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Benefiz Betreten auf eigene Gefahr

Ein Benefiz-Grillen fand an der alten Gardelegener Konservenfabrik statt. Mit den Spenden sollen Steuerschulden beglichen werden.

Von Cornelia Ahlfeld 30.06.2019, 23:00

Gardelegen l Betreten auf eigene Gefahr – der Hinweis auf den Flyern war angebracht. Denn ganz gefahrlos lassen sich die Räume der Ersten Altmärkischen Konservenfabrik nicht betreten. Verfall allerorten. Während das vordere Gebäude an der Letzlinger Landstraße noch einigermaßen in Schuss ist, ist das hintere Gebäude zum Vogelsangweg wahrscheinlich ein Fall für die Abrissbirne. Das Dach ist komplett mit Asbest bedeckt. Decken sind eingestürzt. Einige Bereiche hat sich die Natur schon erobert. Jedermann war eingeladen, sich die Fabrik anzuschauen und sich nebenbei noch eine Bratwurst schmecken zu lassen. Nur einige wenige Neugierige waren der Einladung zum Benefiz-Grillen gefolgt.

Allerdings hatte Jürgen Mistelsky auch nicht wirklich mit großem Andrang gerechnet und auch nicht mit einer großen Spendenbereitschaft. Aber immerhin, zwei Tische und einige Stühle standen bereit, und auch eine Spendenbüchse hatte Mistelsky gebastelt. Der Mann aus Berlin ist Bevollmächtigter des Eigentümers der Immobilie, Klaus Schwarz. Er handelt nun in seinem Auftrag. „Er ist nervlich am Ende und hat große finanzielle Sorgen“, so Mistelsky. Und nun versuche die Stadt auch noch, ihm das Geld aus der Tasche zu ziehen.

Es geht um Grundsteuerschulden und Gerichtskosten von knapp 10.000 Euro, wie Mistelsky errechnet hat. Die Stadt als Gläubigerin habe die Zwangsvollstreckung auf den Weg gebracht. Gerichtstermin ist am 11. Juli. Laut einem Gutachten liegt der Verkehrswert für die Immobilie immerhin noch bei 191.000 Euro. Das Mindestgebot liegt bei einem Euro. Eine erste Zwangsversteigerung habe Schwarz 2017 abwenden können. „Er hat damals denkmalgeschützte Glassteine aus der Fabrik verkauft. Ein Stein kostete 20 Euro. 250 hat er verkauft, um die Steuerschulden zu bezahlen. Das war eine Verzweiflungstat. Was sollte er denn machen?“, fragt Mistelsky. Als nächstes kommen nun Fenster und Steine aus der Fabrik dran, um die „Steuergier“ zu befriedigen. Die Stadt sollte lieber helfen.

Klaus Schwarz habe die Immobilie 2010 für 3500 Euro ersteigert. Und damals habe auch alles ganz gut ausgesehen. In Berlin gebe es einen gemeinnützigen Verein namens Tast. Und der habe seinerzeit einen zahlungskräftigen Sponsoren gehabt. „Und der wollte das hier alles übernehmen und ein Referenzobjekt daraus machen“, erzählt Mistelsky im Volksstimme-Gespräch. Leider sei der Sponsor vor zwei Jahren gestorben. Schriftlich fixiert wurde nichts, und Geld gab es auch nicht. Und mit dem Verein, der sich laut Facebook-Eintrag in der Integration von Flüchtlingen engagieren soll, habe sich Schwarz überworfen.

„Und jetzt haben wir das Problem“, so Mistelsky. Niemand würde Schwarz helfen, deswegen habe er das 2018 übernommen und von Schwarz eine Generalvollmacht erhalten. „Ich will ihm helfen“, betont Mistelsky. Geld indes habe er auch nicht. Er sei Hartz-IV-Empfänger, stünde kurz vor der Rente. Beruflich käme er aus dem kaufmännischen Bereich, habe aber alles Mögliche probiert, sei selbstständig mit einem Zeitungsladen gewesen, habe als Theatertechniker gearbeitet.

Jetzt aber will er nun Schwarz unterstützen und die Immobilie vor der Zwangsversteigerung retten und vor allem will er sie erhalten und einer Nutzung zuführen. Sicherlich werde das Jahre dauern, weiß der 64-Jährige. Aber es sei zu schaffen. Etwa über eine gemeinnützige Organisation und unter seiner Regie. Geld bringen sollen Trödelmärkte, Vermietung von Räumen an Handwerker – so für um die 20 bis 50 Euro pro Monat. Handwerker könnten sich dann dort ein Büro einrichten und sich eine Existenz aufbauen. „Erlebnisgaststätte, Kindergarten, Solarplatten auf dem Dach – alles ist hier möglich“, meint Mistelsky. Aber dazu brauche er eben Hilfe von vielen Menschen. Und wie will er die drohende Zwangsversteigerung bis zum 11. Juli abwenden? Mistelskys Blick geht zum Himmel, und der ist leuchtend blau am Sonnabend. Er hoffe quasi auf den lieben Gott und auf viele glückliche Zufälle, die ihm helfen, das Objekt zu retten. Und wenn nicht? „Vielleicht biete ich am 11. Juli auch einen Euro.“