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Schifffahrt Mit der „Fiasko“ auf der Elbe über Jerichow nach Hamburg

Derzeit schippert ein Floß Marke Eigenbau auf der Elbe Richtung Hamburg. Dabei macht es auch im Jerichower Land an einigen Orten Station. Reporter Thomas Skiba reihte sich auf der Strecke Hohenwarthe/Rogätz/Schartau in die Mannschaft ein und beschreibt die Eindrücke auf diesem seltenen Gefährt.

Von Thomas Skiba 25.07.2021, 15:12
Martin Mühlbauer und Benjamin Oldag legen sich ins Zeug, um das Floss in der Strommitte zu halten. Trotzdem bleibt für Zeit für einen Blick auf den Kalimandscharo.
Martin Mühlbauer und Benjamin Oldag legen sich ins Zeug, um das Floss in der Strommitte zu halten. Trotzdem bleibt für Zeit für einen Blick auf den Kalimandscharo. Foto: Thomas Skiba

Jerichow - Links ist die Trogbrücke des Wasserstraßenkreuzes zu sehen, rechts die träge fließende Elbe. Überflutete Buhnen lassen die Strommitte nur erahnen. Eine Tröte schallt durch die Elbaue bei Hohenwarthe: Ich werde eingeladen. Und irgendwie stimmt es, denn ich bin Fracht. Wo soll ich mich hinsetzen, frage ich. „Irgendwo in der Mitte, da störst du nicht“, sagt Alfons Riedel, Kapitän der „Fiasko 21“, einem nach eigenen Ideen konstruierten Floß. Fiasko – was für ein Name für ein Gefährt, dass derzeit eine neunköpfige Besatzung steuert.

Die Männer, allesamt bekennende Abenteuerurlauber, wollten damit einen eventuellen Fehlschlag der Mission „den Wind aus den Segeln nehmen“, sagt Thomas Junik, der Initiator, Ideengeber und Steuermann dieses auf der Elbe ungewöhnlichen wie seltenen Gefährts.

Gestartet sei man bei Meißen, vier Wochen dauert die Reise bis kurz vor Hamburg. Knapp 30 Kilometer vor der Stadtgrenze ist Schluss, die Genehmigung für den, wie es im Behördendeutsch heißt, Sondertransport, gilt nur bis zum Elbe-Seitenkanal. Das Floß soll dann vor Ort entweder demontiert oder langfristig vor Anker gehen. „Wir wollen das Floß als Ganzes oder auch zerlegt versteigern und das Geld den Flutopfern in der Eifel spenden“, so die Mannschaft einhellig. Mittlerweile treiben wir an der Einfahrt zur alten Niegripper Schleuse vorbei, die zum Elbe-Havel-Kanal führt und nur noch für Sportboote geöffnet wird.

Schon der Bau der „Fiasko 21“ ist eine Geschichte für sich. Das Holz kam aus der Dübener Heide, das Schneiden der Bretter und das Zusammenfügen zum Floß nahm zwei Wochenenden in Anspruch und der Bauplatz war eine Streuobstwiese an der Elbe. Doch wie bringt man so ein Gefährt zu Wasser, es hat ja keinen Kiel. Die Floßhandwerker um Junik, von denen kein einziger ein gelernter Bootsbauer ist, banden noch Fässer aus blauem Kunststoff unter die Planken, damit fiel das sonst bekannte Rutschen ins Wasser aus. „Wir stellten das erste Drittel fertig, hoben es ins Wasser und setzen das nächste Stück dran“, erklärt Junik die Lösung des Problems für das vier Meter breite und elf Meter lange Floß.

Fässer sorgen für genügend Auftrieb

Der Grund für die Fässer ist praktische Physik: Das Floß schwimmt nicht allein durch die Auftriebskraft der blanken Holzbretter. Eine Unterstützung durch die Fässer ist notwendig, sonst holen sich die Flößer nasse Füße. Ein Mittel, dessen sich schon die früheren Elbflößer bedienten, nur da waren die Fässer aus Holz. Die 16 Kunststofffässer verschaffen dem Floß einen Auftrieb von rund drei Tonnen. „Das schafft das Holz allein nicht, je nach Sorte schwimmt das eine besser als das andere“, erklärt Junik. Kiefernholz, daraus besteht die „Fiasko“, hat einen Auftrieb von drei Zehntel, also bleiben sieben Zehntel unter Wasser.

Der „Kalimandscharo“ kommt in Sicht, vom ehemaligen Fähranleger bei Heinrichsberg starten ein paar kleine Motorboote und begleiten uns ein Stück. Die Mannschaft wird an täglich festgelegten Anlegepunkten ausgetauscht, fast jeder aus dem großen Bekanntenkreis von Junik und Riedel will, wenn auch nur für ein paar Stunden, den Geist des Flößens früherer Tage fühlen.

Nur Junik und drei weitere Männer bleiben ständig an Bord. „Wenigstens drei Leute müssen mindesten dabei sein, um die Ruder zu bedienen.“ Mit sechs Kilometer pro Stunde, der durchschnittlichen Fließgeschwindigkeit der Elbe, ziehen wir gemächlich in Richtung Rogätz dahin, Fischadler beäugen uns, ein Reiher kreuzt den Weg – Ruhe pur.

Schon hinter dem Abzweig zum alten Ihlekanal kommt der Klutturm in Sicht, unter ihm will die „Fiasko“ anlegen. In dem Turm befindet sich derzeit eine Ausstellung zur Geschichte der Flößerei auf der Elbe – was für ein Zufall. „Die werden wir uns angucken“, legen die Männer fest. Ein Seil wird an Land geworfen, ein Besatzungsmitglied verankert das Floß an Land: Meine Reise auf der Elbe ist zu Ende, für einen Moment Elbflößer gewesen zu sein, kann mir keiner mehr nehmen.

Steuermann und Initiator Thomas Junik bei der Positionsbestimmung. „Wir dürfen nicht überall anlegen, danach müssen wir uns richten.“
Steuermann und Initiator Thomas Junik bei der Positionsbestimmung. „Wir dürfen nicht überall anlegen, danach müssen wir uns richten.“
Foto: Thomas Skiba
Unterwegs gibt es frisches Gemüse als Wegzehrung: Martin Rudisch beim Kohlrabi schälen. Am Heckruder Renee Natho.
Unterwegs gibt es frisches Gemüse als Wegzehrung: Martin Rudisch beim Kohlrabi schälen. Am Heckruder Renee Natho.
Foto: Thomas Skiba