Reisebericht Brausebäder in den Tod

Mitglieder des Fördervereins Gedenkstätte Isenschnibbe Gardelegen besuchten Auschwitz.

Von Torsten Haarseim 08.06.2019, 06:00

Gardelegen/Auschwitz l Am Donnerstagvormittag war das Ziel der Reisegruppe der Ort Rogoźnica (Groß Rosen) in der Nähe von Wrocław (Breslau).Dort besichtigten wir die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Groß Rosen. Es war ein Hauptlager mit fast 100 Außenlagern, die in den Jahren 1940 bis 1945 in Betrieb waren.

Direkt an das Konzentrationslager grenzt ein Steinbruch, in dem Häftlinge aus 23 europäischen Ländern Sklavenarbeit leisten mussten. Die Leichen der Opfer wurden zunächst in einem mobilen Feldkrematorium verbrannt. Später errichtete man in Groß Rosen ein massives Krematorium. Die Opferzahl des KZ Groß Rosen und der Außenlager wird auf 40.000 Menschen geschätzt. Nach dem Besuch der Gedenkstätte und dem Eintrag ins Gästebuch fuhr die neunköpfige Reisegruppe weiter nach Oświęcim (Auschwitz).

Dort trafen wir den ehemaligen Bürgermeister von Auschwitz, Janusz Marszałek, der Gardelegen auf Einladung des Fördervereins bereits zweimal besuchte. Marszałek engagiert sich nach wie vor für das Internationale Friedenszentrum in Auschwitz, an dem sich auch Gardelegen mit einem Gedenkstein und einer Spende beteiligte. Dieses bedeutsame Projekt wird jetzt auch von der jüdischen Gemeinde in Kraków (Krakau) unterstützt, die mit über 1000 Mitgliedern sehr bedeutend ist.

Am nächsten Morgen besuchten wir das Stammlager Auschwitz I. Bereits früh am Morgen, noch vor Öffnung der Gedenkstätte, warteten mehrere hundert Menschen auf Einlass. Torsten Haarseim, der schon einmal die Gedenkstätte besucht hatte, führte die Gruppe. Neben vielen Fotos und Filmaufnahmen sieht man die authentischen Orte, wie der Hungerbunker, die Haftzellen und die Erschießungswand, ebenso wie eine unüberschaubare Menge von abgeschorenen Haaren der vergasten Häftlinge, Schuhe, Kämme, Prothesen, Rasierpinsel und Koffer. Selbst wer sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt hat, ist betroffen. Tausende dieser Utensilien lassen den Besuchern dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte realisieren.

Direkt im Anschluss fuhren wir ins wenige Kilometer entfernte Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, Auschwitz II. Gerade auch hier kann man, in Ansätzen, die ganze Dimension dieser Verbrechen erahnen. Kaum ist das Ende des Stacheldrahtzaunes mit den Wachtürmen am Horizont zu sehen, so groß war dieses größte NS-Vernichtungslager.

Durch das Tor führen die Gleise mitten ins Lager. Hier wurden unmittelbar nach Ankunft der meist jüdischen Häftlinge die Selektionen vollzogen. Arbeitsfähige Häftlinge führte man in die angrenzenden Barackenlager. Die anderen Häftlinge, alte Männer und Frauen, Kranke und Schwache sowie Kinder gingen von den Rampen direkt den „Weg, den man nur einmal geht“ zu den Gaskammern und Krematorien. Dort in der Grauzone – die Gebäude, die Wege, die Bäume, die Wiesen, alles war von grauer Asche bedeckt – standen sie in langen Schlangen, bis sie die Treppen hinab zu den unterirdischen Entkleidekammern und von dort aus nackt in die sogenannten „Brausebäder“ geführt wurden …

Nach diesen traumatischen Eindrücken fuhren wir weiter in Richtung Kraków (Krakau). Am Sonnabend besuchten wir das Museum der Emaille-Fabrik Oskar Schindlers in der Stadt. Überrascht waren wir von der sehr umfassenden, dramaturgisch gestalteten, informativen Ausstellung über die NS-Zeit in Krakau, das Ghetto, und das Krakauer Konzentrationslager Płaszów. Unter anderem konnten wir dort den Schreibtisch des Buchhalters Izaak Stern und des Oskar Schindler besichtigen.

Anschließend ging es weiter zur Gedenkstätte des wenige Kilometer entfernten Konzentrationslagers Płaszów. Hier ist nur noch ein Gebäude vollständig erhalten, die Villa des Lagerkommandanten. Vom Balkon dieses Hauses erschoss der Lagerkommandant Amon Göth, „aus Langeweile“ Häftlinge. Bekannt sind diese Szenen aus dem Film von Steven Spielberg „Schindlers Liste“ aus dem Jahre 1993 und von der Lesung der Jennifer Teege, der Enkelin von Amon Göth, aus ihrem Buch „Mein Großvater hätte mich erschossen“ in der Bibliothek Gardelegen am 22. März 2014. Nach all diesen informativen und vor allem emotionalen Eindrücken fuhren wir wieder zurück.