Genadi Scherman aus Genthin hat die Einbürgerungsurkunde erhalten Der Weg vom Russisch sprechenden Jungen zum Diplom-Ingenieur
Genadi Scherman aus Genthin gehört zu den sieben Bürgern aus dem Jerichower Land, die am Donnerstag aus den Händen von Landrat Lothar Finzelberg ihre Einbürgerungsurkunde erhielten. Damit ist er deutscher Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten.
Genthin. Genadi Scherman lächelt zurückhaltend: "Natürlich haben wir die Einbürgerung gefeiert. Zu Hause, mit meinen Eltern." Er unterdrückt bei diesen Worten bescheiden seinen Stolz, eine hohe Hürde genommen zu haben. Dabei hat Genadi Scherman in seine deutsche Staatsbürgerschaft trotz seiner Jugend ein Stück Lebensleistung investiert. Und wenn er nun freudestrahlend davon berichtet, dass er mit seinem neuen Pass alle Möglichkeiten der Reisefreiheit genießen kann, erinnert dies nicht zufällig an die Reiseeuphorie der Menschen unmittelbar nach der Wende. Denn auch Scherman hat erfahren, was Mauern und Grenzen bedeuten. Der junge Mann kam vor zehn Jahren 16-jährig über Dessau im Oktober 2001 nach Genthin. Drei Jahre lief die Antragstellung seiner Eltern, aus Moldawien ausreisen zu dürfen. "Ich wusste, dass das Leben in Westeuropa ganz anders sein wird als in Moldawien. Mir war klar, dass ich dafür viel Kraft aufbringen muss", erinnert er sich.
"Zunächst habe ich bei meiner Ankunft in Deutschland auch nicht auf die Einbürgerung hingearbeitet, für mich stand zunächst die Integration an erster Stelle", sagt Scherman. Ohne die geringsten Deutschkenntnisse, aber sehr guten Noten auf dem Zeugnis kam der junge Moldauer an. Schon im Oktober führte ihn sein Weg aufs Gymnasium. Es sei üblich gewesen, Spätaussiedlerkinder zunächst eine Klasse zurück, also in seinem Fall in die neunte Klasse, aufzunehmen. Doch Schulleiter Gotthard Wienmeister habe ihm eine Chance gegeben, gleich in die 10. Klasse einzusteigen.
Dass er die Sprachbarrieren überwunden habe, sei der Hilfe von Edelgard und Bernd Neumann, aber auch von Jürgen Heinrich, der seinerzeit das Aussiedlerheim leitete, zu verdanken gewesen. Genadi Scherman schaffte damit das nahezu Unmögliche: Er erreichte das Klassenziel. "Mathe, Physik und Chemie waren kein Problem, aber Geografie und Geschichte, da habe ich kaum etwas verstanden", erinnert er sich. Zurückhaltend gibt er jedoch zu: "Aber alles ist nur mit ungeheuer viel Disziplin und Fleiß möglich gewesen". Über den naturwissenschaftlich begabten Schüler siegte dann seine musische Veranlagung. Seine Liebe gilt dem Violinenspiel. Er wechselte nach Halle, um am Latina August Hermann Francke-Landesgymnasium für Musik sein Abitur abzulegen. Scherman knüpfte dort an die Zensuren in seiner moldawischen Heimat an und schaffte einen vorzeigbaren Durchschnitt von 1,5. Bei der Studienwahl schlug sich das Mulitalent dann doch wieder auf die Seite von Formeln, Zahlen und logischem Denken. Am Institut für Technologie Karlsruhe belegt er das Fach Wirtschaftingenieurwesen. Inzwischen ist die Diplomarbeit geschrieben, Benotung und Verteidigung stehen noch aus. Die Chancen auf einen Arbeitsplatz stehen für den Genthiner nicht schlecht. Es sei irgendwie schon ein merkwürdiges Gefühl, den deutschen (zunächst vorläufigen) Pass in der Hand zu halten, räumt der junge Mann ein. Viel Aufwand, aber auch Kosten, seien mit dem ganzen Verfahren verbunden gewesen. Doch Scherman zieht unter die erfolgreiche Einbürgerung auch einen ideellen Schlussstrich: "Dort wo ich heute angekommen bin, kenne ich die Mentalitäten sowohl von Deutschen als auch die von Moldauern gleichermaßen gut. Ich weiß, wie die Menschen in beiden Ländern leben, wie sie denken und wie sie reagieren."