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Knappheit von Arzneien Lieferengpässe von Medikamenten in Apotheken im Jerichower Land

Immer häufiger kommt es vor, dass Medikamente nicht lieferbar sind und Apotheken in Genthin oder Burg ihre Kunden vertrösten müssen. Der Engpass sorgt für Sorgen bei Patienten und Arbeitsaufwand bei Apothekerinnen.

Von Nicole Grandt und Mike Fleske 02.12.2021, 16:33
Steffi Ritschl in der Adler-Apotheke in Genthin.
Steffi Ritschl in der Adler-Apotheke in Genthin. Foto: Simone Pötschke

Genthin/Burg - In den Apotheken fehlt es an Medikamenten. Der seit Jahren in Deutschland herrschende Medikamenten-Engpass hat sich durch die Coronapandemie nochmals zugespitzt. Auf das Thema hat in dieser Woche Marc-Florian Witsch, Apotheker aus Weferlingen in der Börde und Mitglied vom Landesapothekerverband Sachsen-Anhalt gegenüber der Volksstimme angesprochen. Er sah eine deutlich zugespitzte Situation und meint: „Einige Medikamente, darunter viele gängige, sind seit Monaten nicht lieferbar.“ Wie sieht es im Jerichower Land aus?

Medikamente wie Blutdrucksenker werden knapp

Wenn auch die Lieferengpässe im Landkreis Jerichower Land bestätigt werden, so dramatisch sehen die im Jerichower Land ansässigen Apothekerinnen die Situation nicht. In der Einhorn-Apotheke in Genthin seien es derzeit etwa Blutdrucksenker oder Fieber- und Schmerzsäfte für Kinder, die knapp seien. „Wir versuchen dann, auf Ersatzprodukte auszuweichen“, erklärt Inhaberin Karin Becker. Das sei etwa durch Rücksprache mit Ärzten, die ein anderes Medikament mit ähnlichen Wirkstoffen verschreiben, möglich. Auch könne durch den Lieferdienst der Apotheken eine kurzfristige Nachlieferung erfolgen. „Dann sind die Medikamente manchmal in wenigen Stunden oder am nächsten Tag verfügbar.“

Deutscher Markt möglicherweise weniger attraktiv

Auch Elisabeth Pannholzer kennt die Sorgen. „Wir haben schon lange Lieferschwierigkeiten bei verschiedenen Medikamenten“, sagt die Inhaberin der Park-Apotheke in Burg. Ihre Erklärung für die Misere: „Es liegt auch an der Zulieferung von Zusatz- und Wirkstoffen“, erklärt die Apothekerin. „Vielleicht ist der deutsche Markt für asiatische Hersteller nicht mehr so attraktiv.“ Denn Fakt ist: Viele Medikamentenhersteller lassen die Wirkstoffe in Fernost produzieren. Asiatische Fabriken in China oder Indien sind Zulieferer für Unternehmen wie Hexal, Ratiopharm oder Stada. Der Grund: In Asien können Medikamente billiger produziert werden. Politische Diskrepanzen zwischen Hersteller- und Abnehmerland sowie die Probleme, die Corona dem weltweiten Handel zufügt, können für einen Engpass sorgen.

Ausweichen auf andere Präparate

Auch die Krankenkassen könnten laut Elisabeth Pannholzer einen Anteil am Problem haben. „Es gibt Rabattverträge, die die Krankenkassen mit Vertragspartnern aushandeln, die dann aber gar nicht so viel produzieren können, wie eigentlich notwendig wäre. Dann müssen wir auf andere Präparate ausweichen.“ Steffi Ritschl, Inhaberin der Adler-Apotheke in Genthin, bestätigt, dass es bei den Medikamentenlieferungen Engpässe gebe, aber nicht mehr als früher. Ihre Apotheke habe drei Großhändler für Medikamente zwischen denen gewechselt werden könne, wenn ein Medikament bei einem von ihnen fehle. Bedeutet: Wenn bei einem Händler eine Arznei nicht geliefert werden kann, wird beim nächsten angefragt, um eine Medikamentenlieferung zu ermöglichen. „Wer nur einen Händler hat, bekommt bei einem Engpass mehr Probleme.“

Geänderte Rezepte und Rücksprache mit Ärzten

Lieferschwierigkeiten kennt auch Kristin Loh, Inhaberin der Neuen Flora-Apotheke in Burg. „Aktuell nehmen das Team und ich einen Engpass nicht so stark war, das war zu Beginn der Pandemie schlimmer, da mussten wir uns schon mit Ware eindecken, damit wir unsere Kunden weiterhin versorgen können.“ Ähnliche Erfahrungen hat auch Diana Rose, Inhaberin der Roland-Apotheke in Burg, gemacht: „Lieferengpässe bei Medikamenten sind schon seit langer Zeit ein Thema, auch heute ist es noch aktuell und beeinflusst unsere tägliche Arbeit in der Apotheke enorm.“

Eine weitere Auswirkung: „Wir müssen schon bei der Bestellung aufpassen, was lieferbar ist und was nicht“, erklärt Elisabeth Pannholzer. „Manchmal muss man auch die Rezepte ändern lassen und noch mal Rücksprache halten mit den Ärzten. Sowas gehört schon zu unserem Arbeitsalltag und das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch.“ Auch Diana Rose hat die Erfahrung gemacht, dass sie Kunden vertrösten muss, weil etwas nicht lieferbar ist. „Das kommt sogar täglich vor.“ Das Problem zu lösen ist laut Diana Rose schwierig. „Eventuell wäre es ein Ansatz, dass Wirkstoffe auch wieder verstärkt in Deutschland produziert werden, aber dahin zu kommen wäre ein langer Weg“, überlegt sie.

Die Adler-Apotheke in Genthin
Die Adler-Apotheke in Genthin
Foto: Mike Fleske