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Gerichtsverhandlung „Vorgegangen wie Verbrecher“

Mit der Brechstange erbeuteten drei jugendliche Täter 14 Handys aus einem Geschäft.

Von Ilka Marten 01.09.2015, 20:01

Gardelegen/Klötze l Dauerarrest, gemeinnützige Arbeitsstunden und eine Geldauflage. Das waren unter anderem die Strafzumessungen für zwei junge Männer (16 und 19 Jahre) sowie eine 19-Jährige aus dem Raum Klötze, die wegen schweren Diebstahls von Jugendrichter Axel Bormann verurteilt worden. Gleich zweimal war die Bande in Klötze eingebrochen. Besonders dreist ist der Einbruch in einen Handyladen am 27. März gegen 2.15 Uhr in der Klötzer Innenstadt. Mit einer Brechstange schlagen die zwei jungen Männer die Scheibe des Ladens ein, nachdem es ihnen nicht gelungen war, die Tür aufzuhebeln. Dann springen sie mit einer Plastiktüte in das Geschäft, suchen die Handyabteilung, finden sie jedoch zuerst nicht. Stattdessen sehen sie zwei Laptops. Als die Jugendlichen dann doch noch die Vitrine mit den Handys entdecken, schlagen sie dort die Glasscheibe ein und stecken rund 30 Handys unterschiedlicher Marken in ihre Tüte. Die Laptops lassen sie stehen.

Beim Rausklettern durch die zerstörte Schaufensterscheibe zerreißt jedoch der Beutel mit den Handys. Alle fallen auf den Fußweg. Schnell sammeln die zwei Angeklagten das Diebesgut ein und rennen zum Auto der 19-Jährigen, die nur wenig entfernt geparkt hat. 14 Handys sind die Beute dieses Einbruchs. „Wir sind im Bereich der Schwerstkriminalität, das ist kein Späßgen hier“

„Es hat noch einer ‚Ihr Gauner‘ hinter uns hergerufen“, schildert der 19-Jährige vor Gericht. Ideengeber für die Tat war der Jüngste, der 16-Jährige, der mit der 19-Jährigen liiert ist. „Warum dieser Laden?“, will der Richter von dem 16-Jährigen, der bis dato nicht gerichtsbekannt war, wissen. Der antwortet: „Weil der viele gute Handys hat.“ Für die Tat hatten sich die Jugendlichen bestens vorbereitet: Nachmittags hatten sie nämlich von der Oma der 19-jährigen Angeklagten die Brechstange aus der Werkstatt geholt, um dann zu warten, bis sie ungestört einbrechen können. „Wir sind im Bereich der Schwerstkriminalität, das ist kein Späßgen hier“, verdeutlicht der Richter.

Auch nach dem Diebstahl gingen sie äußerst überlegt vor. Noch am selben Tag fuhren sie nach Wolfsburg, um die Handys in An- und Verkaufsläden in bares Geld umzusetzen. In einen zweiten Wolfsburger Laden fuhren sie am nächsten Tag. „Wir hatten alle ein bisschen Geldnot und dann war das ein Kurzschluss“, so der 16-Jährige zum Tatmotiv.

Dabei war der Punkt Geldnot alles andere zutreffend. Die junge Frau, die zwar große gesundheitliche und familiäre Probleme in den vergangenen Jahren hatte, lebt zusammen mit ihrem 16-jährigen Freund in einer eigenen Wohnung. Finanziert wird die ganze Sache vom Unterhalt beider Eltern, einem Zuschuss der Großmutter und dem Kindergeld. Arbeiten geht die junge Frau nicht, eine Ausbildungsstelle hat sie auch nicht in Aussicht, dafür besitzt sie aber ein eigenes Auto, für das die Oma die Versicherung bezahlt. Bormann wurde deutlich: „Wenn ich so eine Göre hätte, würde ich gucken, wie ich aus den Zahlungen rauskomme. Es gibt auch eine Pflicht zur Ausbildung.“ Die Staatsanwältin hatte zuvor schon gefragt: „Wusste Omi, dass Ihr Auto nur ein Fluchtwerkzeug ist und es Ihnen zu gut geht?“

