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Schauspieler Rolf Mey-Dahl stellte am Montagabend in Zichtau seinen ersten Roman vor 1934 - ein heißer Sommer in der Börde

Von Donald Lyko 23.11.2011, 05:19

Der Schauspieler und Autor Rolf Mey-Dahl hat am Montag auf Gut Zichtau seinen Debütroman "Die Schwarze Anna" vorgestellt. Die Veranstaltung war zugleich die Premiere des Zichtauer Gutshof-Gespräches der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Zichtau l Es gibt Lesungen - und es gibt Lesungen. Bei den einen lesen Autoren mit Routine und meist auch recht begabt aus ihren Werken. Die anderen sind die, in denen die Schreibenden auch noch Schauspieler sind. So wie Rolf Mey-Dahl. Seit Jahrzehnten auf den Bühnen dieses Landes zu Hause und auch im Fernsehen präsent, hat er sich vor einigen Jahren an seinen ersten Roman gewagt. Nach etwa vier Jahren Arbeit ist "Die Schwarze Anna" im Jahr 2009 erschienen. Seither ist er auch als Autor unterwegs, um mit Lesungen zu erfreuen.

Am Montagabend tat er dies im Kaminzimmer des alten Kornspeichers auf dem Zichtauer Gut. Seine Lesung war nicht nur eine Premiere für ihn in Zichtau, sondern für die Veranstaltungsreihe Zichtauer Gutshof-Gespräche. Diese soll in regelmäßigem Abstand fortgesetzt werden, kündigte Dr. Andreas Schulze von der Konrad-Adenauer-Stiftung an. Pro Jahr soll es in dieser Reihe Veranstaltungen auf dem Gut geben. Lesungen könnten ebenso dazugehören wie Vorträge oder Diskussionsrunden zu aktuellen und regionalen Themen. Mit dem Auftakt am Montag war Andreas Schulze sehr zufrieden. Mit Blick auf die Zuschauer und zusätzlich benötigtes Mobiliar sagte er: "Für einen Veranstalter gibt es kein besseres Kompliment, als dass die Stühle nicht ausreichen." Mit dem Wunsch "Seien Sie neugierig" - auf den Abend und auf folgende Veranstaltungen - übergab der Gastgeber an den Gast des Abends: Rolf Mey-Dahl.

Im Jahr 1937 in Magdeburg geboren, wuchs er in Dahlenwarsleben auf. Als Schauspieler und Kabarettist war er unter anderem in Magdeburg und bei der "Distel" in Berlin engagiert. 1991 wurde er dann Direktor des Potsdamer Kabaretts Am Obelisk. In mehr als 30 Filmen und Fernsehproduktionen war er zu sehen, darunter "Sachsens Glanz und Preußens Gloria" und einige Folgen von "Polizeiruf 110". Rolf Mey-Dahl ist zudem Sprecherzieher und Trainer für Kommunikation bei einem Radiosender. Mit seiner Frau Hella Müller, die er seit der Schauspielschule kennt, tritt er auch als Bänkelsänger auf.

Kostproben davon bekamen die Zuschauer am Montagabend, denn der Berliner holte zu Beginn und zum Abschluss des Programmes seine Frau auf die Bühne. Gemeinsam sangen sie bekannte Volkslieder wie "Dat du min Leevsten bist", "Du, du liegst mir im Herzen", "Am Brunnen vor dem Tor" und das "Heideröslein". Dazu gab es vom Schauspieler noch einige selbst verfasste Gedichte. Ganz am Ende lud der Schauspieler sein Publikum zum Mitsingen ein: Fred Frohbergs Klassiker "Zwei gute Freunde". Im Refrain heißt es, dass es für zwei gute Freunde irgendwann ein Wiedersehen gibt. Rolf Mey-Dahl wünschte es sich und bot an, mit seinem nächsten Roman, an dem er derzeit arbeitet, wieder nach Zichtau zu kommen. Der Beifall der Zuhörer durfte als klares "Ja, bitte" verstanden werden.

Doch vorgestern ging es erst einmal um den ersten Roman Rolf Mey-Dahls. Angesiedelt hat er diesen in seiner alten Heimat, in der Börde. Die Handlung spielt im Jahr 1934. Gutsbesitzerin Charlòtte Brexèl - 1,50 Meter groß, spricht drei Sprachen und stammt von Hugenotten ab - holt die 18 Jahre alte Anna Berger aus einem Waisenhaus in der Colbitz-Letzlinger Heide zu sich auf den Hof. Die schöne Anna erregt nicht nur die Einwohner des Ortes - in ihren Gerüchten wird sie zur Farbigen, zur Schwarzen Anna -, sondern auch die Gutsherrin. Die ist eine Erotomanin, die das Mädchen an hohe NSDAP-Mitglieder vermitteln soll. Anna verliebt sich aber in den jüngeren Bruder der Brexèl und kann sich durch eine List der Prostitution entziehen, nicht aber den Nachstellungen eines frisch examinierten nationalsozialistischen Juristen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf...

Für die Lesung hatte Rolf Mey-Dahl die Passagen so ausgewählt, dass sie den Facettenreichtum des Buches zeigen. "Es geht sehr erotisch, sehr politisch, sehr ländlich zu in meinem Roman", sagte er gleich zu Beginn. Beispiele dafür waren die dann folgenden Auszüge. In einem wurde die Dorfgemeinschaft vorgestellt, zu der auch der Dorfdumme gehört. Eine andere Stelle beschreibt erotische Spiele mehrerer Damen im Badezimmer des Gutes. Nachdenklich wird es in der Szene, in der die Gutsherrin Anna eröffnet, dass sie sie adoptieren und zur Alleinerbin machen will. Politisch wird es in der Schilderung der Liebe zwischen dem Gutsherrensohn Eduard und der Halbjüdin Lea. Deren Mutter, eine Jüdin und Frau eines deutschen Zahnarztes, wird abgeholt - unter Beteiligung von Eduards Bruder. Viel Historisches aus dieser Zeit, wie den Röhm-Putsch, hat der Autor im Roman verarbeitet, aber auch viel vom Alltagsleben in der Börde. Er beschreibt 65 Tage des Jahres 1934, die zu den heißesten Sommern in Deutschland zählen.

Wie eingangs schon gesagt: Wenn ein Schauspieler liest, ist dies mehr als eine Lesung. Rolf Mey-Dahl lebt seine Figuren. Er gibt jeder eine eigene Stimme - im Bördeplatt oder mit französischem Akzent -, er beschreibt gestisch und mimisch die Gefühle, die Stimmungen, die Situationen. "Viel spielt sich im Gesicht ab", hatte er angekündigt und ins Publikum gefragt, ob alle eine gute Sicht haben. Auch wenn nicht, das war nicht schlimm. Denn allein das Zuhören war schon ein Genuss.