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Digitalisierung Abschied von alten Karteikästen

Das umfangreiche Bildarchiv des Kreismuseums in Genthin startet in die digitale Welt. Selbst Corona kann dem keinen Einhalt gebieten.

Von Simone Pötschke 03.04.2020, 06:00

Genthin l Das Kreismuseum ist zwar für Besucher vorläufig geschlossen, doch auch hinter verschlossenen Türen fällt nach wie vor jede Menge Arbeit für das Team um Museumsleiterin Antonia Beran an, die nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Allein wenn Antonia Beran die Büroräume des Museums betritt, erinnert sie schon allein der Anblick der knapp 40, übervoll mit Fotos, Filmen und Glasplattennegativen gefüllten Kästen, die aufgereiht bis zur Decke reichen, an eine gewaltige Herausforderung der nächsten Wochen und Monate. Vielleicht auch Jahre? Antonia Beran will sich da nicht genau festlegen.

Gemeinsam mit Mitarbeiterin Ivonne Kosmalla wird derzeit das komplette Filmarchiv digitalisiert. Schritt für Schritt. Manchmal erfordert dies auch Detektivarbeit. Immer dann, wenn die Ausweisung der Fotografie auf der Karteikarte inhaltliche Lücken aufweist. Alles in allem bleibt die Digitalisierung eine Mammutaufgabe für die relativ kleine Einrichtung, an die kein Museum mehr vorbeikommt.

45.000 Fotografien, 2650 Filmnegative, über 2000 Glasplattennegative warten auf ihre Ankunft im digitalen Zeitalter. Vorerst arbeitet Ivonne Kosmalla Karteikasten für Karteikasten, die nach Orten geordnet sind, ab.

Wenn dem Museum zukünftig mit einer Archivdatenbank ausgestattet wird, werden die vorhandenen Daten eingepflegt. „Zunächst erfassen wir also nur die Masse der Bilder“, versucht Antonia Beran den derzeitigen Stand der Digitalisierung verständlich zu umschreiben.

Seit dem Bestehen des Museums haben Generationen von Museumsleitern gemeinsam mit ihrem Mitarbeitern mit Beharrlichkeit und Akribie diesen fotografischen Schatz für die Nachwelt angehäuft. Das Bildarchiv deckt hauptsächlich die Region Genthin und den ehemaligen Landkreises Jerichow II ab, es gibt aber auch einen kleinen Bestand aus der Region Burg.

Noch bis Mitte der 1990er Jahre war es übliche Praxis, dass selbst in kleinen Museen Fotografen angestellt waren. Ihre Fotografien gingen in die Nachweisführung und in die Archivierung der Sammlungsbestände ein. Darüber hinaus sei es stets Aufgabe der Museumsleiter und Assistenten gewesen, das Geschehen in der Region im Bild festzuhalten. „Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich mit der Kamera im Einsatz war, als der OP-Trakt des Krankenhauses gebaut wurde“, erinnert sich Antonia Beran an die 1990er Jahre, die als Assistentin ihre berufliche Laufbahn im Kreismuseum begann.

Was Museums-Mitarbeiter nicht selbst mit der Kamera eingefangen und dokumentiert haben, wurde wiederum über die Volksstimme organisiert. Deshalb verfügt das Kreismuseum über einen verhältnismäßig stattlichen Bestand an Bildmaterial aus der DDR-Zeit. Ehemalige Redakteure wie Günther Ruff, Horst Grunow oder Helmut Wilke bringen sich mit ihren analogen Fotografien, die sie dem Museum überlassen haben, bis auf den heutigen Tag für die Nachwelt in Erinnerung.

Dass das vorhandenen Archiv ein unschätzbares Potential für die praktische Museumsarbeit bietet, ist für Antonia Beran unbestritten. Immer wieder gebe das Archiv Überraschungen und zum Teil auch neue Erkenntnisse preis. Das käme allerdings ganz darauf an, mit welcher Absicht, unter welchem thematischen Blickwinkel, das Bildarchiv genutzt werde.

Als jüngstes Beispiel nennt Beran die Konzipierung der Wanderausstellung über äußergewöhnlichen Frauen aus dem Jerichower Land. Museumsmitarbeiter seien bei der Bebilderung der Biografie von Lieselotte Busse, in den 1970er Jahren Chefin der Schweinezuchtanlage in Gladau, auf einen großen Bestand an Fotografien zu diesem landwirtschaftlichen Betrieb gestoßen, der sie selbst überrascht habe, berichtet Beran.

Das Bildarchiv eröffnet neben der Forschungsarbeit gerade für die Ausstellungspraxis viele kreative Möglichkeiten. Darüber hinaus seien alte Stadtansichten, die einen großen Sammlungsbestand ausmachten, immer gefragt, meint Beran. Ob Ortschronisten, Heimatforscher, Autoren, Vereine und selbst öffentliche Einrichtungen, das Interesse sei stets groß und könne auch dank des umfangreichen Bildarchivs bedient werden.