In Genthiner Kleintierpraxis drängen sich erkrankte Vierbeiner 17 bis 18 Uhr: Tierische Schmerzen
24 Stunden unterwegs im Jerichower Land - 24 spannende Geschichten. Über
93.000 Menschen leben und arbeiten hier. Wir haben einige von ihnen
begleitet - im Streifenwagen, auf dem Bauernhof, in der JVA oder im
Fitnessstudio. Zwischen 17 und 18 Uhr haben Katz\' und Hund tierische
Schmerzen.
Genthin l Mindestens 1000 Wörter kennen wir, um unsere Schmerzen zu benennen. Unsere Vierbeiner können das nicht. Tierärztin Kathrin Kühnel behandelt an diesem späten Nachmittag zwei Haustiere, die wohl selbst einen Termin beim Arzt gemacht hätten, wenn sie könnten. Die zirka sieben Jahre alte Sina hat gleich mehrere Behandlungen. 40 Grad Fieber hatte der Stubentiger noch ein paar Stunden zuvor. Jetzt ruhen die weißen Pfoten von der Narkose. Auf dem Tisch von Dr. Kathrin Kühnel liegt die graugetigerte Katze, weil sie einen großen Abzess an der Wange hat. Eine vereiterte Wunde, die von einer Auseinandersetzung mit einer anderen Katze stamme, vermutet Kühnel.
In dem Behandlungsraum macht sich ein unangenehmer Geruch breit, als die dicke Eiterblase geöffnet wird. Außerdem hat die Ärztin Blut abgenommen, um rauszubekommen, ob die Katze eine Schilddrüsenüberfunktion hat. Einmal in Narkose gelegt, sind auch die Zähne fällig. Dr. Kühnel und Arzthelferin Jacqueline Schwarz tragen Mundschutz und Einwegkittel, als sie dem Stubentiger den Zahnstein von den spitzen Zähnen schleifen. Es spritzt ordentlich. "Zahnstein ist üblich bei Katzen in dem Alter", weiß die Veterinärin. Einige Zähne der 32 Katzenzähne werden gezogen. Die würden ihr sonst nur mehr Sorgen machen, als Nutzen bringen, erklärt Kühnel. "Wenige gesunde sind besser als viele kranke", sagt die Ärztin. Um drei Zähne und etliche Gramm Eiter erleichtert und mit einer Halskrause versehen, legt Jacqueline Schwarz den Vierbeiner in seine Transportbox. Es ist 17.20 Uhr, als Laura Krause und Mutter Veronika aus Karow ihre Katze in Empfang nehmen und sich von Tierärtzin Kühnel noch Hinweise zur Wundversorgung geben. Die Drainage, die das Wundwasser aufsaugt, soll noch zwei Tage drin bleiben, sieben Tage gibt es noch Antibiotika.
Der nächste Patient wartet schon. Der kleine Kenny schaut neugierig aus seinen kleinen braunen Augen. Herrchen Stefan Luderer ist mit ihm zum Arzt gekommen, weil er nicht richtig Wasser lassen kann. Der 30 Jahre alte Hundebesitzer wirkt müde und bedrückt. Der Shih Tzu-Rüde zittert, als Dr. Kathrin Kühnel ihn abtastet. Verdacht auf Harnsteine. Der kleine Hund mit der rassetypischen kurzen Schnauze kommt zum Röntgen. Das Röntgenbild gibt Gewissheit. Eine vergrößerte Prostata, Kot im Enddarm und eine übervolle Blase. Die Bauchschmerzen des kleinen Hundes müssen wahnsinnig stark sein. "Das ist schon ein lebensbedrohlicher Notfall", sagt die Tierärztin, die dem Hund von außen einen Katheter in die Harnröhre legen will, um für Erleichterung zu sorgen. Doch das Röhrchen stockt und Jacqueline Schwarz und Kathrin Kühnel vermuten, dass ein Harnstein schon im Weg liegt. Kenny winselt vor Schmerzen. Stefan Luderer hält seinen Hund zusammen mit der Arzthelferin fest und versucht ihn zu beruhigen. Er schaut bewusst in eine andere Richtung. Er leidet sichtlich mit. Der Hund bedeutet ihm sehr viel. Zusammen mit seiner Ex-Freundin hatte er sich den Hund angeschafft. Nun ist die Freundin ausgezogen und Hund und Herrchen müssen zusammenhalten.
Es macht sich der Geruch des Hundeurins, der doch ablaufen kann, breit. Kühnel schaut erneut auf das Röntgenbild, um zu sehen, warum der Katheter nicht weiter rutscht. Vermutlich hat das Röhrchen sich am Stein umgeschlagen. Das Bewegen in der Harnröhre schmerzt hörbar. Kenny jault herzzerreißend. Nun muss er doch in Narkose gelegt werden. "So hast du dir den Tag bestimmt nicht vorgestellt", sagt der Brettiner Besitzer zu seinem vierbeinigen Freund. Als Kenny weggetreten ist, nimmt er sichtlich erleichtert im Wartezimmer Platz. Der Gedanke an die bedrohliche Lage seines Hundes belastet ihn. Dem 30-Jährigen stehen vor Anspannung die Tränen in den Augen. Es ist kurz nach 18 Uhr als Tierärztin Kühnel entscheidet, dass die Harnsteine am nächsten Tag operativ entfernt werden müssen.
Dabei werden dann fünf Steinchen ans Tageslicht gefördert, so dass Kenny wieder in Ruhe das Bein am nächsten Baum heben kann.
Morgen lesen Sie hier vom Abendbrot in einer Kinderwohngruppe.