Entschädigung für Fahrstrecken Lohnabrechnung zeigt: Bauarbeiter aus dem Jerichower Land umrunden die Erde
Bauarbeiter aus dem Jerichower Land erhalten im Februar 2023 eine Entschädigung für Fahrten zu den Baustellen. Daraus ergibt sich eine unglaubliche Kilometerzahl.

Burg - vs
Die Premiere ist mit einer unglaublichen Zahl verbunden. Bauarbeiter aus dem Jerichower Land fahren 1.423 Mal um die Erde. Dies verdeutlicht ein Blick auf den Lohnzettel, der nun in einem entscheidenden Punkt anders aussieht: Zum ersten Mal bekommen Bauarbeiter im Februar 2023 eine Lohnabrechnung, auf der die Kilometer eine Rolle spielen, die sie im Januar auf ihrem Weg zu den Baustellen zurückgelegt haben.
Endlich gebe es eine Entschädigung für die Fahrstrecken und damit vor allem für die vielen Stunden, die Maurer, Betonbauer, Kranführer und Co. Monat für Monat auf der Straße unterwegs sind, heißt es vom Bezirksvorsitzenden der Interessengemeinschaft (IG) Bau Altmark-Börde-Harz, Michél Eggert. „Denn bislang hat ein Großteil der Bauarbeiter Zeit und Nerven investiert, um zu den Baustellen zu kommen. Und das alles zum Null-Tarif.“ Die meisten Bauarbeiter hätten ihre Zeit für die Fahrten zur Baustelle „dem Chef einfach geschenkt.“ Daher sei die Entschädigung der Wegezeit „ein wichtiger Schritt nach vorn, um die Arbeit auf dem Bau vom Lohn her attraktiver und gleichzeitig auch gerechter zu machen“, wie Eggert in einer Mitteilung zitiert wird.
Institut hat ermittelt: Eine einfache Fahrt beträgt über 70 Kilometer
Die Strecken, die Bauarbeiter auf ihrem Weg zu den Baustellen zurücklegen, sind enorm. Die Bau-Gewerkschaft hat die Fahrstrecken beim Pestel-Institut (Hannover) untersuchen lassen. Demnach sind rund 1990 Bauarbeiter – und damit neun von zehn Beschäftigten der Baubranche – im Jerichower Land an 200 Arbeitstagen unterwegs, um zu den Gebäuden, Straßen und Brücken zu kommen, die sie bauen und sanieren sollen. Für die einfache Fahrt legen sie dabei im Schnitt 72 Kilometer zurück, so die Erkenntnis. Die Wissenschaftler vom Pestel-Institut kommen dabei auf rund 57 Millionen „Baustellen-Kilometer“ im Jahr. Rein rechnerisch würden die Bauarbeiter aus dem Landkreis demnach rund 1423 Mal um die Erde fahren, so Eggert: „Klar, mal liegt die Baustelle um die Ecke, oft ist sie aber auch weit entfernt.“ Bei der Untersuchung seien, so das Pestel-Institut, für die Mobilität von Baubeschäftigten relevante Faktoren wie die Siedlungsdichte berücksichtigt worden.
Fahrten sind Zeitfresser
Das Ergebnis mache deutlich, dass die, „die auf dem Bau arbeiten, viel Extra-Zeit am Steuer vom Pkw oder im Baubulli verlieren“, heißt es von Carsten Burckardt. Er ist im IG Bau-Bundesvorstand für die Bauwirtschaft zuständig und spricht von „enorm Kilometer-aktiven Bau-Jobs“. Trotzdem sei es ein „hartes Stück Arbeit“ gewesen, die Entschädigung der Wegezeit am Tariftisch durchzusetzen. „Die Arbeitgeber haben sich jahrelang dagegen gesträubt“, so Burckhardt.
Für die Strecken zwischen Betrieb und Baustelle erhalten Bauarbeiter nun je nach Kilometern zwischen 6 und 8 Euro pro Tag. Wer das eigene Auto nimmt, bekommt weiterhin zusätzlich Kilometergeld. Auch für Fahrten mit Bus und Bahn ist eine Erstattung vorgesehen. Wer auf Montage sei und nicht jeden Tag nach Hause fahren könne, bekomme – abhängig von der Strecke – zwischen 18 und 78 Euro pro Woche.