Vortrag Eine Pascha-Karriere
Der Turkuloge Dr. Mieste Hotopp-Riecke referierte in Genthin über das Leben des Paschas von Magdeburg.
Genthin l Locker, ungezwungen und hochinteressant: Diese Attribute verdient der Vortragsabend mit Dr. Mieste Hotopp-Riecke, der 2018 zum zweiten Mal einer Einladung des Genthiner Kunstvereins zu einem Vortrag gefolgt war. Als Veranstaltungsörtlichkeit stellte die Evangelische Kirchengemeinde die Junge Kirche zur Verfügung.
Hotopp-Riecke hatte sich im Sommer bereits als ein exzellenter Redner und Plauderer seinem Genthiner Publikum empfohlen und wurde auch diesmal allen Erwartungen gerecht. Allein das fremdländisch anmutende Thema seines angekündigten Vortrages, das Leben und Wirken des Paschas von Magdeburg, entwickelte eine besondere Anziehungskraft.
Mieste Hotopp-Riecke zeichnete im ersten Teil seines Vortrages den Lebensweg des Magdeburgers Ludwig Carl Friedrich auf, der in Konstantinopel unter seinem Namen Mehmed Ali zum Pascha aufstieg. Eine ungewöhnliche Geschichte.
Mehmed Ali Pascha wurde am 18. November 1827 als Ludwig Carl Friedrich Détroit in Magdeburg geboren. Er war hugenottischer Abstammung. Nach dem Besuch der Grundschule wechselte Ludwig Carl Friedrich Détroit auf das Pädagogium Unser Lieben Frauen zu Magdeburg. In der Tertia (vor der „mittleren Reife“) beziehungsweise während der Ober-Secunda brach er die Schule nach dem Tod seines Vaters ab und nahm eine kaufmännische Lehre auf. Anfang der 1840er Jahre verließ er seine Heimatstadt, schlug sich bis nach Rostock durch, wo er Schiffsjunge wurde.
In Konstantinopel soll er ins Wasser gesprungen oder gefallen sein und wurde einer Legenda nach durch Mehmed Emin Ali Pascha, dem späteren Großwesir und Außenminister des Osmanischen Reiches, gerettet, der auch bis zu seinem Tode 1871 sein Gönner blieb.
Ludwig Carl Détroit konvertierte zum Islam und absolvierte bis 1853 eine Ausbildung an einer Kadettenschule. Während des Krimkrieges fiel Mehmed Ali dem Oberkommandierenden der Donauarmee Omar (Ömer) Pascha auf, dies wohl nicht zuletzt weil auch sein Gönner zu dieser Zeit bereits Außenminister war. Er wurde zum Ordonnanzoffizier von Ömer Pascha ernannt und bei Kriegsende hatte Mehmed Ali den Rang eines Majors inne. Im Stab von Ömer Pascha nahm Mehmed Ali an verschiedenen Kriegen teil. 1865 wurde er zum Brigadegeneral, 1877 zum Muschir (Marschall) ernannt.
Im Juni 1878 wurde er Mitglied der osmanischen Delegation, welche am Berliner Kongress teilnahm. Dort genoss Mehmed Ali Pascha allerdings kein hohes Ansehen. Otto von Bismarck nannte ihn verächtlich „den Magdeburger“ und der gesamte deutsche Generalstab lehnte die Anwesenheit Mehmed Ali Paschas ab.
Nach dem Berliner Kongress wurde Mehmed Ali Pascha ins Grenzgebiet Montenegro-Albanien geschickt, um einen Aufstand niederzuschlagen. Aber er war in Ungnade gefallen und wurde 1878 von Aufständischen erschlagen. Er ließ seine Frau und seine vier Töchter beinahe mittellos zurück. Die Umstände seines Todes wurden nie ganz aufgeklärt. Verrat, Neid und Argwohn sollen mit der Ermordung in Verbindung stehen.
Mehmed Ali Pascha war nicht nur Offizier, sondern auch Dichter. Er blieb nicht der einzige Begabte in seiner Familienlinie. Seine Nachfahren wurden berühmte Dichter, Wissenschaftler und Politiker. Einer der Urenkel von Mehmed Ali Pascha, Nazim Hikmet, wurde ein vielgeachteter Dichter in der Türkei.
In einem zweiten Teil seines Vortrages wandte sich Mieste Hotopp-Riecke der Geschichte der Karaimen, einem eher unbekanntem Turkvolk, zu. Die Veranstaltung in der jungen Kirche wurde gefördert über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“.