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Jugendamt Immer noch nicht zurück bei Mama

Im März nahm das Jugendamt des Altmarkkreises den Säugling einer Gardeleger Familie in Obhut. Das Kind lebt weiter in einer Pflegefamilie.

Von Gesine Biermann 06.08.2016, 03:00

Gardelegen l Das kleine Kinderbettchen im Wohnzimmer nimmt er schon gar nicht mehr wahr. Dass er einen kleinen Bruder hat, weiß der fünfjährige Marc zwar – Mama besucht ihn ja jede Woche. Aber zu seinem Leben gehört der sechs Monate alte Jonas eigentlich nicht.

Seit dem 13. März lebt der jüngste Sohn von Christin S. bei einer Pflegefamilie (Volksstimme berichtete am 26. März). Das Jugendamt hatte den damals fünf Wochen alten Säugling in Obhut genommen, weil der Junge mehrfach unklare blaue Flecken aufwies, deren Herkunft bis heute ungeklärt ist. Vergeblich hatte die junge Familie darum gekämpft, dass sie ihr Kind wiederbekommt, wie es das Jugendamt zu Beginn auch mehrfach in Aussicht gestellt hatte.

Stattdessen gab es das Angebot an die Mutter, gemeinsam mit beiden Söhnen in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu ziehen – allerdings ohne den Lebenspartner und Vater des kleinen Jonas, Sebastian L.. Das hätte in der Folge bedeutet, dass die Familie – zumindest für ein halbes Jahr – auseinandergerissen worden wäre. Für Christin S. und ihren Freund war das Angebot des Jugendamtes deshalb keine Option – zumal beide immer wieder beteuerten, ihr Kind nicht wissentlich verletzt zu haben. Doch das Jugendamt hatte ganz offensichtlich die größeren Zweifel an den Erziehungsfähigkeiten des jungen Vaters. Ein Angebot, das ihn einbezog, fand sich nicht.

Aber genau das führte schließlich auch zur privaten Trennung des Paares: „Ich hatte damals überlegt, das Angebot des Jugendamtes vielleicht doch anzunehmen“, schildert Christin S. der Volksstimme. Die Sehnsucht nach ihrem jüngsten Sohn war groß. Darüber, dass er außen vor bleiben sollte, hätte sie sich mit ihrem Freund dann aber heftig gestritten, erzählt sie. In der Endkonsequenz sei er ausgezogen, lebe nun in einer anderen Stadt

Seit Monaten schon ist Christin S. nun also wieder allein mit dem fünfjährigen Marc. Mittlerweile könnte sie das Angebot des Jugendamtes auf eine Familienbetreuung für sich und beide Söhne annehmen, ohne ihren Partner vor den Kopf zu stoßen. Indes: Das Amt hat seinen Vorschlag zurückgezogen, obwohl es – außer der Trennung – keine neuen Erkenntnisse gibt. Stattdessen habe das Amt Klage eingereicht, erzählt Christin S..

„Ohne richterlichen Beschluss können sie mir Jonas ja nicht wegnehmen.“ Und auf richterlichen Beschluss soll nun eben das Familiengutachten einer Psychologin die Erkenntnis bringen, ob Christin S. ihren kleinen Jonas wieder selbst betreuen kann. Angeordnet worden sei das im Amtsgericht Gardelegen, im April. Gespräche habe es daraufhin auch schon gegeben, erzählt Christin S., sowohl mit ihr, als auch mit dem fünfjährigen Marc. „In drei Monaten sollte das Gutachten fertig sein.“ Der letzte Kontakt war im Juni. Mittlerweile ist August. Deutschlands bürokratische und gesetzliche Mühlen mahlen langsam.

Doch für die junge Mutter bedeutet jeder Tag, der verstreicht, dass sie wieder einen kleinen Schritt in der Entwicklung ihres Jüngsten verpasst. Ein halbes Jahr ist ihr Baby mittlerweile alt, aber immer noch ist es eine fremde Frau, die ihm das Fläschchen gibt, mit ihm schmust. Schwer zu ertragen für die 25-Jährige, obwohl sie die Pflegemutter selbst als „sehr nett“, empfindet.

Unverständlich für Christin S. ist aber vor allem, dass sie ihr Baby weiterhin nur insgesamt 30 Minuten in der Woche sehen darf. Und zwar stets unter Aufsicht der Pflegemutter. „Der Umgang soll nur beim Jugendamt stattfinden und aus organisatorischen Gründen kann dies nicht öfter sein, da sie ja noch andere Termine haben“, habe man ihr im Gardeleger Jugendamt gesagt. „Auch als ich gefragt habe, ob es eine Möglichkeit gibt, das meine Mutter Jonas mal sehen darf – aufgrund von Durchblutungsstörungen kann sie nämlich nicht gut gehen – haben die abgewehrt.“ Dies sei momentan nicht möglich, „weil der Umgang nur im Jugendamt stattfinden soll“, habe ihr die Mitarbeiterin geantwortet.

Im Jugendamt streitet man das jedoch ab: „Die beschränkte Umgangszeit ist nicht organisatorisch begründet und hat nichts mit beschränkter Raumnutzung zu tun“, heißt es in einer Antwort, die Pressesprecherin Birgit Eurich übermittelt. Das Jugendamt habe vielmehr „aus sozialpädagogischer Sicht eine interne Entscheidung zur Dauer des begleiteten Umgangs getroffen. Die Gründe unterliegen dem Sozialdatenschutz.“ Außerdem sei der Mutter die bestehende Regelung vorgeschlagen worden, und sie sei einverstanden gewesen.

Nun, offensichtlich sieht Christin S. das nicht ganz so. Sie fühlt sich nicht nur wie eine Ameise im Kampf gegen einen riesigen Gegner, sie fühlt sich auch schlecht, weil man ihr zutraut, dass sie ihr eigenes Kind misshandelt, sobald niemand hinschaut. Dabei erzieht sie seit fünf Jahren ihren ältesten Sohn, der offenkundig ein fröhlicher kleiner Junge ist, allein.

Das Jugendamt jedoch will das Gutachten abwarten, obwohl der Vater des Kleinen – von Anfang an am misstrauischsten vom Jugendamt beäugt – nicht mehr in der Familie lebt, bleibt es bei der extrem verschärften Umgangsregelung. Sie könne jetzt nur hoffen, dass diese Trennung ihrem Kind nicht schadet, sagt Christin S. Denn mittlerweile sei Jonas schon sehr aufmerksam, beobachte seine Mama genau bei den Besuchen – immerhin eine halbe Stunde lang.