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Feierstunde Gedenken an Pogromnacht und Mauerfall

Pogromnacht und 30 Jahre Mauerfall standen im Mittelpunkt einer Andacht und Gedenkveranstaltung in Burg.

Von Mario Kraus 11.11.2019, 00:01

Burg l Mit dem Anschlag auf die jüdische Synagoge in Halle ist auch der Holocaust mehr denn je wieder ins Gedächtnis gerückt. „Ein Tag der Schande und fester Teil der deutschen Geschichte, der niemals vergessen oder verharmlost werden darf“, sagte Ursula Patté am Sonnabendabend während einer Andacht in der Petrikirche. Die Vorsitzende des Presbyteriums der Petrigemeinde erinnerte wie auch Pfarrer Peter Gümbel an die unvorstellbaren Folgen der systematischen Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens in Deutschland. „Allein 1400 Synagogen und Gebetsstuben wurden zerstört“, sagte Gümbel.

Schon deshalb müsste heute jeder Einzelne allen Anzeichen von Menschenhass und Antisemitismus entgegentreten. Wie schnell und schleichend „das Böse“ Einzug halten kann, machte Pfarrer Jürgen van Wieren in seiner ökumenischen Andacht eindrucksvoll deutlich. Er forderte, den Menschenverächtern nicht das Feld zu überlassen – „denen, die sich am Leben vergreifen und machen, dass Menschen unseres Landes wieder Angst haben, hier zu leben“. Er zitierte aus dem ersten Petrusbrief: „Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge ...“

Van Wieren zeigte auf, dass Verharmlosungen und Verallgemeinerungen nur denen nützten, die die Gesellschaft heute spalten wollten. Doch eine Gesellschaft sei nur lebens- und widerstandsfähig, „wenn es in ihr auch klare Tabus gibt, unhintergehbare Werte“. Denn das Böse komme in der Maske seines Gegenteils daher, als Menschenfreund und Kümmerer und Versteher. Das aber sei gefährlich. „Seid wachsam, denkt nach, forscht nach den Gründen und Hintergründen ...“, mahnte der Pfarrer in seinen nachdenklichen Worten.

Ein bekennendes Plädoyer für die Demokratie und gegen jede diktatorische Form von Staat und Parteien hielt Wende-Pfarrer Joachim Gremmes anschließend auf dem Magdalenenplatz. „Die Demokratie ist das sichtbarste lohnendste Wagnis.“ Sie müsse allerdings mit den Menschen gemeinsam sozialer gestaltet werden und die Bedeutung des Geldes nicht den Wert des Lebens bestimmen. Es lohne sich aber unter allen Umständen, für die Demokratie ehrlichen Herzens zu streiten.

Als Mahnung und Auftrag zugleich begriff auch Bürgermeister Jörg Rehbaum (SPD) 30 Jahre Mauerfall. Er ließ die stürmische Wendezeit mit den vielen geschichtsträchtigen Ereignissen in der Welt und Burg Revue passieren und zog ein ganz persönliches Fazit dieser Zeitspanne: „Wir müssen auch heute noch denjenigen, die auf der Schattenseite stehen, gemeinsam Hilfe, Unterstützung und Solidarität anbieten, damit die Zahl derer, die sich als Verlierer der Einheit bezeichnen, weiter sinkt und nicht wieder steigt. Meine Erfahrung der letzten Jahre ist, dass sich Ost- und Westdeutsche mehr zuhören, ja, mehr verstehen lernen müssen, wenn über die Zeit vor der Wende gesprochen oder geschrieben wird.“

Es müsse endlich Schluss damit sein, dass sich Ostdeutsche dafür rechtfertigen oder gar schämen müssten, aus welchem Teil Deutschlands sie kommen. In gleicher Weise sollten Westdeutsche aufhören, mit neidvollen Blicken auf die Infrastruktur der ostdeutschen Städte oder Unternehmen zu schauen, um zu hinterfragen, wie lange die Finanzmittel für den Aufbau Ost noch notwendig seien oder der Solidarbeitrag zu zahlen sei. Im Osten gebe es nach wie vor keine Dax-Unternehmen oder den Sitz von bedeutenden Globalplayern, „die uns auch nur annähernd Steuereinnahmen bescheren, wie in den meisten westdeutschen Regionen“.

Rehbaum schlug den Bogen zur Kreisstadt und versicherte, dass in der Vergangenheit jeder Euro sinnvoll investiert worden sei. Viel Geld sei in die Erneuerung vernachlässigter Bausubstanz geflossen. Überall erstrahlten heute liebevoll gestaltete Fassaden in neuem Glanz. „Wohnungen werden saniert oder errichtet, Erschließungen vorgenommen und Straßen gebaut oder saniert. Trotz der Erfolge bleibt noch viel zu tun, um in Ost und West annähernd gleiche Verhältnisse bei Produktivität, Dienstleistungen und allgemeinen Lebensumständen zu erreichen.“