Der 16-Jährige, der zurzeit die berufsbildenden Schulen in Salzwedel besucht und mit Hemd und gegelten Haaren auf der Anklagebank saß, bekommt Unterhalt sowie Kindergeld – und lebt mit vom Geld seiner Freundin. Aus den Erlösen vom Handyverkauf – 700 Euro für das Pärchen und 700 Euro für den 19-Jährigen – kauften die zwei Farbe für ihre 42 Quadratmeter große Wohnung und einen Wäscheständer. Der dritte Angeklagte ließ sein Geld in der Badeanstalt. „So viel Pommes können Sie doch gar nicht essen“, merkt der Richter an. Im Laden, dessen Besitzer als Zeuge aussagte, richteten die drei Täter einen Schaden von 4500 Euro an. Zusammen mit der Jugendgerichtshelferin hatten sich die Angeklagten in der Woche vor dem Prozess bei dem Ladenbesitzer mündlich entschuldigt. Finanzielle Wiedergutmachung hatten sie jedoch nicht geleistet.

So gar keine Entschuldigung hatten indes die Opfer des zweiten Einbruchs von den Angeklagten gehört. Nach dem finanziell einträglichen Einbruch in das Handygeschäft waren am 9. Mai drei Lauben im Klötzer Kleingartenverein Sonnenschein das Ziel. Das Ziel: Alkohol, Geld und Benzin. Das Diebesgut: zwei Fünf-Liter-Kanister Benzin, drei Flaschen Whisky, zwei Flaschen Sekt, ein Westernmesser, eine Taschenlampe, Werkzeuge, eine Flasche Schnaps und zwei Zigarettenschachteln.

Mit Blick auf den 16-Jährigen, der nicht mehr bei seiner Familie, sondern bei seiner Freundin lebt, sagt die Staatsanwältin: „Sie machen hier die große Show.“ Zuvor hatte der junge Mann zugeben, dass es in der Schule immer nicht so gut lief, weil „ich zu faul war“. Die Mutter des Jungen sagt mit Tränen in den Augen: „Wissen Sie, was ich wegen des Bengels schon geheult habe?“ Ihr 16-jähriger Sohn gibt sich nach außen hin reumütig: „Wir leiden ja darunter, dass wir die Leute verletzt haben. Ich will ja auf den richtigen Weg finden.“ Diese Sätze erzürnen den Jugendrichter dann wirklich: „Das ist Dummzeug, was Sie da labern.“

Aufgeflogen waren die Einbrecher, weil bei dem Pärchen im Rahmen einer Hausdurchsuchung Diebesgut aus den Laubeneinbrüchen gefunden worden war. Der Dritte im Bunde, der gerichtserfahrene 19-Jährige, stellte sich dann selbst der Polizei. In der ersten Laube fanden die Einbrecher übrigens nichts: „Da waren nur Karnickel“, schildert der 19-jährige Angeklagte. „Und waren Sie bei den Laubenbesitzern und haben gefragt, wie viele Jahre Sie als Wiedergutmachung die Karnickelställe saubermachen können?“, fragt der Richter.

Die Urteile, alles Jugendstrafen, fielen sehr unterschiedlich aus. Die 19-Jährige, die zweimal das Fluchtauto steuerte, muss 200 gemeinnützige Arbeitsstunden (mindestens 15 pro Woche) ableisten. Außerdem muss sie ein Jahr lang zweimal im Monat mit einer Betreuungshelferin ihren künftigen Lebens- und Ausbildungsweg besprechen. Ihr 16 Jahre alter Freund darf nicht ohne Zustimmung des Gerichts sein berufsvorbereitendes Jahr in Salzwedel beenden und muss zusätzlich bis Dezember 200 gemeinnützige Arbeitsstunden leisten. Der dritte Angeklagte, der bereits dreimal wegen Sachbeschädigung, Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor Gericht stand, muss 500 Euro in zehn monatlichen Raten an den Förderverein der Klötzer Purnitzgrundschule zahlen. Der 19-Jährige hatte erst im August seine Lehre begonnen. „Sie sind vorgegangen wie Verbrecher – planmäßig, überlegt“, so Bormann zu den Jugendlichen nach dem Urteil.