Senioren bekommen ihr Mittagsmenü vom Bringedienst. Von Mike Fleske 12 bis 13 Uhr: Suppe kommt auf Rädern
24 Stunden unterwegs im Jerichower Land - 24 spannende Geschichten. Über 93000 Menschen leben und arbeiten hier. Wir haben einige von ihnen begleitet - im Streifenwagen, auf dem Bauernhof, in der JVA oder im Fitnessstudio. Zwischen 12 und 13 Uhr ist Stefanie Blankenburg auf dem Weg im Genthiner Umland und fährt das Essen auf Rädern aus.
Genthin l "Mal sehen, wer heute auf der Liste ist", sagt Stefanie Blankenburg und schaut sich die Namen auf dem DIN-A-4-Blatt an. Denn manche der Kunden bekommen nicht jeden Tag ein Menü des Bringedienstes geliefert. "Los geht\'s", sagt Blankenburg, legt den Zettel zur Seite und startet den Motor des Dienstfahrzeuges, auf dem gut sichtbar "Volkssolidarität Regionalverband Magdeburg Jerichower Land - Essen auf Rädern" steht.
Im Kofferraum des Wagens stapeln sich dutzende Styroporbehälter. Darin kleine verschweißte Menüschalen. 30 solcher Schalen wird die 36-Jährige heute ausliefern. Ein bisschen weniger als an Werktagen, denn heute ist Sonnabend. Deshalb bekommen weniger Kunden das Essen geliefert. "Oft werden die Senioren am Wochenende von ihren Kindern mitversorgt", berichtet die blonde Frau im grünen Shirt der Volkssolidarität. Auch ist heute für alle Suppentag. "Unter der Woche können die Leute aus drei Menüs auswählen."
Die Suppen hat Blankenburg fertig abgepackt am Vormittag aus der Küche der QSG im Genthiner Stadtkulturhaus geholt. Dort werden die Mahlzeiten jeden Tag frisch zubereitet. Zu den Kunden gehören Senioren über 75 Jahren, Kranke und Hilfsbedürftige. Der erste Halt in der Genthiner Gröplerstraße.
"Hallo, ich bringe das Essen", ruft Blankenburg fröhlich und tauscht beim ersten Kunden die neue Essensbox in ihrer Hand mit der leeren Schachtel von gestern, die ihr der Kunde in die Hand drückt. Schon geht es zum nächsten Eingang mit denselben Handgriffen. Neue Box übergeben, leere Box mitnehmen. Manchmal werden die Boxen vor der Tür ausgetauscht, manchmal muss Blankenburg klingeln, klopfen oder rufen, damit die Kunden wissen: "Das Essen ist da". Nach der Tour durch Genthin-Süd geht es weiter nach Brettin. Elfriede Schottstedt wartet schon auf die Essensfahrerin. "Ich kann nicht mehr so einfach einkaufen gehen, weil kein Geschäft mehr in der Nähe ist", bedauert Schottstedt. "Deshalb ist es schön, wenn mir das Essen gebracht wird", meint die 87-Jährige und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: "In meinem Alter kann man auch schon mal gefüttert werden." Obwohl die Menschen sich zumeist über den Besuch der Fahrer freuen, gibt es manchmal ein wenig Kritik. "Das Fleisch gestern konnte ich nicht essen", sagt eine Kundin. "Das Fleisch war gegen die Faser geschnitten." Auch für solche Kritik müsse man ein offenes Ohr haben, meint Blanken-burg.
Bei Besprechungen werde das dann weitergegeben. "Aber eigentlich sind die Kunden sehr zufrieden mit dem Essen." Für die älteren Herrschaften ist der Besuch des Essensdienstes ein Fixpunkt des Tages. "Wenn wir zum Beispiel im Winter oder wegen einer Autopanne zu spät kommen, machen sie sich Sorgen", sagt Fahrerin Blankenburg. Genau so mache sie sich Gedanken, wenn jemand, von dem sie es gewohnt sei, nicht die Tür öffne. "Manchmal vergessen die Leute, uns zu sagen, dass sie mal einen Tag nicht da sind oder sind mal kurz eingenickt und haben unseren Besuch verschlafen", weiß die Fahrerin. Aber auch wenn Namen von ihrer Liste verschwinden, sei es merkwürdig. "Man kennt die Leute schließlich", sagt Blankenburg. Manchmal seien es auch private Dinge, die ihr erzählt werden und manchmal ist es einfach der kleine Plausch nebenbei, der den Menschen wichtig sei. So wie bei Vera Kurtz in Roßdorf. "Mensch, bei euch ist ja was in Hüttermühle los", stellt sie fest. Gerade hat Kurtz von dem Buttersäureanschlag erfahren. Blankenburg stellt ihr das Essen auf den Tisch, weil Kurtz nicht mehr gut zu Fuß ist. "Ach, heute gibt es Eintopf", stellt sie fest. Sie freue sich immer sehr über den Mittagsbesuch. "Morgen kommt mein Kollege", informiert Blankenburg die alte Dame beim Abschied.
Seit einem Jahr ist Blankenburg beim Essen auf Rädern. "Ich habe vor 15 Jahren in der Hauswirtschaft der Volkssolidarität begonnen und bin vor einem Jahr als Fahrerin wieder eingestiegen. Dazwischen lag die Geburt und die Erziehung ihrer mittlerweile elfjährigen Tochter. "Mir macht die Arbeit Spaß", bekennt die 36-Jährige. Auch das Autofahren sei kein Problem. Rund 50 Kilometer kommen bei einer solchen Tour zusammen. Bei der Landtour in Richtung Ziesar und Schopsdorf sei es auch gut und gerne mal das Doppelte. Bei der Stadtour geht es über Schlagenthin, Kleinwusterwitz und Altenklitsche nach Genthin zurück, wo Blankenburg am frühen Nachmittag das Auto am Lindenhof abstellt und ihren wohlverdienten Feierband genießen kann.
Morgen lesen Sie, wie in der Behindertenwerkstatt der Lebenshilfe in Burg zwischen 13 und 14 Uhr Lattenroste hergestellt werden.