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Brauerei „Bier brauen? Das ist wie kochen“

Steffen Kleine - ein junger Letzlinger, der auszog, um Bierbauer zu werden, und in die altmärkische Heimat zurückkehrte.

Von Lea Weisbach 11.12.2020, 23:01

Gardelegen l „Wie, du willst Bierbrauer werden? Das ist doch ein Witz?“. Diese Worte hat Steffen Kleine, als er sich für eine Ausbildung zum Mälzer und Brauer entschieden hat, öfter gehört.

Der 22-Jährige lebte bis zu seinem dritten Lebensjahr in der Nähe von Kassel, bis er mit seinen Eltern und seiner Schwester in den Ortsteil Letzlingen der Hansestadt Gardelegen zog. Schon während seiner Schulzeit überlegte er, welcher Beruf zu ihm passen könnte. Eines Tages, nachdem er sein Abitur bestanden hatte, saß er mit einem Freund zusammen, der „aus Jux“ meinte, dass man in Bayern sogar Bierwesen studieren könne. Wenn man den Altmärker kennt, dann weiß man, dass er ein großes Faible für den Gerstensaft hat. Er probierte sich durch viele Biere kleiner Brauereien und war fasziniert von der Vielfalt. An sich würde er sich selbst jedoch als „klassischen norddeutschen Pilstrinker“ bezeichnen. Selbst in dem Steckbrief seiner Abizeitung steht, dass sein Lebensmotto: „Bier geht immer!“ sei.

Also informierte sich Kleine über den Studiengang, stellte jedoch schnell fest, dass ein Studium für ihn zu theoretisch ist. Das Thema hat ihn jedoch so angesprochen, dass er im Jahr 2016 eine Ausbildung zum Mälzer und Brauer angefangen hat. „Circa zehn Bewerbungen von Stralsund bis Frankfurt am Main habe ich geschrieben“, berichtet der Letzlinger. Dabei habe er sich jedoch nicht in der Altmark beworben, da die Brauereidichte in der Region eher gering sei. Drei Unternehmen meldeten sich bei Kleine zurück. So auch sein damaliger Ausbildungsbetrieb, die Binding Brauerei in Frankfurt am Main, welche zur Radeberger Gruppe gehört. Während eines einwöchigen Praktikums konnte er überzeugen und im September 2016 mit seiner Ausbildung beginnen.

Während seiner Lehrjahre gab es nicht einen Tag, an dem er Langeweile verspürte. Die Ausbildung war chronologisch aufgebaut. Er habe jede Abteilung, vom Sudhaus über die Produktion bis hin zur Abfüllung, kennengelernt. Die Arbeit in seiner Ausbildungsstätte wechselte sich mit der Berufsschule ab. Im ersten Lehrjahr stand vor allem die Malz- und Würzeherstellung im Vordergrund. Gärung, Filtration und auch das Thema Wasser prägten sein zweites Lehrjahr, wobei sich Kleine „bei all den Formeln, wie im Chemieunterricht“ fühlte. Das dritte Lehrjahr konnte der Altmärker verkürzen und sich neben dem selbstständigen Lernen der Abfüllungsprozesse, gut auf seine Abschlussprüfungen vorbereiten.

Drei theoretische und fünf praktische Prüfungen musste Kleine über sich ergehen lassen, die er jedoch mit Bravour bestand und damit seine Ausbildung erfolgreich abschloss. Er könne sich auch vorstellen, seinen Meister oder Techniker zu machen. Dies würde die Zeit jedoch zeigen.

Nachdem der Letzlinger noch sieben weitere Monate in der Binding Brauerei arbeitete, ließ er sich etwas Zeit, um eine neue Arbeitsstelle zu finden. Er wollte nichts überstürzen und sich für die richtige Brauerei entscheiden. Schon während seiner Ausbildung, besonders im Technikum, bemerkte er, dass ihm die Arbeit in einer kleineren Brauerei mehr Spaß mache und er dort freier sei. In dieser Zeit lebte er bei seiner Oma in Kassel, wo auch heute noch seine eigene kleine 50-Literbrauanlage steht.

Also sammelte er Informationen über diverse Brauereien in ganz Deutschland. Dabei ist er auf die Gardelegener Braugesellschaft mbH & Co. KG gestoßen. Jens und Lars Vogel, die bereits zum Hansefest 2019 in Gardelegen den 1356 Spezial Hanse-Urtrunk in Zusammenarbeit mit der Hansestadt Gardelegen und der Brauerei Schulzens in Tangermünde entwickelten, suchten einen Brauer für ihren eigenen Betrieb. Daraufhin bewarb sich Kleine und setzte „alles auf eine Karte“.

Im März 2020 wurde er zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Vogels suchten einen Mitarbeiter, der die Region kennt und vor allem auch bereit wäre, auf Dauer in Gardelegen zu arbeiten, um die Bierbrautradition der Hansestadt wieder aufleben zu lassen. Die Brüder und Kleine verstanden sich gut und waren auf einer Wellenlänge, sodass er schon im März eine Zusage für den Job bekam. Der Arbeitsbeginn des Letzlingers war jedoch erst im September, da die Brauerei noch in der Entstehungsphase war. Auch bis zum heutigen Tag ist die Brauerei noch nicht einsatzfähig. Der 1356 Spezial Hanse-Urtrunk wird momentan noch in Tangermünde hergestellt.

Im Frühjahr 2021 soll das erste Bier in Gardelegen gebraut werden – das wird dann die Hauptaufgabe von Kleine sein. Aber auch die Entwicklung neuer, vor allem saisonaler Biersorten gehört zu den Aufgaben des 22-Jährigen. Dass er sich dann „austoben kann“, aber eben auch sein Handwerk unter Beweis stellen könne, freut ihn sehr.

Er selbst sagt, dass er sein „Hobby zum Beruf“ gemacht hat, und dass er sich auch vorstellen könne, bis zur Rente in der Gardelegener Brauerei zu arbeiten. Außerdem fügt er hinzu, dass es wichtig sei, die Altmark wieder attraktiver zu machen. Bier spräche eine weitläufige Altersgruppe an und vereine im Endeffekt auch viele Menschen miteinander. Es wäre schade, so Kleine, wenn das Jahrhunderte alte Bierbrauerbe Gardelegens in Vergessenheit geraten würde.

Besonders interessant für den Altmärker ist es, dass er viele Einblicke in den Entstehungsprozess der Gardelegener Brauerei erhält. Auch seine Expertise, beispielsweise hinsichtlich der Brauanlage, war immer wieder gefragt, da er der Einzige vom Fach ist.

„Bier brauen ist wie kochen. Man hat zwar nur vier Zutaten, Wasser, Hopfen, Hefe und Malz, kann aber sehr viel daraus machen“, erklärt der Letzlinger. Genau das liebe er an seinem Beruf. Die Bierbrauerei kombiniere die Möglichkeit des Experimentierens mit dem handwerklichen Geschick.

Einen Tipp wolle Kleine den Brau-Azubis mit auf dem Weg geben: „Immer den Hahn bei einem Drucktank zudrehen, wenn man die Klappe öffnet.“ Sonst erginge es ihnen wie ihm, als an einem kalten Januar Morgen im Jahr 2018 200 bis 300 Liter Bier auf den müden und leicht erkälteten Altmärker schossen und sich in dem Keller seines damaligen Ausbildungsbetriebes verteilten. Das war ein guter Start ins neue Jahr.