Halle.

Volksstimme: Wie sind die Preisträger ermittelt worden?
Dorothea Iser: Alle eingesandten Arbeiten wurden von einer fünfköpfigen Jury bewertet. Erfreulich ist, dass es eine große Übereinstimmung zwischen den Juroren in der Bewertung der besten Wettbewerbsbeiträge gab. Auch erfreulich ist, dass von Gymnasiasten einige wirklich beeindruckende Texte geschrieben wurden. Miriam Mittendorf schrieb die Titelgeschichte. Johanna Lehmann schrieb "Abschied nehmen", und damit verabschieden wir uns aus dem Buch und aus dem Reimann-Jahr. Übrigens hat Ministerpräsident Reiner Haseloff sein Versprechen eingelöst, die Burger Gymnasiastinnen in der Staatskanzlei zu empfangen. Ich hatte Gelegenheit dabei zu sein, als er eine Stunde mit ihnen sprach. Daher weiß ich, dass er unbedingt an der Veranstaltung am 18. teilnehmen möchte, obwohl er am selben Tag einen Berlin-Termin mit Angela Merkel hat.

Volksstimme: Wenn das Reimann-Jahr vorbei ist, was wird dann bleiben?
Dorothea Iser: Alle, die sich mit Reimann beschäftigt haben, werden die Erlebnisse und Erkenntnisse ja nicht in der Silvesternacht vergessen. Wir haben uns mit ihr auseinander gesetzt. Und so gehen wir in die nächsten Jahre. Das bestärkt uns auf unserem Weg. Sichtbare Zeichen bleiben die Reimann-Promenade, die Gedenktafel, die Bibliothek , das Buch ... Am 41. Todestag der Reimann im Februar wird es eine Veranstaltung geben, in der wir Rückschau halten auf das Jahr 2013. Und es bleibt ein besserer Ruf der Stadt Burg in Bezug auf Brigitte Reimann.

Volksstimme: Ist der wichtig?
Dorothea Iser: Wenn man aus Burg nach Hoyerswerda kommt und nicht schief angeguckt wird, dann finde ich das schon wichtig. Das war lange Zeit nicht so. Jetzt ist der Anfang gemacht, dieses Erbe nicht verschludern zu lassen.