Bürgerin beobachtete Hundangriff auf Schwäne, doch die Stadt kann derzeit nicht dagegen vorgehen Mein lieber Schwan: Keine Gefahrenabwehr in der Stadt
Einen Kampf zwischen einem Schwan und einem unangeleinten Hund erlebte vor wenigen Tagen die Gardelegerin Ingeborg Köhn. Wütend über so viel Unvernunft der Hundehalter rief sie in der Redaktion der Volksstimme an. "Wird denn die Anleinpflicht nicht kontrolliert?" fragt sie. Doch anscheinend passiert das tatsächlich nicht. Der Grund: Es gibt gar keine Rechtsgrundlage.
Gardelegen. Ingeborg Köhn aus Gardelegen schaut regelmäßig nach den Wasservögeln am Gardeleger Stadtgraben. Vor allem die Schwäne hat sie gern, freut sich in jedem Jahr aufs Neue über deren Nachwuchs. Vier Junge sind es diesmal, die das Schwanenpaar großzieht. Die sind auch schon fast so groß wie die Eltern. Aber immer noch passen die natürlich auf ihre Kinder auf. Und wie es aussieht, in diesem Jahr besonders aufmerksam. Sie habe es schon des Öfteren gehört, sagt Ingeborg Köhn: Die Schwäne seien derzeit besonders aggressiv.
Daran allerdings seien doch wohl eher die Menschen schuld, sagt Köhn. Der Ärger über die am Dienstagabend erlebte Szene ist ihr noch deutlich anzumerken. Denn da sei sie abends gegen 20 Uhr am Teich spazierengegangen, erzählt die Gardelegerin, und habe beobachten müssen, dass "ein jugendliches Pärchen seinen großen schwarzen Hund von der Leine gelassen und das Tier dann auf die Schwäne gehetzt hat". Von dem Kampf, der sich daraufhin mit dem Schwanenmännchen ergeben habe - "die Mama hat sich mit den Jungen gleich ins Wasser zurückgezogen" - hätten die jungen Leute dann auch noch Fotos mit ihrem Handy gemacht.
Ingeborg Köhn reagiert umgehend: "Ich bin hingegangen und habe die jungen Leute aufgefordert, sofort ihren Hund zurückzurufen." "Der will ja nur spielen", hätte sie da zur Antwort bekommen. Wie ein solches "Spiel" ausgehen könne, sei leicht vorstellbar, so Köhn. "Wie schnell ist so ein Schwanenhals durchgebissen." Sie habe das Paar deshalb auf die Leinenpflicht in der Stadt hingewiesen, erzählt Köhn. Der junge Mann sei daraufhin frech geworden. Allerdings rief das Pärchen ihr Tier dann zurück.
"Zum Wall kommt niemand, um die Hundehalter zu kontrollieren"
Glücklicherweise sei den Schwänen nichts passiert, ist Köhn erleichtert. Doch so viel Unvernunft und Rücksichtslosigkeit habe ihr die Sprache verschlagen. Sicher, "die Allermeisten halten sich an Regeln". Doch die, die es nicht tun, fühlten sich augenscheinlich sicher, mutmaßt sie. Denn offensichtlich werde die Anleinpflicht nie kontrolliert. Sie habe das jedenfalls noch nie beobachten können. "Die Politessen verteilen zwar Strafzettel an Autofahrer, aber hier zum Wall kommt niemand, um die Hundehalter zu kontrollieren."
Und das ist tatsächlich so. Denn derzeit hat die Stadt gar keine Rechtsgrundlage, um die sogenannte Leinenpflicht anzumahnen, geschweige denn mit einem Ordnungsgeld zu belegen. Denn die Gefahrenabwehrsatzung der Stadt ist seit geraumer Zeit außer Kraft, eine neue noch nicht verabschiedet.
"Wir sind noch nicht so weit in der Planung", erklärt Ordnungsamtsleiter Heiko Hirsch am Donnerstag auf Anfrage der Volksstimme. Eine neue Satzung zu erarbeiten, sei auch "gar nicht so einfach". So müsse überlegt werden, "ob wir bestimmte Dinge wieder aufleben lassen", andere sollten hinterfragt werden. Die Anleinpflicht wiederum sei durch entsprechende Gerichtsurteile ja bereits "aufgeweicht", so Hirsch.
Ausgelaufen war die Satzung, in der auch viele weitere Bereiche, wie das Abbrennen von Feuern, die Plakatierung an öffentlichen Straßen oder die Verkehrssicherheit und Verschmutzung von Plätzen oder Bürgersteigen geregelt werden, bereits im vergangenen Jahr. Und zwar nach zehnjähriger Laufzeit. Ein halbes Jahr gilt die Verordnung dann schließlich übergangsweise weiter. Dann erst tritt sie außer Kraft. Und genau dieser Fall ist nun in Gardelegen eingetreten.
Ein Problem ist das laut Heiko Hirsch indes nicht. Denn eine Gemeinde habe "theoretisch nicht die Pflicht", eine Gefahrenabwehrverordnung zu erlassen. "Es gibt ja auch geeignete Gesetze." In Fällen wie dem des angegriffenen Schwanes müssten die Bürger also Anzeige erstatten. Natürlich auch, wenn sie sich selbst von einem unangeleinten Hund bedroht fühlen würden. Theoretisch möglich wäre in diesem Fall allerdings noch, dass das Ordnungsamt der Stadt, von der Polizei über den Vorfall informiert, den entsprechenden Vierbeiner als gefährlichen Hund einstuft. Denn auch das darf das Ordnungsamt. Allerdings erst, nachdem es schon zu einer Beißattacke gekommen ist.
"Wir haben im Moment Wichtigeres zu tun"
Den Einwand von Ingeborg Köhn, dass die Stadt mit einer regelmäßigen Kontrolle der Leinenpflicht ja auch deutliche Zeichen setzen würde, dass sie sich um ihre Bürger sorgt, bestätigt Hirsch zwar. Doch wie gesagt: Derzeit gibt es für solche Kontrollen keine Rechtsgrundlage. Ein Grund dafür, dass die Satzung noch nicht erneuert wurde, sei auch die Gebietsreform, erläutert Hirsch. Denn mit den neuen Gemeinden habe sich auch das Gebiet verändert, für das die Satzung gelten müsse. "Und wir haben im Moment Wichtigeres zu tun."
In der Kreisstadt Salzwedel scheint man diese Probleme indes nicht zu kennen. Erst Mitte Dezember 2010 war hier eine neue Gefahrenabwehrverordnung verabschiedet worden. "Man weiß ja lange vorher, wann die Satzung ausläuft. Dann bereitet man sich eben schon mal darauf vor", sagt Horst Fünfhausen, Sachgebietsleiter Katastrophenschutz in der Salzwedeler Stadtverwaltung. Auch die Problematik der Gebietsreform sieht Fünfhausen nicht. "Wir wussten doch, dass verschiedene Orte dazukommen", sagt er. "Die Satzung gilt für das ganze Gebiet." Ab dem 1. Januar also auch für die zwangseingemeindeten Ortschaften. Jedenfalls für die Salzwedeler.