Gerhard und Bärbel Zawadka verabschieden sich am 31. Oktober mit Frei-Eis Nach 32 Jahren geht mit dem "Guntmiri" eine Eistradition in Gommern zu Ende
Es ist eine schwierige Entscheidung gewesen, die im Urlaub fiel: Nach 32 Jahren gehen Eiskonditor Gerhard Zawadka und Frau Bärbel in den Ruhestand. Bevor das "Guntmiri" am 31. Oktober schließen wird, gibt es Frei-Eis.
Gommern l "Irgendwann muss ja einmal Schluss sein", sagt Gerhard Zawadka und schaut seine Frau Bärbel an. Es sei ein langer Überlegungsprozess gewesen, das Eiscafé "Guntmiri" zu schließen und in den Ruhestand zu gehen, deren finale Entscheidung während des vergangenen Urlaubs fiel. "Wenn wir jetzt den Absprung nicht schaffen, dann zögern wir es wohl immer wieder hinaus", fügt der 64-Jährige mit einem Schmunzeln hinzu. Damit geht Ende des Monats eine Ära zu Ende, die am 1. Januar 1980 seinen Anfang nahm.
Der Wunsch, Eiskonditor zu werden, entsteht bei Gerhard Zawadka schon in Kinderjahren. "Meine Mutter arbeitete im Kaffee Randel, wo ich öfter bei der Arbeit zusah, wie Herr Randel Eis hergestellt und mit Maschinen und Kuchen gebacken hat. Da wusste ich: Ich möchte Konditor werden."
"Zwei Jahre lang haben wir gemauert und alles selbst aufgebaut."
Der Weg dahin beginnt allerdings im Zentralen Reparatur- und Ausrüstungswerk (ZRAW) in Gommern, wo Zawadka eine Ausbildung zum Spitzendreher absolviert und anschließend als Maschinist bei der Bohrlochzementierung (Blz) arbeitet. Ehefrau Bärbel arbeitet bei der städtischen Gebäudewirtschaft und erfährt, dass die Eisdiele bei der Polsterei Behrends in der Martin-Schwantes-Straße 35 schließen wird. "Also habe ich mich um die Eisdiele beworben und einen Befähigungsnachweis erbracht", so Zawadka. Von den früheren Betreibern übernimmt er das Inventar und öffnet schließlich. Allerdings wird schnell klar: Das Geschäft auf dem Hinterhof ist zu klein. "Deshalb bin ich hausieren gegangen entlang der Martin-Schwantes-Straße und habe überall geklingelt und gefragt, wer sein Haus verkaufen möchte", erinnert sich der heute 64-Jährige. Er soll in der Hausnummer 11 bei Familie Unruh fündig werden. An eine baldige Öffnung einer Eisdiele ist da allerdings noch nicht zu denken, das Haus auf dem Grundstück ähnelt mehr einer Ruine und muss von Grund auf neu errichtet werden. Für Gerhard Zawadka, ein Mann der Tat, und seine Familie kein Problem. "Zwei Jahre lang haben wir gemauert und alles selber aufgebaut. Hier war kein Klempner drin, das habe ich erledigt", sagt der Eiskonditor. "Auch für unseren Sohn Steffen war das eine sehr aufregende Zeit", sagt Bärbel Zawadka. "Bei der BHG haben wir damals in Schichten angestanden, um Bretter oder einen Sack Zement zu bekommen", fügt ihr Mann hinzu.
Am 4. April 1985 ist die Bauzeit vorbei und das Eiscafé "Guntmiri" öffnet seine Türen. Auf den Namen habe sie ein Familienmitglied gebracht. "Wir haben in unserer Familie eine Ausschreibung zur Namensfindung veranstaltet. Namen wie Eisscholle oder Pinguin gab es ja überall. Mein Schwager Peter kam auf die Idee, zum Chronisten zu gehen und zu schauen, unter welchem Namen Gommern erstmalig urkundlich erwähnt wurde. ¿Guntmiri\' ist also nicht italienisch", sagt der künftige Ruheständler mit einem Lächeln. Gerhard Zawadkas Mutter Ruth gestaltet zur Eröffnung eine Holztafel mit dem Namen, die heute noch im Eiscafé zu finden ist.
