Natalia Netzel nimmt verschiedenste Angebote im Güsener Kastanienhaus mit Freude wahr 101-Jährige ist stolz auf Sportfest-Urkunde
Noch fast genauso fit wie vor einem Jahr zum 100. hat Natalia Netzel am Sonnabend die Gratulanten zu ihrem 101. Geburtstag im Güsener "Kastanienhaus" empfangen. Auch Landrat Lothar Finzelberg überbrachte erneut Glückwünsche.
Güsen l Der Rollstuhl, auf den Natalia Netzel derzeit angewiesen ist, soll nur ein vorübergehendes Hilfsmittel sein. Das hat sich die lebensfrohe Seniorin fest vorgenommen. Sie war Ende November vergangenen Jahres gestürzt und hatte sich einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen, berichten Sohn und Schwiegertochter Erwin und Gisela Netzel. "Sie wurde in Genthin operiert und lernt jetzt wieder laufen. Sie will es auch unbedingt schaffen."
Nicht nur davon war Lothar Finzelberg, für den dies der dritte Besuch bei einem über 100. Geburtstag in diesem Jahr ist, sehr beeindruckt, sondern auch, wie Natalia Netzel die Urkunden vom Landkreis und vom Ministerpräsidenten laut vorgelesen hat. Interessiert an allem rings um sie herum ist sie nach wie vor und kommt deshalb auch gut im "Kastanienhaus" zurecht. Denn hier gibt es viele Angebote, die sie gern wahrnimmt - ob Basteln oder Sport. Kürzlich beim Seniorensportfest hat sie eine Urkunde bekommen - die erste in ihrem Leben, deshalb ist sie sehr stolz darauf. "Sie hat sich nur geärgert, dass sie wegen ihrer Verletzung nicht alles so gut hingekriegt hat", erzählt ihr Sohn. Aber mitgemacht habe sie alles, betont sie.
Die Urkunde hängt an der Wand in ihrem Zimmer neben einem großen Stammbaum mit Fotos ihrer Kinder, Enkel, Urenkel und Ururenkel. Den hat ihr die Familie zum 100. Geburtstag geschenkt - eine große Freude. Eine weitere Überraschung voriges Jahr war der Ort der Feier: "Wo wollen wir denn hier hin im Wald?" hatte sie gefragt, als es Richtung Zerben ging. Und dann staunte sie, dass sie im Zerbener Schloss feiern konnten. Dort hatte sie mit ihrer Familie mal zwei Jahre lang gewohnt, als sie 1946 als Flüchtlinge hier eintrafen. Freilich hatte damals noch alles ganz anders ausgesehen.
Geboren ist Natalia Netzel in Neu Emilien in Wolhynien, das zu jener Zeit Teil Sowjet-Russlands war. 1939 musste die Familie in den Warthegau im heutigen Polen umsiedeln. Am 16. Januar 1945 mussten sie auch dieses Gebiet verlassen und flüchteten mit Pferd und Wagen nach Deutschland. In Zerben hatten sie über die Bodenreform Land bekommen und ein Haus bauen können.
Acht Kinder hatten Natalia Netzel und ihr Mann, der bereits 1989, kurz vor seinem 85. Geburtag, verstorben ist.
Jahrzehntelang hat Natalia Netzel in der Landwirtschaft gearbeitet und hat dabei auch noch ihre acht Kinder großgezogen, von denen vier nicht mehr leben. Weiterhin gehören neun Enkel, neun Urenkel und fünf Ururenkel zur Familie.
Die harte Arbeit an der frischen Luft hat Natalia Netzel ganz offensichtlich fit gehalten, und so manchen Schicksalsschlag hat sie dank ihres Lebensmuts überwunden. So waren sich die Gratulanten am Sonnabend sich: "Wir kommen im nächsten Jahr wieder!"