Volksstimme: Herr Girke, jetzt ist Feierabend. Was machen Sie jetzt mit der vielen Zeit?
Bernd Girke: Ich werde nicht malen, aber man weiß nicht, was kommt. Ich habe keine klaren Vorstellungen. Mein Positivum: Ich bin in keinen Terminzwängen mehr. Meinen Urlaub muss ich nicht nach dem Kreistag ausrichten. Meine Frau und ich sind frei. Reisen, Sportliches, Radfahren, wir sind gesundheitlich fit. Familie, zwei Kinder, vier Enkel. Es gibt in Deutschland Gegenden, die wunderschön sind, und auch ist die Welt riesengroß. Der Reisefaktor wird also sehr wichtig werden.
Jetzt ist Schluss mit Arbeit, Herr Girke. Bedauern Sie es?
Der Zeitpunkt ist jetzt genau richtig. Vor anderthalb Jahren war ich noch nicht soweit. Jetzt ist die Nachfolge gesichert, die Ämter sind mit guten gestandenen Leuten besetzt. Man kann schon beruhigt gehen. Irgendwann wird man vergessen sein, aber es ist nicht wichtig. Schlimmer wäre es, wenn man glaubte, es liefe nichts mehr, weil man nicht mehr da ist.
Was würden Sie Ihrem Nachfolger auf den Weg geben?
Wir haben bei Null angefangen damals. Eine solche Zeit wird nicht wieder kommen. Nachfolger werden es anders machen, aber sicher nicht deshalb falsch. Mein Nachfolger kommt aus dem Hause. Er kennt die rückwärtige Geschichte, er kennt die Wurzeln. Er wird seinen eigenen Weg finden und gehen. Letztlich ist es dem Bürger aber egal, wer hier sitzt. Am Ende müssen Arbeit und Ergebnis passen. Es geht um ein partnerschaftliches Miteinander in der Zusammenarbeit und mit den Bürgern und mit dem Kreistag. Es soll stets an der Sache orientiert sein. Das ist mein Credo.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Tag in der Kreisverwaltung erinnern?
Ja, ich habe im Juli 1990 das erste Mal dieses Haus betreten und ging zum damaligen Landrat Wolfgang März, der seit 14 Tagen im Dienst war. Dann haben wir beide überlegt, was denn hier zu tun ist. So hat es begonnen. Es war noch DDR. Es war alles im Übergang. Es war vieles neu. Man hatte Gestaltungsmöglichkeiten, die es heute nicht mehr so gibt.
Waren Sie gleich in gehobener Position?
Ja, ich war nach einem Auswahlverfahren als Dezernent eingestellt, für Umwelt, Bauen, Brandschutz. Die Wirtschaftsförderung war sehr stark. Es sollte sich ja entwickeln.
Bei 28 Jahren Bauen im Kreis muss viel Girke drin stecken, auch wenn es nicht draufsteht.
Richtig. Ich komme da auf etwa 20 richtig große Vorhaben, wie die Schulen, die jetzt bis auf das Gymnasium Genthin saniert oder neu gebaut worden sind, Gommern ist ja in Gange. Oder nehmen wir den neuen Krankenhaus-Funktionstrakt. Das Highlight war logischerweise die Schuhfabrik, die heute unsere Berufsschule ist. Das war das größte Vorhaben mit damals weit über 50 Millionen D-Mark. Das war auch von der Stadtbild prägenden Wirkung her das bedeutendste Objekt, das wir saniert haben.
Sie waren nicht immer Dezernent und Vorstand?
Nach dem Studium war ich erst in einem Wohnungsbaukombinat in Erfurt, dann im Leichtbaukombinat Magdeburg als Statiker und Konstrukteur tätig. Das ist heute der Stahlbau Magdeburg. Von 1982 bis 1990 war ich im Waschmittelwerk in Genthin. Dort gab es eine eigene Planung- und Projektierungsabteilung. Ich habe die Gruppe Bau geleitet. 1990 ging es dann von Genthin in die Kreisverwaltung nach Burg.
Der gebürtige Burger kehrt nach Burg zurück.
Ja, ich bin hier geboren, wurde in die damalige Comenius-Schule eingeschult, heute das Gymnasium. Nach der Schule folgten das Studium in Leipzig und Magdeburg, hier Brandschutz berufsbegleitend.
Daher die enge Verbindung zur Feuerwehr.
Ich bin gut 40 Jahre dabei. Zunächst in der Werksfeuerwehr im Waschmittelwerk, dann Burg und Möser. Dort leben wir auch seit 1992.
Sie haben die beiden Hochwasser miterlebt. Die Flüchtlingswelle 2015 war eine ähnlich große Herausforderung.