Das Eiscafé ist fortan buchstäblich in aller Munde. Lange Schlangen von Wartenden prägen das Bild an der Martin-Schwantes-Straße, sind doch die nächsten Cafés dieser Art in Zerbst und Elbenau zu finden. Deren Betreiber haben damals bei mir ein Praktikum gemacht, "weil ich der Einzige war, der mit offenen Eismaschinen, der SB 40, gearbeitet hat. Zwei davon habe ich heute noch", so Zawadka. Drei habe er in den 1980ern selbst zusammengebaut, "mit denen wir hier gearbeitet haben". Und die laufen auf Hochtouren. "Das meiste, was wir jemals an einem Tag verkauft haben, waren 450 Kilogramm Eis. Das sind in etwa neun Zentner", sagt der Gommeraner. 1989 bringt es Familie Zawadka auf stolze 36,5 Tonnen Jahresproduktion. "Die höchste Produktionszahl in einem Monat waren einmal 6440 Kilogramm. Wir mussten ja immer Produktionsbücher führen", sagt der Eiskonditor. Die genormte Kugel Eis habe in den Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik exakt 50 Gramm betragen müssen, "sonst hätte man eine Strafe zahlen müssen". Nicht einmal habe es wegen einer Abweichung des Gewichtes oder aus hygienischen Gründen eine Beanstandung von den Behörden gegeben.
Mit dem Fall der innerdeutschen Mauer verändert sich auch das Angebot des Eiscafés. Wurden früher noch sechs verschiedene Geschmacksrichtungen an eigenhergestelltem Streicheis angeboten, sind es heute deren 15. "Ich habe noch nie in Gramm Eis kaufen müssen, weil meine Anlagen nie ausgefallen sind. Wenn ich mal etwas hatte, dann hat sich mein Sohn, der Kälteanlagenbauer ist, darum gekümmert", so Zawadka.
Das Schönste an der Arbeit seien die vielen glücklichen Kinder, in deren Gesichter man schaut, wenn sie zu uns kommen, erklärt Bärbel Zawadka, die sich um den Service kümmert. "Die Küche - das ist sein Bereich", fügt die 63-Jährige mit einem Schmunzeln hinzu.
Bedauerlich ist aus Sicht des Eiskonditors, dass sich niemand findet, der in die Fußstapfen von Gerhard Zawadka treten möchte. Kaufangebote etwa aus Schweden, Belgien und auch Italien gibt es zwar, doch sind diese zum Teil dubios. "Ich bekam einen Anruf, wo es hieß, ich solle nach Italien kommen, um mir eine Hälfte abzuholen. Die zweite würde es später geben. Da habe ich nur gesagt, dass ich einen Gegenvorschlag habe: ¿Kommen Sie nach Gommern, bezahlen auf einen Schlag. Dann können Sie sofort loslegen.\' Ich habe nie wieder etwas vom Anrufer gehört", so Zawadka, der noch immer hofft, jemanden zu finden, der die Tradition des Hauses fortsetzt.
"Im Sommer konnten wir schlecht in den Urlaub fahren."
Langweilig dürfte es dem dienstältesten Gewerbetreibenden der Stadt nach seiner Geschäftsaufgabe Ende des Monats nicht werden. Als Vorsitzender des Ziergeflügel- und Exotenvereines ist er ein gefragter Mann, der ganz nebenbei auch ein begeisterter Segway-Fahrer ist. Außerdem steht ein Skiurlaub an.
In den vergangenen Jahren zog es das Ehepaar immer wieder in den Winterurlaub, zusammen erkundete man etwa das bekannte amerikanische Skigebiet Vale im Bundesstaat Colorado. "Das hat sich arbeitsbedingt so entwickelt: im Sommer konnten wir mit unserem Eiscafé ja schlecht in den Urlaub fahren. Also haben wir das im Winter nachgeholt und unsere Leidenschaft für das Skifahren entdeckt", erläutert Bärbel Zawadka. Canada sei eines ihrer Träume, die sie sich erfüllen wollen.
Zunächst einmal gelte es aber, sich von den Kunden gebührend zu verabschieden. Daher lädt das Eiscafé "Guntmiri" am 31. Oktober alle Kinder aus der Einheitsgemeinde zum Frei-Eis ein. "Solange der Vorrat reicht. An dem Tag werden wir aber extra viel produzieren", freut sich Gerhard Zawadka trotz allen Abschiedsschmerzes.