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Drogenplantage Eine Cannabis-Gärtnerin vor Gericht

Um Schicksalsschläge und eine Cannabis-Plantage drehte sich ein Fall vor dem Amtsgericht Gardelegen - das war fast serienreif.

31.08.2020, 07:55

Gardelegen/Kalbe l Als Drogenfahnder im Juli 2019 in einem kleinen Kalbenser Ortsteil anrückten, war ihr Fund beachtlich: Etwa 1000 Cannabispflanzen wurden sichergestellt – eingelagert oder professionell angebaut. Die Betreiberin – eine 58-jährige Invalidenrentnerin, zweifache Mutter und ehemalige Gärtnerin – musste sich nun vor dem Amtsgericht Gardelegen verantworten.

Zur Verhandlung stand der Anbau von Betäubungsmitteln ohne Genehmigung sowie illegaler Besitz und Verkauf der Drogen. Anbau und Besitz gab die Angeklagte unverblümt in einer vorgelesenen Erklärung zu. Den Verkauf stritt sie entschieden ab. Nach ihrer Aussage diente das Cannabis dem Eigenbedarf und als Vorrat.

Die Vorgeschichte begann mit einem schweren Unfall, in den die Angeklagte Ende 2017 verwickelt wurde: „Mir ist so ein Arschloch“ – den Kraftausdruck verbesserte sie kurzfristig – „ein junger Mann hinten reingefahren.“ Hände und Knie wurden dabei stark beschädigt, das zeigten auch die Gehhilfe und Verbandschienen, mit denen die Angeklagte zur Verhandlung erschien.

Bei der anschließenden Therapie hätten sie Opiate „ganz high“ gemacht, sie merkte aber, dass sie mit CBD – einem Wirkstoff aus Hanfpflanzen – „wunderbar zurechtkam“. Diesen hätte sie auch medizinisch verschrieben bekommen, hätte aber ein halbes Jahr warten und die Kosten selbst tragen müssen – ihre Krankenkasse würde sie nicht übernehmen.

Spätestens beim nächsten Schritt dürften Kenner einschlägiger Fernsehserien ein paar Parallelen erkennen, wenn sie Chemie durch Botanik ersetzen: Die Angeklagte entschied sich, die Wunsch­droge einfach selbst herzustellen – die eigene Berufserfahrung half dabei: „Ich bin Gärtnerin. Das sind Pflanzen. Ich bau’ das selber an.“

Als ausgebildete Gärtnerin konnte sie wegen der Verletzungen zwar nicht mehr arbeiten. Doch ihre Kenntnisse nutzte und erweiterte sie, um sich auf Hanfpflanzen umzustellen. Dabei probierte sie viel herum und führte Buch über ihre Fortschritte, außerdem besorgte sie sich währenddessen professionelle Ausrüstung.

Ein gewisser Stolz über das selbst angeeignete Wissen und die Erfolge klang durchaus in der Erklärung mit. Schließlich erreichte sie beachtliche Erträge: Etwa 350 Pflanzen wuchsen im Gewächshaus, der reine Anteil des Wirkstoffs THC lag laut Anklageschrift zwischen 23 und 150 Gramm. Getrocknete Pflanzen mit einem Kilo THC-Anteil lagerten im Schuppen – insgesamt war dies einer der größeren Drogenfunde in der Altmark.

Die Angeklagte kam nach der Durchsuchung und Festnahme zunächst in eine psychiatrische Einrichtung. „Die haben mich entführt!“, warf sie bei der Erklärung ihrer Rechtsanwältin ein und brach in Tränen aus. Wegen eines vermuteten Suizidrisikos wurde sie in die geschlossene Anstalt gebracht.

Auch wenn die Arbeit als Gärtnerin nicht mehr möglich war – der Hanfanbau klappte: Sie konnte ihre Opiate konsumieren: „Ich hätte ein Auto hochheben können“, so effektiv hätten diese sämtliche Schmerzen ausgeblendet. Dies führte aber auch dazu, dass ihr alles „über den Kopf wuchs“ und sie „definitiv zu viel“ anbaute, gab sie selbst zu.

Trotz ihrer durch Schmerzmittel freigelegten Kräfte, habe sie auch einige Helfer gehabt, deren Identität dem Gericht nicht bekannt ist. Diese hätten gelegentlich auch etwas Gras für sich mitgenommen, eine Ernte hätten außerdem Diebe mitgehen lassen. Verkauft habe sie aber nie etwas.

„Nehmen Sie ‘s mir nicht übel, aber ich glaube, sie haben ’s faustdick hinter den Ohren“, schilderte der Staatsanwalt seinen Eindruck der Angeklagten. Auf Handel deuteten ihm zufolge die Aufzeichnungen aus den Beweismitteln hin, die sie selbst führte, und bei Eigenbedarf wäre sie „die erste, die fünf oder zehn Kilo (Hanf, Anm. der Redaktion) für Jahre aufhebt.“ Nachgewiesen werden konnte der Verkauf jedoch nicht. Damit wurde dieser Anklagepunkt fallen gelassen, ohne ihn spielte den Ausführungen des Staatsanwaltes zufolge auch der Anbau eine kleinere Rolle.

Somit blieb der Cannabisbesitz als wichtigster Punkt übrig – und die Frage der angemessenen Strafe. Der Staatsanwalt beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die aber – wegen der besonderen Umstände ihrer Verletzungen und fehlender Vorstrafen – auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Zudem sollte sie die Kosten des Verfahrens tragen, die eingezogenen Beweismittel – darunter Pflanzen, Bargeld und Ausrüstung – sollten einbehalten werden.

Mit letzterem erklärte die Angeklagte sich einverstanden, ihre Anwältin schloss sich den Ausführungen an. Doch selbst sie musste bei ihrer Klientin anmerken: „Sie sind schon eine Marke.“

Richter Axel Bormann bestätigte die zweijährige Haftstrafe mit dreijähriger Bewährung. Die Angeklagte muss die Kosten des Verfahrens tragen. Auch er ließ die Sache nicht unkommentiert, sagte der Angeklagten eindeutig: „Ich glaube Ihnen nur die Hälfte.“ Dass sie Handel betrieb, davon ginge auch er aus.

Die Frau verzichtete auf Revision. Das Urteil ist damit rechtskräftig. Die Plantage wird dafür bei kommenden Verhandlungen eine Rolle spielen: Bei einem Prozess am Erfurter Landgericht, der seit Juli läuft. Bei diesem geht es um eine internationale Drogenbande mit möglicher Verbindung nach Kalbe. Ein Urteil dazu wird nicht vor Herbst erwartet.