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Busunternehmen Protest-Hupkonzert in Berlin

Eine ganze Branche fühlt sich allein gelassen von der Politik: die Busreise-Unternehmen. Sie wollen in Berlin protestieren.

Von Cornelia Ahlfeld 12.05.2020, 18:51

Lindstedt l Man kann es schon als Traditionsunternehmen bezeichnen. Gegründet 1954 von Fritz und Gerda Schlüsselburg und seit 2013 geführt von Christoph Schlüsselburg, Enkelsohn des Firmengründers – ein Familienbetrieb in dritter Generation mit Sitz in Lind-stedt. Seit Beginn an arbeitet das Unternehmen auch in der Reisebranche. Angefangen mit Tages- und Mehrtagesfahrten sind die Altmärker-Busse mit Partnerunternehmen heute weltweit unterwegs. Von April bis Oktober läuft für diese Branche die Hauptsaison. Seit dem 16. März allerdings stehen die Busse still. Keine Fahrten, keine Gäste, fehlende Einnahmen, aber Ausgaben, die weiter laufen. Mit der Verordnung der Bundesregierung zur Corona-Pandemie gibt es quasi seit Mitte März keinen Tourismus mehr.

„Wie es jetzt aussieht, sind wir die ersten, die dichtmachen mussten und die letzten, die wieder starten können“, schätzt Christoph Schlüsselburg ein. Es gehe nicht um die Verordnung an sich. „Das bemängeln wir nicht. Das Wohl unserer Gäste liegt uns am Herzen, das ist für uns wichtig“, betont Schlüsselburg. Was die Branche kritisiert, ist die fehlende Unterstützung seitens der Politik. „Es gibt für uns keine Direkthilfe des Bundes, und keinen Plan. Niemand sagt uns, wie es weitergehen soll“, kritisiert Schlüsselburg. Ein privates Busreise-Unternehmen habe in der Regel drei Standbeine. So auch die Schlüsselburg Touristik. Das erste Standbein ist der Linienbusverkehr. Hier bedient das Lindstedter Unternehmen Linien im Bereich Bismark-Gardelegen und Kalbe-Bismark. Dazu kommt der Schulbusverkehr. Auftraggeber dafür ist die Personennahverkehrsgesellschaft des Landkreises (PVGS). „Die haben uns nicht fallengelassen.

Und dafür sind wir auch sehr dankbar. Die PVGS ist für uns ein verlässlicher Partner“ betont der 37-jährige Firmenchef. Aufgrund dessen habe er auch keinen seiner elf Mitarbeiter in die Kurzarbeit schicken müssen. Das zweite und wichtigste Standbein sei der Reiseverkehr, der seit dem 16. März komplett eingestellt werden musste. „Und damit ist auch unsere Haupteinnahmequelle weggebrochen. Also das, was wir seit fast 70 Jahren machen. Wir heißen schließlich Schlüsselburg Touristik und nicht Schlüsselburg Linie“, macht Schlüsselburg deutlich. Das dritte Standbein sei die Vermietung von Bussen, etwa für Klassenfahrten, Betriebs- und Vereinsfahrten. Auch die stehen in der Regel, weil Reisen im touristischen Sinn nicht möglich sei. Diese Busse seien nur im Einsatz im Rahmen des Schienenersatzverkehrs in der Altmark. Dafür sei das Lindstedter Unternehmen Hauptauftragnehmer der Bahn für diese Region.

Das Jahr sei gut angelaufen. Das Unternehmen habe knapp 11 000 Stammkunden. Jährlich seien 4500 Gäste mit der Schlüsselburg Touristik unterwegs. Eine Woche vor Corona hatte Christoph Schlüsselburg 40 Frauen nach Suhl gefahren – eine Frauentagsausfahrt. Nach der Rückkehr sollte es am 14. März gleich wieder weiter gehen nach Polen. Mit der Schließung der polnischen Grenzen hatte sich diese Fahrt erledigt. „Wir haben am Abend des 13. März allen abgesagt“, erzählt Schlüsselburg. Das Problem für die Busreiseunternehmen: Für die Saison würden die Unternehmen schon im Jahr zuvor quasi in Vorkasse gehen. Allein die Kataloge für das nächste Jahr kosten mit Druck und Versand 12 000 Euro. Dazu kommen Buchungen und natürlich die ganz normalen Betriebs- und Personalkosten. Ebenso müssten Kredite bedient werden. Für den neuen Bus, Baujahr 2017, habe man die Ratenzahlung aussetzen können. Zur Lindstedter Flotte gehören vier Reisebusse, fünf Linienbusse und drei Kleinbusse.

Unterdessen machen aber auch die privaten Busreiseunternehmen mobil. Nach ersten Protestaktionen in Dresden, Hamburg und Magdeburg folgt die nächste Aktion in Berlin (14.Mai). Mindestens 50 Busse werden vor dem Brandenburger Tor stehen. Erwartet werden 2000 Busse, die auf jeden Fall den innerstädtischen Verkehr für eine Zeit lahm legen werden. Und es wird ein Hupkonzert geben – von fünf vor Zwölf bis fünf nach Zwölf. Mit dabei ist auch Christoph Schlüsselburg mit seinem modernen Reisebus im auffallend kräftigen Rot. Zwölf Meter lang, aber für einen Profi keine Herausforderung im Stadtverkehr, sagt Schlüsselburg auf Volksstimme-Anfrage. Die Unternehmen fordern unter anderem vom Bund eine nicht zurückzahlbare Soforthilfe für fahrzeuggebundene Fixkosten, klare Perspektiven, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Reisen auf sieben Prozent und eine staatliche Gutscheinabsicherung. „Wer Reisen liebt, der verschiebt“, heißt derzeit die Devise. Viele Kunden des Lindstedter Unternehmens würden das so handhaben und ihrem Reiseunternehmen die Treue halten. Und dafür sei man auch sehr dankbar, betont Schlüsselburg.