1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Genthin
  6. >
  7. Ehrung einer Perfektionistin

Ausstellung Ehrung einer Perfektionistin

Die neue Sonderausstellung im Kreismuseum Genthin ist Marionettengestalterin Hannelore Stephan (1934 bis 2016) gewidmet.

Von Simone Pötschke 07.10.2019, 06:00

Genthin l Bis ins kleinste Detail vorbereitet sowie inhaltlich konzeptionell gut umgesetzt, setzte die Vernissage zu der Sonderausstellung „Marionetten – Märchen – Romanik“ im Kreismuseum Genthin einen viel versprechenden Akzent für einen erfolgreichen Verlauf der Schau. Komprimiert, anschaulich und optisch ansprechend gewährt die Sonderausstellung Einblicke in das Schaffen der Marionettengestalterin Hannerlore Stephan (1934 bis 2016), die nun ihr 85. Lebensjahr vollendet hätte.

Die Initiatoren der Sonderausstellung, der Genthiner Kunstverein, das Kreismuseum und Pfarrer i. R. Karlheinz Stephan nutzten die Präsenz ganz unterschiedlicher Zeitzeugen bei der Vernissage, um sich aus ganz unterschiedlicher Perspektiven der Person Hannelore Stephan zu nähern.

Niemand konnte das freilich besser als ihr Ehemann, Pfarrer i. R. Karlheinz Stephan, der die Marionettenbühne über Jahre leitete. Das Ehepaar Stephan hatte dem Kreismuseum vor seinem Umzug nach Brandenburg 17 Marionetten überlassen. Jede der Marionetten, die in der Sonderausstellung zu sehen seien, würden ihn an „riesenhafte Diskussionen“ zwischen seiner Frau und ihm erinnern, scherzte Stephan.

Sie wollte einfach das Beste rausholen, so dass ihre Puppen einen ganz individuellen Ausdruck bekamen, beschrieb der 87-Jährige die Akribie seiner Frau. Alle Marionetten entstanden bis zum letzten Nadelstich für die Bekleidung in Handarbeit.

Die Initialzündung, sich dem Bau von Marionetten zuzuwenden, wurde für die gelernte Möbeltischlerin, die als Katechetin im Kirchspiel Wulkow/Wust tätig war, mit der Rettungsaktion der Wuster Kirche ausgelöst.

Junge Leute, darunter der älteste Sohn des Ehepaares Stephan, hatten sich in einer Brigade zusammengeschlossen, die sich freiwillig an die Rettung der baufälligen Kirche machte. „Wir brauchten dafür Geld, das irgendwo herkommen musste“, berichtete Stephan. Mit anderen Frauen habe seine Frau Kinderspielzeug gebaut, das dann veräußert wurde. Besonders die beweglichen Tiere hätten es ihr dabei angetan. 1979/80 belegte Hannelore Stephan, davon inspiriert, einen Lehrgang in Marionettenbau. „Auf einmal wurden die Marionetten führend im Pfarrhaus“, berichtete der Pfarrer.

Die Geschichte der Marionettenbühne mit Marionetten von Hannelore Stephan nahm ihren Anfang mit der Aufführung eines Stücks nach Leo Tolstoi durch Konfirmanden. Katrin Köhler aus Tangermünde, eine der Konfirmanden, die an der ersten und später an weiteren Aufführungen mitwirkten, erinnerte sich an die Zeit mit Hannelore Stephan. Sie habe ganz genau darauf geachtet, dass die Charaktereigenschaften der Marionetten herausgearbeitet werden. Jede Puppe sei für sie schön gewesen.

Auf das Tolstoi-Stück folgte „Die schöne Wassilissa“ – eine Inszenierung auf der Grundlage eines Fördervertrages der Deutsch Sowjetischen Freundschaft (DSF) und des Kreiskabinetts für Kulturarbeit, das dem Rat des Kreises angeschlossen war.

Zur langen Geschichte der Marionettenbühne gehört auch eine Teilnahme an den Arbeiterfestspielen, die Anerkennung als Volkskunstkollektiv, eine Kooperationsvereinbarung mit der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) Wulkow, die das Ensemble bis zur Wende finanziell unterstützte.

Ralf Schönefeld, Sohn des damaligen LPG-Vorsitzenden Karl-Ludwig Schönefeld, sagte vor den Gästen der Vernissage, dass er stets bewundert habe, wie zwei unterschiedliche Männer wie der Pfarrer und sein Vater, Landwirt, die gar nichts miteinander zu tun hatten, etwas gemeinsam in einem kleine Dorf auf die Beine stellen konnten.

Die Geschichte der Marionettenbühne, zu deren Erfolg auch eine mehrfach ausgezeichnete Marionetten-Gestalterin Hannelore Stephan beigetragen hat, zeichnet ein differenziertes DDR-Bild, das nicht in ein schwarz-weiß Raster passt – eine interessanter Herausforderung in der musealen Aufarbeitung 30 Jahre nach dem Mauerfall.