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Biker Mit der Harley zum Gebet

Die Freuden und Ängste der Motorradfahrer sind Thema beim Bikergottesdienst in Jerichow.

Von Frank Bürger 22.09.2018, 23:01

Jerichow l Seine Maschine fällt auf, schon allein durch die knallrote Farbe. Klaus Werner stellt sie vor dem Jerichower Kloster ab. Die Glocken läuten jedes Jahr zum Saisonabschlussgottesdienst der Biker. Mitten unter ihnen die Jerichower Pfarrerin Friederike Bracht und der Stendaler Superintendent Michael Kleemann.

Die Jerichower Pfarrerin fühlt beim Gottesdienst mit ihren Bikerfreunden. Aus Helmen wird vor dem Altar ein Kreuz gebildet. Der Jerichower Gospelchor singt, dann ein besonderer Moment der Verbundenheit. Für die verunglückten Bikerfreunde in der Region wird eine Kerze angezündet, die Namen von Freunden, die nicht mehr mitfahren können, werden verlesen. Es ist eine besondere Atmosphäre unter den Bikern. Die Motorräder sind mehr als nur reine Fahrgelegenheit. Sie sind Teil der Fahrer geworden, sie werden gepflegt, es werden gemeinsame Ausfahrten gemacht, man trifft sich im Kaffee.

Seit den 80ern werden im Westen Deutschlands Biker-Gottesdienste veranstaltet. In Hamburg finden sich Tausende und damit die meisten Motorradfahrer ein. Seit neun Jahren macht Kleemann die Tradition auch in hiesigen Breiten publik.

Friederike Bracht weiß um die Momente der Freude, aber sie weiß als Seelsorgerin auch um die Momente des Innehaltens, wenn jemand sein Leben auf der Straße verloren hat. Schon früh hatte die Pfarrerin über ihren Papa Kontakt zum Motorradfahren. „Aber der Familie war die Gefahr bewusst. Meine Mutter wollte nie, dass wir alle gemeinsam unterwegs sind“, erzählt die Jerichower Pfarrerin.

Es könne nicht sein, dass die ganze Familie ausgelöscht werde. „Einer von uns sollte wenigstens übrig bleiben“, sagt sie im Rückblick. „Wir haben zu viele Menschen, die uns nahestanden, auf der Straße verloren“, berichtet sie weiter. Mit 18 machte sie den Führerschein, für Auto und Motorrad. 2002 dann das einschneidende Erlebnis: Die Lenkerkopfschraube der Kawasaki brach.

„Ich war nur mit Tempo 30 unterwegs“, so Bracht. Die heutige Pfarrerin pausierte und machte ein Jahr später einen Neuanfang mit dem Fahren. Sie erwarb ein Gefährt des Modells BMW F 600, das sie heute noch fährt. „Gemeinsam mit meiner Partnerin fahre ich nach den Gottesdiensten öfters mal weg.“ Beliebte Ziele sind Kaffees in Tangermünde und Stendal. Dort trifft man manchmal auch andere Fahrer. Ihr tut es gut, auch Gottesdienste mit den Bikern zu feiern. In der Predigt geht sie dann bewusst auf die Freuden und Ängste der Motorradfahrer ein.

Auch gerne bei Bikergottesdiensten dabei ist der Schönhauser Malermeister Klaus Werner. Er fällt mit seiner besonderen Maschine auf. Es ist keine gewöhnliche Harley Davidson, mit der er angerauscht kommt. An der Seite steht geschrieben: „Sreamin Eagle“. „Die Maschine habe ich mir bewusst ausgesucht.“ So viele gäbe es davon nicht. „Ich habe mich beim Kauf 2006 sofort in die Maschine verliebt“, sagt Werner. Eigentlich baue jeder sein Motorrad um.

„Ich habe daran nichts mehr gemacht“, berichtet er. Er nutzt das Wochenende zur Ausfahrt. „Manchmal bin ich alleine unterwegs, manchmal fahre ich mit ein paar Bikern“, erzählt er. „Wir kennen uns alle“, so Werner weiter.

Er sei immer auch bei den Bikergottesdiensten in Jerichow dabei gewesen. So bestehe auch der Kontakt zum Stendaler Superintendenten Kleemann. „Ich gehe nicht nur da hin, um Lieder zu hören, das macht schon alles Sinn“, meint er. So hat ein Bekannter letztes Jahr durch einen Motorradunfall ein Bein verloren. „Motorradfahren ist immer gefährlich.“ Nun ginge es ihm wieder besser, er habe auch am Gottesdienst in Jerichow teilgenommen.