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Abitur 2016 Alter Fritz und bauchlose Computer

In Genthin erhielten 48 Abiturienten die Zeugnisse von ihren Tutoren. Dazu gab es eine besondere Rede.

Von Simone Pötschke 21.06.2016, 05:00

Genthin l Lässige Jeans sind feinen Anzügen sowie langen festlichen Abendkleidern gewichen. Ein sicheres Indiz dafür, dass mit dem Erhalt des Zeugnisses der Hochschulreife der Schlusspunkt unter eine achtjährige Schulzeit am Genthiner Gymnasium gesetzt wird. Dem wurde einmal mehr die Feierstunde in der St. Trinitiskirche am Sonnabend gerecht. Erneut gaben der Chor, die Instrumentalgruppe und der Lehrerchor dem Ereignis einen würdigen Rahmen.

Anders als in den Vorjahren gab es bei dieser Feierstunde neben dem Schulleiter einen zweiten – externen – Redner, Professor Martin Schafföner von der Technischen Hochschule Brandenburg. Schafföner, er stammt aus Demsin, hatte 1997 am Bismarck-Gymnasium sein Abitur mit einem Durchschnitt von 1,0 abgelegt und studierte anschließend Elektrotechnik an der Universität in Magdeburg, wo er auch promovierte. Übrigens saß Gotthard Wienmeister, aus dessen Händen er einst sein Abi-Zeugnis erhalten hatte, am Sonnabend als Gast und Ruheständler am Keyboard und verfolgte, was der Professor zu sagen hatte.

Beide Redner hoben in ihren an die Absolventen gerichteten Worten ganz im Sinne ihrer Profession ab. Schulleiter Volker Schütte ließ als Geschichtslehrer in seine Ansprache Beobachtungen Friedrichs II. über die Mängel der Erziehung einfließen, aufgeschrieben im Jahr 1769. Nach Schüttes Dafürhalten besitzen sie bis heute ihre Gültigkeit.

Das betreffe beispielsweise die Auffassung Friedrich II., dass Erziehung nicht allein das Streben nach materiellen, schicken Gütern zum Inhalt haben dürfe. Schütte zitierte den Preußenkönig: „Man begnügt sich mit oberflächlichen Ideen, folgt dem Brauch und der Tyrannei der Mode, die sich bis auf die Erziehung erstreckt. Man darf sich also nicht wundern, wenn die Folgen und Ergebnisse den falschen Grundsätzen entsprechen, nach denen man handelt. Ich ärgere mich, wenn ich sehe, welche Mühe man sich in diesem rauhen Klima gibt, um Ananas, Bananen und andere exotische Pflanzen zum Gedeihen zu bringen, während man so wenig Sorgfalt auf das menschliche Geschlecht verwendet. Man mag sagen, was man will: Der Mensch ist wertvoller als alle Ananasse der Welt zusammen. Er ist die Pflanze, die man züchten muss, die alle unsere Mühe und Fürsorge verdient; denn sie bildet die Zier und den Ruhm des Vaterlandes.“

In dem Kontext der Rede von Schulleiter Volker Schütte überraschte Martin Schafföner, als er sich in seiner Rede der Computerwelt zuwandte. „Wie passt das zu einer Abi-Feier?“, stellte er in den Raum. Als Einstieg verwies er auf die Tatsache, dass Automatisierung und Digitalisierung im Laufe des Lebens der Abiturienten eine riesige Innovation vollzogen hätten.

„Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten werden in dieser Welt nicht statisch sein, die Erweiterung Ihres Wissens wird für Ihr weiteres Leben die Hauptbeschäftigung sein“, gab Schäfföner den jungen Abiturienten mit auf den Weg. Lernen würde sich zu einer Konstante im Leben entwickeln. Der Redner empfahl den Abiturienten, richtig „gut im Beruf zu werden, indem Sie für ihn brennen“. Sie müssten ihre Nische entdecken, um glücklich zu werden. Schafföner entwickelte aus dem Ansatz seiner Rede heraus die interessante und zugleich zugespitzte Frage, wozu eigentlich gelernt werden müsse, wenn es doch Computer gebe, die einen immer wieder einholten. Es sei dann eigentlich immer egal, was man täte.

Er ermunterte die Abiturienten dennoch, es mit dem Computer „aufzunehmen“: „Computern ist egal, was sie tun, Computer haben nur einen Kopf, keinen Bauch. Sie können zwar alles richtig machen, ob es aber das Richtige ist, kann man nicht sagen. Emotionen heben uns vom Computer ab, da kann uns für die Zukunft nicht bange sein“, schloss Schafföner.

Nach der Zeugnisübergabe durch die Tutoren Ute Frenzel, Andrea Kampe und Volker Schütte ehrte der Förderverein Bismarck-Gymnasium, vertreten durch Sebastian Eckhold und Mathias Golz, die drei Abiturienten mit den besten Abiturdurchschnitten. In diesem Jahrgang sind dies Friederike Wambach, Christian Wustrau und Chiara-Marie Schöbel.

Für ihr besonderes Engagement als Floorball-Spielerin, für ihre erfolgreiche Teilnahme an den Weltmeisterschaften in Kanada und für ihre Arbeit auf dem Gebiet des Nachwuchses wurde Lisabeth Klaus ausgezeichnet.

Besonders gute Leistungen im Fach Physik von Jakob Hollstein, Robert Dietrich und Christian Wustrau wurden durch die Deutsche Physikalische Gesellschaft gewürdigt. Zum Abschluss der Feierstunde erklang ein Abschiedslied, gesungen von den scheidenden 17 Chormitgliedern für die Chorleiterin Anke Held.

Unter den Klängen „Sei behütet auf Deinen Wegen“ verließen die Abiturienten die Kirche und nahmen auf dem Vorplatz die Glückwünsche von Freunden und Bekannten entgegen, bevor dann der Abi-Ball stieg. Auch der nächste Jahrgang wird in der Trinitatiskirche seine Zeugnisse erhalten. Dafür holte sich Schulleiter Schütte am Sonnabend bei Pastorin Beate Eistert das Einverständnis ein. „Die Kirche ist der würdigste Ort, den wir für diesen Anlass in Genthin haben“, sagte er.