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Gottesdienst Sehnsucht nach Gefühlen

Vor der Bescherung geht es zum einmaligen Gottesdienst im Jahr in die Kirche. Darauf stellt sich Superintendentin Ute Mertens aus Burg ein.

Von Simone Pötschke 24.12.2019, 00:01

Burg/Genthin l Festliches Glockengeläut ruft heute Land auf Land ab zu Gottesdiensten. Auch im Jerichower Land. Von den Kanzeln der Kirchen wird die weihnachtliche Botschaft von der Menschwerdung Christi verkündet, eine Freudenbotschaft, die rund um die Welt geht.

Anders als zu den anderen Sonn- und Feiertagen werden die Bänke selbst in den kleinsten Dorfkirchen bis zum letzten Platz besetzt sein. Die Pfarrer des Kirchenkreises Elbe-Fläming um deren Superintendentin Ute Mertens wissen, was damit auf sie zukommt. Ihr Wort, ihre Predigt zählt. Ein Gottesdienstbesuch gehört für viele Menschen zum Weihnachtsfest einfach dazu.

Auch für jene, die mit dem christlichen Glauben an den anderen 364 Tagen des Jahres nicht viel am Hut haben. Nichts anderes erwartet Ute Mertens, seit fast 20 Jahren im Verkündigungsdienst, auch für die heutigen Gottesdienste. „Weihnachten ohne Gottesdienst gehe gar nicht. Das höre ich oft, auch von Bekannten, die keiner Kirche angehören“, erzählt sie gelassen.

Dass es viele Menschen, die im Alltag keine Nähe zum Glauben haben, am Heiligen Abend in die Kirche zieht, erklärt Ute Mertens mit deren tiefen Sehnsucht nach Gefühlen. Sie verstehe das und versuche, sich mit ihrer Predigt darauf einzustellen. Für Ute Mertens ist die Weihnachtsgeschichte dabei ein „universeller Allrounder“, eine Geschichte, die jeden anspreche.

Der 2000 Jahre alte Bibeltext sei bis auf den heutigen Tag ein Gleichnis für alle die Menschen bewegenden und existentiellen Fragen. Armut und Reichtum, Frieden und Krieg, Flucht und Vertreibung, Hoffnung, Mitmenschlichkeit.

Den Gottesdienst am Heiligen Abend sieht Mertens deshalb auch als eine Chance, Kirche und Menschen einander näher zu bringen, ohne bekehren zu wollen. Mertens will kein „Schäfchenfänger“ sein.

Es sei alle male besser, Menschen kämen einmal im Jahr in die Kirche, als wenn sie ihr grundsätzlich fernblieben. Dennoch, da redet Ute Mertens nicht lange drumherum , es sei schon eine Herausforderung für jeden Pfarrer, kirchenferne Besucher anzusprechen.

Trotzdem bekennt sie ohne Vorbehalte: „Ich freue mich über jeden, den ich heute Abend im Gottesdienst begrüßen kann“. Befürchtungen, dass ein Weihnachtsgottesdienst zu einer Folkloreveranstaltung verkomme und ihm damit die Würde verlorengehen könnte, teilt die Superintendentin nicht.

Gleich drei Mal steht sie heute auf der Kanzel, um die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium und die Weihnachtsbotschaft zu verkünden. Das Wort „Stress“ kommt ihr nicht über die Lippen, wenn sie sich für den Abend den Zeitplan ins Gedächtnis ruft. Dabei geht es heute übers Land.

Zwei bis drei Gottesdienste am Heiligabend sind für die Pfarrerin seit vielen Jahren berufliches Pensum, das sie zu bewältigen hat.

Heute verrichtet sie ihren Dienst in Dannigkow, Pretzien und schließlich zu späterer Stunde, nach der Bescherung, bei der Christnacht in Burg. Routine komme da nicht auf.

Ute Mertens will in ihren Weihnachtspredigten authentisch bleiben, auch für die Menschen, die nur einmal im Jahr zum Weihnachtsfest in die Kirchen kommen. „Ich habe etwas zu sagen und das will ich mir nicht nehmen lassen. Ich will die Leute dort abholen und erreichen, wo sie sind.“ Das funktioniert nur, das hat sich die Superintendentin zum Grundsatz gemacht, wenn die Weihnachtsbotschaft zeitgemäß und aktuell ausgelegt wird.

Seit Ende November feilt sie an den Predigten, die von Gemeinde zu Gemeinde variieren werden, auch weil sie mit den Krippenspielen wie heute in Dannigkow harmonieren müssen.

Eine Normzeit, wie lange sie an einer Predigt arbeitet, gibt sich Ute Mertens nicht. Das alles sei sehr unterschiedlich. „Wenn ich einmal am Schreiben bin, schreibe ich auch in einem Ritt“, scherzt sie.

Die Predigten liegen seit gestern bis auf den I-Punkt ausformuliert im Arbeitszimmer der Superintendentin bereit. Am Vortag muss immer alles fertig sein, da ist sich Ute Mertens wie in den Vorjahren treu geblieben.

Wenn sie heute in der Nacht nach dem letzten Gottesdienst den Talar abstreift, wird sie den Heiligen Abend Revue passieren lassen. Habe sie alles gegeben, konnte sie die Erwartungen der Gottesdienstbesucher erfüllen, war die Predigt das, was die Leute hören wollten? Vor allem bleibt ein Wunsch: dass die Menschen etwas von der Weihnachtsbotschaft in ihren Alltag, in ihrem Miteinander mitnehmen.