Der Mann mit der Mundharmonika und seine Freunde begeisterten gestern Nachmittag das Kalbenser Publikum Michael Hirte: "Ich spiele in allen Sprachen"
Manchmal ist er unfreiwillig komisch. Aber die Menschen lachen Michael Hirte nicht aus, sondern an. So wie gestern Nachmittag in Kalbe, wo der Mann mit der Mundharmonika auch andere Künstler neben sich glänzen ließ.
Kalbe. "Ich habe mir vor drei Tagen das Knie verdreht", sagt Michael Hirte, als er, auf einen Holzstock gestützt, die Bühne des Kalbenser Kulturhauses betritt. Dieser Anblick erzeugt ein wenig Mitleid. Doch das ist gleich wieder verschwunden, als Hirte hinterherschiebt: "Ein Schnupfen wäre schlimmer gewesen. Dann hätte ich nicht spielen können."
Und wie er spielen kann! Auf seinen winzigen Instrumenten - der Künstler besitzt Dutzende Mundharmonikas - erzeugt er nämlich nicht nur Melodien, sondern auch Rhythmen. Das mache er, erzählt er, indem er die Zunge ständig bewege. Sie schließe die Öffnungen der Mundharmonika und mache sie wieder auf. So klingt Hirte wie sein eigenes Orchester.
Doch in Kalbe wird er von einer tollen Liveband begleitet. Die muss manchmal auch aushelfen, wenn ihm nicht gleich die Melodie einfällt, die er spielen soll. "Ich kann nämlich keine Noten lesen", verrät Michael Hirte. Der Programmzettel, der am Mundharmonika-Kasten hängt, hilft auch nur bedingt weiter. "Machmal schaue ich drauf. Dann setze ich mich ans Mikrofon - und dann habe ich schon wieder vergessen, was ich spielen wollte", erzählt der Künstler.
Es ist nicht nur Schusseligkeit, die er da an den Tag legt, sondern auch Aufregung. Drei Jahre nach seinem Sieg beim "RTL-Supertalent" ist sie noch immer nicht verflogen.
Doch aufgeregt sind in Kalbe auch andere. Sängerin Simone Oberstein, die noch vor gar nicht langer Zeit als Straßenmusikerin auf der Kölner Domplatte auftrat, hat sich Teile ihrer Texte auf die Handflächen geschrieben. Sicher ist sicher. Dabei könnte die Frau auch das Telefonbuch vorsingen und würde die Menschen dennoch mit ihrer Stimme verzaubern. Auch Michael Hirte, der für sich in Anspruch nimmt, die Frau entdeckt zu haben, ereilt eine wohlige Gänsehaut nach der anderen, als Simone Oberstein erst "The Rose" von Bette Midler und dann "I Will Always Love You" von Whitney Houston singt. Selbt der rastagelockte Techniker, der eben noch hinter der Bühne in sein Funkgerät gesprochen hat, bleibt plötzlich stehen und lauscht versunken.
Mit Stimme hat zuvor aber auch schon ein anderer für Stimmung gesorgt. Denn in Kalbe gibt es diesmal den doppelten Michael. "Ich habe mir extra ein helles Hemd angezogen, damit sie uns auseinanderhalten können", scherzt Michael Hirte, als er Sänger Michael Holderbusch begrüßt. Der Mann, der 2010 Zweitplatzierter beim "RTL-Supertalent" wurde, ist ein wuchtiger Typ. "Ein Bär", wie er selbst von sich sagt. Es sind vor allem englische Songs von Rod Stewart und Chris Norman, die er in Kalbe präsentiert. "Ich hingegen spiele in jeder Sprache", sagt Michael Hirte. Und manchmal singt das Publikum sogar mit. Als "Lili Marleen" von Lale Andersen erklingt, leuchtet dabei nicht nur die Laterne auf der Bühne.