Historisches Warum die Weteritzer Madonna fast aus dem Gardelegener Ortsteil verschwunden wäre
Einige alteingesessene Weteritzer würden gern auf „ihrem“ Friedhof im Park beigesetzt werden, doch das wird ein Wunschtraum bleiben. 1958 fand dort, im Schatten der liebreizenden betenden Madonna, die letzte Beerdigung statt. Jahre später wäre die Statue fast abhanden gekommen.

Weteritz - Viele wissen gar nicht, dass es ihn gibt – den Friedhof im Park von Weteritz. Der wird allerdings auch seit Jahrzehnten nicht mehr als Begräbnisstätte geführt. 1958 fand dort die letzte Beerdigung statt, erklärte Isolde Niebuhr, Leiterin des Gardelegener Bürgeramtes auf Nachfrage der Volksstimme. Und es sei auch nicht geplant, den Friedhof zu reaktivieren.
Diese Frage hatte nämlich Hans-Joachim Mertens, Hobbyhistoriker aus dem Gardelegener Ortsteil, gestellt. Die Idee dazu sei während eines Seniorentreffens entstanden, erzählte er, denn der Weteritzer Friedhof sei ein Kleinod mit einer Besonderheit: Seit über 100 Jahren wacht dort eine betende Madonna als Stein der Ahnen an der Familiengrabstelle der Roths über den ewigen Schlaf von Curt Roth. Dessen Bruder Hubert hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die Wirtschaft auf dem Gutshof derer von Alvensleben in Weteritz übernommen. Die Eltern Clara und Carl liegen nur wenige Meter entfernt.
Erinnerung an Gefallenen des Ersten Weltkrieges
Curt Roth, geboren am 21. September 1867 in Dohndorf bei Köthen, fiel am 16. Juli 1915, also noch zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als Königlicher Regierungsrat und Hauptmann der Reserve, in Pultusk, einer Stadt in Zentralpolen. An ihn erinnert das anmutige Monument. Die Inschrift auf dem Sockel beginnt mit „Hier ruht in Gott ein Treu Deutscher Mann“ und endet mit „Ich habe einen guten Kampf gekämpft“.
Über die Madonna gibt es eine Legende, wie der kürzlich verstorbene Heimatforscher Otto Mewes aus Jerchel und Rupert Kaiser aus Gardelegen zu berichten wussten. Sie soll nämlich von der Freundin Curt Roths, die in Magdeburg wohnte und in den Künstlerkreisen um dem bekannten Bildhauer, Grafiker und Dichter Ernst Barlach verkehrte, in Auftrag gegeben worden sein – und zwar in der Werkstatt Barlachs.
Man munkelt, dass der Künstler selbst Hand anlegte. Die gefällige, runde Figur, die Form und der Stil der Madonna sprechen dafür, einen Beweis dafür gibt es aber nicht.
Umsetzung auf den Gardelegener Wall
Dass sie immer noch auf dem Weteritzer Friedhof den Schlaf von Curt Roth bewacht, ist nicht selbstverständlich. In den 70ern gab es nämlich Überlegungen, die Sandsteinfigur auf den Gardelegener Wall umzusetzen, als dort die anderen Ummendorfer Sandsteinfiguren aufgestellt wurden. Sie hätte, so war damals die Meinung, gut dazu gepasst und wäre für die Öffentlichkeit sichtbar. Doch da es wohl an der notwendigen Technik zum Umsetzen fehlte, ließ man die Idee wieder fallen.
Otto Mewes hatte damals die Madonna im Weteritzer Park für den Kulturbund fotografiert. Und genau das stellte sich als glückliche Fügung heraus. Gegen Ende der 1980er Jahre verschwand die steinerne Dame nämlich.
Wie sich später herausstellte, war ein Bediensteter von Alexander Schalck-Golodkowski, dem Leiter des geheimen Bereichs für Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel, zuständig für den (inoffiziellen) Handel mit dem kapitalistischen Ausland, einfach mit einem Lkw zum Friedhof gefahren, hatte die Figur verladen und nach – damals noch – Westberlin geschafft. Es soll sogar noch die Rechnung über den Betrag geben, den der Bedienstete dafür bekommen hatte.
Madonna in Westberlin wiedergefunden
Damit galt die Madonna zunächst offiziell als verschollen. Doch damit wollten sich die Weteritzer nicht abfinden. Einer von ihnen, Gerhard Wachsmann, machte sich auf nach Westberlin, wohin er als 68-jähriger Rentner reisen durfte. Im Gepäck hatte er eine Fotoserie von Otto Mewes.
Das waren damals die einzigen Bilder, die von der Madonna existierten. Die Suche glich allerdings der nach der Nadel im Heuhaufen, denn Kunsthöfe gab es viele. Doch Wachsmann ließ sich nicht entmutigen und wurde am Ende wirklich in Kreuzberg fündig.
Da der Diebstahl belegt werden konnte, durfte die Madonna wieder zurück nach Weteritz. Dort wacht sie seitdem wieder über die Familiengräber der Roths. Der Gang dorthin führt allerdings über zugewucherte Wege und ist nicht so einfach zu finden.