Kreistag beschließt Aussetzung des Disziplinarverfahrens gegen Landrat Lothar Finzelberg / Matthias Graner (SPD): "Vertraue dem Landrat nicht mehr"
Mit einer Gegenstimme hat der Kreistag die Aussetzung des Disziplinarverfahrens gegen Landrat Lothar Finzelberg (parteilos) beschlossen (Volksstimme berichtete). Er soll falsche Aussagen gemacht haben. Ermittlungsführer Bernhard Böddeker erklärte, er wolle seine Arbeit bezüglich des Verdachts auf Bestechlichkeit sowie Steuerhinterziehung fortführen. Unterdessen sprechen erste Kreistagsmitglieder Finzelberg das Vertrauen ab.
Burg. "Ich werde meine Arbeit als Landrat weiter erfüllen", erklärte Lothar Finzelberg im öffentlichen Teil des Kreistages. "Genauso, wie ich es seit dem Vorfall am 24. Juni 2010 getan habe", sagte er. Damals hatten Polizeibeamte unter anderem seine Diensträume durchsucht. Hintergrund war ein Korruptionsverfahren gegen ihn sowie ehemalige Geschäftsführer und Gesellschafter der in Insolvenz gegangenen Firma Sporkenbach Ziegelei GmbH Möckern (Volksstimme berichtete). Seit diesem Tag schwebte immer wieder die Frage im Raum, ob und wie Finzelberg seine Arbeit als Landrat fortführen könne.
Fraktionsvorsitzender Matthias Graner (SPD) wertet die Situation anders. Gegenüber der Volksstimme erklärte er: "Ich vertraue dem Landrat in seiner Arbeit nicht mehr." Der Landtagsabgeordnete hat sich nach eigenen Angaben im Vorfeld des Kreistages die Anklageschrift gegen Finzelberg durchgelesen. Zudem saß er, ebenso wie Markus Kurze (CDU), im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in dem Finzelberg am 4. Mai 2009 falsche Angaben gemacht haben soll.
Fraktionen reagieren teilweise sehr zögernd
Finzelberg das Vertrauen absprechen - so weit will Linke-Fraktionschefin Gabriele Herrmann nicht gehen. "Wir werden zunächst in der Fraktion über das weitere Vorgehen beraten und uns überlegen, wie wir mit der Situation umgehen wollen", sagte sie gestern auf Nachfrage der Volksstimme. Die Anklageschrift habe sie ebenfalls gelesen. Das sei ihr wichtig gewesen, "um die Punkte zu kennen, über die gesprochen wird."
Zögernd reagiert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Wir werden erst einmal die nächsten formal juristischen und verwaltungsrechtlichen Schritte abwarten", erklärte Fraktionschef Lutz Nitz. Die Frage nach dem Vertrauen ließ er unbeantwortet.
Um schnelle Aufklärung des Falls bittet Frank Endert von der Fraktion Freie Wähler/Endert-JL. "Um das Gesicht des Landkreises zu wahren", begründete er. Generell gelte weiterhin die Unschuldsvermutung. Ausschlaggebend sei die Entscheidung des Richters. Doch rein menschlich bewerte er die Situation anders. "Ich würde nicht über den gefrorenen See gehen", sagte Endert.
Die Aussetzung des Disziplinarverfahrens kann als formaler Akt angesehen werden. Grund: Die Staatsanwaltschaft Stendal hat im April gegen Finzelberg eine strafrechtliche Anklage wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zu den Tongruben eingereicht. Damit kann das Disziplinarverfahren ausgesetzt werden. Sobald das Gericht ein Urteil gesprochen hat, wird das Verfahren wieder aufgenommen. Bis 31. Juli hat Finzelberg Zeit, zur Anklage Stellung zu nehmen.
Sanftenberg: Verfahren besser fortführen
Dr. Peter Sanftenberg (CDU)stimmte nach Volksstimme-Informationen gegen die Aussetzung des Verfahrens. "Solange das Gericht die Klage nicht angenommen hat, sollte es fortgeführt werden", sagte er auf Nachfrage. Seine Reaktion sei jedoch nicht als positives oder negatives Zeichen gegenüber dem Landrat zu werten.
Die Anklage wegen des Verdachts der Falschaussage soll fünf Punkte umfassen. Unter anderem soll Finzelberg ausgesagt haben, nie auf der Anlage in Rietzel gewesen zu sein. Auch auf die Frage, ob ihm Protokolle des Untersuchungsausschusses vorlägen, antwortete Finzelberg mit "Nein". Im Nachhinein wurde jedoch bekannt, dass Ex-Umweltstaatssekretär Jürgen Stadelmann ihm diese Protokolle geschickt haben soll.
Ermittlungsführer Bernhard Bödekker will unterdessen bezüglich des Verdachts der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung weiter ermitteln. Dafür sei er für bis zu zehn Stunden im Monat abgeordnet, erklärte er.