Diese Jahre, 2002 und 2013, mit ihren Folgen waren absolut prägend für mich. Wir waren und sind alle geschult, auch immer wieder. Doch das ist alles Theorie. Nehmen wir nur den Deichbruch in Heyrothsberge 2002, wo niemand mit rechnete. Da ist es schon schwer, jederzeit die richtigen Entscheidung zu treffen. Darum ist es in weiten Teilen auch Teamarbeit, gerade im Katastrophenschutzstab. Nur in einem guten Team kann man das auch lösen. Das muss man immer wieder üben, auch weil immer mal Mitarbeiter wechseln. Da sind wir auf einem guten Wege. Der 30-köpfige Stab ist übrigens vierfach besetzt.
Wie gehen Sie mit Stress um? Sie wirken immer so konzentriert, gelassen, besonnen.
Ich kann damit erstaunlicherweise gut umgehen. Ich bin sehr konzentriert auf die Aufgabe. Ich will das Ziel erreichen. Es ist auch so, wenn ich hier raus gehe, dann ist der Druck weg. Ob ich mal Stress zu Hause habe, weil ich nichts mehr zu tun habe, das weiß ich noch nicht.
Gibt es noch Baustellen im Hochwasserschutz?
Wir sind schon sehr weit. Aber es ist noch nicht abgeschlossen. Ich bin mir sicher, dass das Land bis 2020 auch noch schafft, was noch aussteht. Dabei bewegt mich etwas anderes. Was ist, wenn uns Extremwetter mit extremen Niederschlägen hier vor Ort trifft? Da können gefährliche Lagen entstehen, auch punktuell. Darauf müssen wir uns in Zukunft einstellen. Da braucht es Konzepte, enge Abstimmung und Üben von Kreis und Gemeinden. Ich sage nur, die Zahl der Feuerwehrleute nimmt ab.
Und die Flüchtlinge?
Es war eine riesengroße Herausforderung. Wir haben es geschafft, dass wir keine Massenquartiere und Turnhallen hatten. Wir waren nicht für die Politik verantwortlich. Aber wir mussten handeln, täglich. Eine solche Situation muss man nicht noch mal haben. Aber wir haben es gemeistert.
Im Hochbau hat der Kreis viel erreicht. Wo klemmt es? Wie sieht es etwa mit Straßen aus?
Was die Kreisstraßen betrifft, da hängen wir weit hinterher. Da fehlt das Geld. Es geht um hohe Kosten. Es hat sich über diese lange Zeit so aufgebaut. Das muss man klar so sagen. Da hoffe ich auf Änderungen.
Gibt es Pleiten in Ihrem Leben als Dezernent und Vorstand?
Eigentlich nicht. Wir haben manche Berater Anfang der 1990er Jahre, denen es nur um ihr eigenes Wohl ging, erkannt und sind nicht darauf hereingefallen. Das Thema Abfall, das uns immer wieder vehement begegnet, da kann ich mich an die ersten Kreistage nach 1990 erinnern. Da hatten wir die gleichen Debatten wie heute. Wenn man sachlich und ehrlich ist, dann zahlen wir mit Blick auf die Leistungen moderate Gebühren. Was nicht funktioniert hat, ist die Kommunikation mit den Bürgern, das Erklären, das Erläutern. Das ist heute angesichts der Medienlandschaft und der sozialen Medien schwieriger geworden. Es gibt deshalb mehr Reibungspunkte. Manchmal fehlt auch Einsicht. Das ist ein bisschen die Herausforderung der Zukunft.
Was ist mit dem Stichwort Tongruben. Der Müllskandal um Vehlitz und Möckern hat auch den Kreis erschüttert. 1,1 Millionen Tonnen Abfall, der dort nicht sein dürfte, Millionenschäden, Firmeninsolvenz, Prozesse, Untersuchungsausschuss. Kein Problem, kein Scheitern?
Bei den Tongruben laufen die Verfahren. Da kann ich jetzt nicht sagen, ob der Kreis hätte mehr prüfen müssen. In der objektiven Rückschau könnte man das sagen. Aber aus der Sicht von damals, als die Prüfungen anstanden, sind wir eigentlich der Meinung, dass wir da richtig gehandelt haben. Aber, es ist negativ, keine Frage. Man hatte es nicht haben müssen. Was ich für den Kreis gesagt habe, trifft genauso auf die Landesbehörden zu. Wir hätten besser und konsequenter zusammenarbeiten müssen, haben diese Notwendigkeit damals aber nicht erkannt.
Sie haben unter vier Landräten gedient.
Ja, es war stets ein sachliches Zusammenarbeiten an Aufgaben orientiert. Ich sehe ich nichts Negatives. Jeder hat seine Sache gemacht. Wenn man beitragen konnte, dass es im Kreis vorangeht, ist das schon ein befriedigendes Gefühl.
Herr Girke, alles Gute für Sie!