Lesenacht Brigitte Reimann lebt in Burg weiter
Zahlreiche Künstler haben bei der Altstadt-Lesenacht in Burg an Brigitte Reimann erinnert. Das sorgte für einen Gästeansturm.
Burg l Vor kurzem stand Burg ganz im Zeichen „der Reimann“. Die Burger Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933 bis 1973) fand ihre letzte Ruhe mit der Umbettung der Urne von Oranienbaum auf den Burger Ostfriedhof. Dann folgte die Burger Altstadt-Lesenacht im Garten der nach ihrer benannten Stadtbibliothek– es war die neunte. Und es war auch der Geburtstag von Brigitte Reimann, die an dem Tag 86 Jahre alt geworden wäre. Ihr zu Ehren setzte die Altstadt-Lesenacht genau an dem an, was Reimann hinterlässt, wofür sie Saat auswarf: Reimanns Erben. Ihr Geist blieb schon immer hier und beseelte die Gedanken vieler Autoren.
Viele Poeten kamen auch dieses Mal zusammen. Fünfzehn Schreibkünstler lasen aus der Anthologie „Reimanns Erben – Tatsächlich leuchtet der Himmel grün“ eigene Texte. Doch bevor das Buch aufgeschlagen und das Mikrofon eingeschaltet wurde, entblößten die Bibliotheksmitarbeiter das Gebäude von allen Stühlen. „Auf solchen Gästeansturm waren wir nicht gefasst“, äußerte Bücherei-Chefin Stefanie Obieglo verblüfft. Erstmals moderierte Edeltraut Schimansky die Veranstaltung, die auf den unruhigen Geist der Brigitte Reimann hinwies und selbst in ihrem Tod immer noch durch den ihr innewohnenden Widerspruch auffalle. Dieser Kontrast im Denken, Schreiben und Leben gefiel den meisten hier in der Ihlestadt nicht, denn: „Nichts wies lange auf Brigitte Reimann hin“, haderte Schriftstellerin Dorothea Iser.
Dabei wuchs „die Reimann“ in Burg auf, ging hier zur Schule, setzte die ersten Fußabdrücke ins Leben. Das änderte sich 2013, so Iser, „durch das regelmäßige Gedenken ihres Geburtstages und auch an ihrem Todestag.“ Die Reimann, so sagt sie, haben wir wieder in das Burger Bewusstsein geholt! Iser spricht die Anthologie an. Kinder sind dabei, so sagt sie, eine Studentin, ältere Leute haben dafür geschrieben, „das muss man erstmal machen.“ Iser bricht nicht nur eine Lanze für Brigitte Reimann, nein, sie setzt sich für das Schreiben an sich ein: „Wir schreiben nicht in dem Bezug auf Reimann, sondern –wir schreiben im Bezug auf den Anspruch der Reimann.“
Das Buch umfasst Texte von 40 Autoren. Günter Hartmann schrieb Aphorismen, die sich vor dem jeweiligen Text wiederfinden und Fotograf Rolf Winkler bebilderte die Zwischenräume als Bindeglied zu den Beiträgen der Künstler. „Die Reimann hat widersprochen, hatte Power, sie war nicht brav“, ruft Iser und appelliert an Gäste wie Autoren gleichermaßen, „wenn wir davon heute ein wenig erleben, dann bin ich froh.“
Reimanns Erben gibt es auch musikalisch. Das Duo Schneewittchen mit dem Keyboarder Thomas Duda und der Sängerin Marianne Iser sangen über Liebe, Freiheit und die Sehnsucht danach, „die sich nie besiegen lässt.“
Moderatorin Edeltraut Schimansky ging mit Faserstift und A3-Blättern von Gast zu Gast: „Es wird eine Sandwich-Geschichte“, so die Autorin. Jeder schreibe einen Satz, der nächste liest ihn und denkt darüber nach, „philosophiert und überlegt“, dann wird der Satz des Vorgängers zugefaltet, übrig bleibt die eigene Aussage und die liest dann der nächste, und so weiter... Sie sei gespannt, was sich daraus entwickle, sagt Schimansky.
Die Vorsitzende des Verbands deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller - Landesverband Sachsen-Anhalt, Renate Sattler, war zu Gast bei der neunten Altstadt-Lesenacht: „Hier, wo sie aufwuchs, lebte und wirkte, wird ihr Erbe bewahrt.“ Das lebendigste Erbe seien die Autoren, „die das Werk von Brigitte Reimann in die eigene literarische Tradition aufgenommen haben und diese an die nächste Generation weitergeben.“