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Sammelleidenschaft Der Mann mit den Tausend Schlüsseln

Es gibt quasi nichts, was nicht gesammelt wird. Auch Jochen Kruth aus Gommern ist ein Sammler. Seine Leidenschaft: Schlüssel.

Von Thomas Schäfer 08.08.2020, 23:01

Gommern l „Hallo, mein Name ist Jochen Kruth. Sie scheinen ja wie ich ein Schlüsselfreund zu sein“, erklang eine freundliche Stimme Anfang der Woche im Handy des etwas verdutzten Reporters. „Ich sammle Schlüssel und habe da schon ein paar zusammen. Vielleicht wäre das ja etwas für ihre Schlüsselbundgeschichten.“ Das ist es in der Tat. Also schnell einen Termin vereinbart und bei Jochen Kruth vorbeigefahren.

Betritt man die Garage im Keller des Hauses des 73-jährigen Gommeraners, nimmt man sofort den Geruch von Motorenöl und etwas Abgasen wahr. Typischer Werkstattgeruch. Und tatsächlich, Jochen Kruth ist passionierter „Schrauber“. Wie aus dem Ei gepellt stehen da ein Motorrad RT 125 und ein Wartburg 311 - beide Baujahr 1958.

Löst sich der Blick von den prachtvoll restaurierten Fahrzeugen, kommt man alsgleich aus dem Staunen nicht mehr heraus. An den Wänden hängen unzählige Schlüssel. Große, kleine, alte, neue, mit Bart und ohne. Wohin man blickt: Schlüssel aus aller Herren Länder. Manche fantasievoll verziert, andere kommen eher nüchtern daher. Schlüssel für Türen, Tore, Kisten, Schränke, Schubladen, Truhen, Kirchen - kein Schloss, wofür Jochen Kruth nicht den passenden Schlüssel hätte. Alle sind akribisch sortiert und auf an den Wänden hängenden Brettern und Schaukästen präsentiert. „Ein paar Schlüssel“, hatte Jochen Kruth gesagt. Das ist leicht untertrieben, es sind sicher Tausende. „2725, um genau zu sein“, sagt Jochen Kruth und lacht.

Schon als Schüler, als er noch in Rostock zur Schule ging, haben ihn Schlüssel fasziniert, und er begann damit, sie zu sammeln, erzählt er. Nach der 10. Klasse begann er eine Ausbildung im Maschinenbau und arbeitete danach als Maschinen- und Kran-Schlosser im Zentralen Reparatur- und Ausrüstungswerk (ZRAW) in Gommern. Und in Gommern ist er geblieben.

„Ich hatte als Schüler so ein kleines Kästchen mit Einbausicherung. Das habe ich auseinander gebaut und versucht, es wieder zusammenzusetzen. Die Mechanik dahinter hat mich einfach interessiert. Und natürlich die Schlüssel, die so etwas öffnen“, erinnert er sich an die Anfänge seiner Sammelleidenschaft.

„Und in der Lehre mussten wir ein Einsteckschloss für Türen - komplett mit passendem Schlüssel - bauen. Das hat dann natürlich auch zu meinem Hobby beigetragen“, sagt er. „Tja, und irgendwann wussten dann alle: Ach, der Kruth, der sammelt Schlüssel - und so wurden es immer mehr“, lacht er.

Aus dem schier unendlichen Sammelsurium ein, zwei Schlüssel herauszupicken, zu denen Jochen Kruth eine besondere Geschichte erzählen kann, ist gar nicht so einfach. Also wird nicht gezogen, sondern Jochen Kruth darf selbst wählen.

Er wählt einen sehr großen, sehr alten Schlüssel. Im Schaukasten mit den anderen Schlüsseln sticht er regelrecht hervor. „Der ist von einer Seitentür eine Kirche oben an der Ostsee. Er ist bestimmt 150, 200 Jahre alt - einer der ältesten Schlüssel, die ich habe“, sagt er und hängt ihn behutsam zurück in den Kasten.

Schöne Kindheitserinnerungen verbindet Jochen Kruth mit einem ebenfalls sehr alten, leicht angerosteten Schlüssel, der in einem ebenso rostigen, wuchtigen Vorhängeschloss hängt. „Das Schloss hing an einer Scheunentür meines Elternhauses. Meine Eltern waren Bauern. In dieser Scheune stand eine Dreschmaschine, daher wurde immer gut abgeschlossen. Als junger Knirps bin ich oft in der Scheune mit meinen Freunden im Stroh herumgesprungen“, erinnert sich Jochen Kruth an die Zeit vor über 60 Jahren zurück, während ein Lächeln seine Lippen umspielt.