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Gerichtsprozess Erst Straßenbau, dann Klage

Handelt es sich bei der Sanierung der Niegripper Feldstraße um eine Erschließung oder einen Ausbau? Das Verwaltungsgericht soll das klären.

Von Mario Kraus 17.07.2020, 01:01

Niegripp/Burg l Zwei Parteien, ein Ziel: Endlich Klarheit darüber bekommen, ob nach dem geplanten Ausbau der 400 Meter langen Feldstraße in Niegripp teure Erschließungsbeiträge (90 Prozent der Baukosten) oder Straßenausbaubeiträge (vermutlich 60 Prozent) fällig werden. Die Bürgerinitiative (BI), die sich vom Biederitzer Anwalt von Witten vertreten lässt, geht von Ausbau aus, die Stadt beharrt auf Erschließung. Jetzt soll nach der Sanierung, die im Herbst dieses Jahres beginnt, in einem Musterverfahren verbindlich geklärt werden, welchen Status das Vorhaben erhält. Darauf haben sich die Niegripper Anwohner und die Spitze der Stadt geeinigt. Immerhin geht es um viel Geld, weil die Grundstücke oftmals größer als 1000 Quadratmeter sind und schnell fünfstellige Beiträge erreicht werden. Außerdem: Da Sachsen-Anhalt – wie alle anderen Bundesländern auch – die Straßenausbaubeiträge rückwirkend abschaffen will, wäre die Sanierung möglicherweise sogar beitragsfrei. Ein entsprechendes Gesetz soll im November vom Landtag verabschiedet werden. Geplant ist, dass die umstrittenen Beiträge rückwirkend zum 1. Januar 2020 wegfallen. Wenn Bauarbeiten erst nach diesem Tag enden, will das Land einspringen und den Anteil der Anwohner übernehmen.

Eine Erschließung kommt für die Niegripper Anwohner in jedem Fall nicht in Frage. Davon sind Ingrid Malolepsy und Sebastian Czarnetzki, Sprecher der BI, überzeugt. Die Straße sei schon in den 1930er Jahren hergestellt worden und ist seitdem befahrbar. „Es gab einen Kohlehandel, und die Straße führte lange vor dem Kiesabbau in den angrenzenden Wald und zu den angrenzenden Äckern.“ Und auch der vom Gesetzgeber datierte Zustand vor dem 3. Oktober 1990 entspreche den Voraussetzungen für einen Ausbau. „So sind nicht nur die notwendigen Leitungen vorhanden. Der Abschnitt ist eine sandgeschlemmte und tragfähige Straße mit allen Einrichtungen wie Fußweg, Entwässerungsmulden und Lampen. Die waren schon weit vor dem Stichtag vorhanden und entsprachen den gesetzlichen Gegebenheiten“, so Malolepsy. Deshalb komme das Erschließungsrecht nicht in Frage.

Stadt-Justiziar und Vize-Bürgermeister Jens Vogler hat für das Engagement der Niegripper zu Gunsten des Ausbaus „Verständnis. Das ist völlig legitim“. Dennoch würden einschlägige Gerichtsurteile für eine Erschließung sprechen. „Wir können als Kommune in diesem Zusammenhang nicht darauf verzichten, Einnahmen zu generieren“, sagt Vogler. Seiner Auffassung nach seien vereinzelte Reparaturen und Bauarbeiten nicht ausschlaggebend. „Wenn die Straßen nicht nach einem vorliegenden technischen Ausbauprogramm der DDR-Planungsorgane oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellt waren, sind die betreffenden Straßen nach Erschließungsbeitragsrecht zu veranlagen. Dies ist in Paragraph 242 Absatz 9 des Baugesetzbuches geregelt.“ Die Kommune habe sich danach zu richten.

Trotzdem sei die aktuelle Rechtslage laut Vogler durchaus ungerecht, weil „vergleichbare Sachverhalte in den alten Bundesländern immer mit Straßenausbaubeiträgen und nicht mit Erschließungsbeiträgen behandelt werden“. Gemeint ist die Stichtagsregelung 3. Oktober. Endgültig Klarheit soll nun eine Musterklage bringen, die die Bürgerinitiative nachdem Erschließungsbescheid anstreben wird.

Am Ausbau des Abschnittes halten Stadt und Ortschaftsrat fest. „Das Thema steht seit mehr als zehn Jahren auf der Tagesordnung. Die Planungen sind fertig. Jetzt sollten wir auch die Straße endlich sanieren. Das wertet auch den Ort weiter auf“, sagte Bauausschuss-Vorsitzender Clemens Engel (CDU). „Und das Gerichtsurteil wird uns Klarheit geben.“ Die Stadt will die Feldstraße auch deshalb sanieren, weil der Abschnitt für die Anbindung des neuen Wohngebietes „Südlich des Detershagener Weges“ wichtig ist. Weil sich der Investor mit 350.000 Euro an dem Straßenbau beteiligt, könnte die Erschließungsumlage für die Anwohner gesenkt werden.

Der Ausbau soll kurz hinter dem Abzweig zur Hauptstraße beginnen und hinter dem Kurvenbereich Sandschelle enden. Vorgesehen ist eine Asphalt-Fahrbahn, während für die Zufahrten und Gehweganbindungen Betonsteinpflaster geplant ist. Zur Verkehrsberuhigung hat das Planungsbüro aus Magdeburg Grüninseln vorgeschlagen.