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Eneuerbare Energien Energiespeicher Erdgas

Der Energiekonzern Avacon will in Schopsdorf erstmals bis zu 20 Prozent Wasserstoff ins Erdgas einspeisen.

Von Mike Fleske 12.12.2019, 05:09

Genthin l „Das ist in dieser Form ein echtes Novum“, berichtete Bürgermeister Matthias Günther (parteilos) im jüngsten Wirtschafts- und Umweltausschuss der Stadt Genthin. Mit der Anreicherung entstünden Energiespeicher ungeheuren Ausmaßes. „Zudem wäre es eine günstige Energie“, zeigte sich der Bürgermeister interessiert an dem Projekt.

Das ist ein Aspekt, den die Avacon in ihren ersten Informationen zum Projekt anführt. Denn der immer stärker aus Wind- und Sonnenenergie erzeugte Strom benötige in immer größerem Umfang Energiespeicher. „Daher kommt speziell der Speicherung von dezentral erzeugtem Strom eine Schlüsselrolle zu“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.

Denn nur durch ausreichende Speicher könnten erneuerbare Energien auch dauerhaft bereitgestellt werden. Dass Handlungsbedarf gegeben ist, zeigen die Zahlen. Der aus erneuerbaren Quellen erzeugte Strom macht heute schon fast 40 Prozent in Deutschland aus. Bis 2050 soll sich dieser Anteil verdoppeln. „Großes Potenzial bietet hier die Umwandlung des nicht genutzten Stroms in Wasserstoff und die Speicherung im Gasnetz.“

Durch dieses so entstehende „grüne Gas“ könne die regenerativ erzeugte Energie gespeichert und bei Bedarf zur Wärme- und Stromproduktion in Industrie, Haushalten und für die Elektromobilität genutzt werden. Allerdings wird in der ersten Testphase noch kein CO2-neutraler Wasserstoff verwendet, dies geschieht erst nach einer Auswertung. Für das Pilotprojekt wurde ein Netzabschnitt im Gasverteilnetz um Schopsdorf ausgewählt. „Die Netzstruktur in Schopsdorf ist vergleichbar mit dem Großteil unseres Gasnetzes“, sagt Avacon-Sprecherin Corinna Hinkel. Die Ergebnisse seien somit auf andere Gebiete übertragbar.

Neu ist an dem Verfahren, dass die Menge des zugeführten Wasserstoffes in das Erdgas bei 20 Prozent liegt. Bislang waren unter zehn Prozent üblich. Mit dem Pilotprojekt soll das bislang nur unter Laborbedingungen verwendete im Gasnetz angewandt werden. Abwartend äußert sich der Schopsdorfer Ortsvorsteher Nils Rosenthal. „Hinsichtlich des Umweltgedankens ist zunächst festzustellen, dass es sicher eine Maßnahme unter anderen ist, überschüssigen Wind- und Solarstrom in Form von Wasserstoff über ein Elektrolyse-Verfahren zu speichern, um ihn dann etwa im Gasnetz zu nutzen. Das ist aber laut Avacon noch nicht ökonomisch umsetzbar, aber grundsätzlich zu begrüßen.

Für Rosenthal tun sich einige Fragen auf – etwa woher der Wasserstoff komme. „Etwa aus überschüssigem Atomstrom? Das wäre ökologischer und sicher auch ökonomischer Unsinn“, meint der Ökolandwirt und Grünen-Stadtrat. „Grundsätzlich ist zu fragen, ist Erdgas überhaupt noch ein anwendbarer Energieträger angesichts des wahnsinnig schnell ablaufenden Klimawandels?“

Noch ein Problem spricht Rosenthal an. Bei dem Netzabschnitt um Schopsdorf handelt es sich um ein Mitteldruck-Verteilnetz mit rund 35 Kilometern Länge. Das Gas wird von Schopsdorf aus in die umliegenden Orte an rund 350 Kunden verteilt. Diese sind dann unmittelbar von dem Projekt betroffen, und hier setzt ein Kritikpunkt des Ortsvorstehers an. Er fordert für die betroffenen Haushalte eine Klärung, wie die Langzeit-Auswirkungen für die Gasgeräte sind.

„Gibt es ausreichend Garantien seitens der Gerätehersteller, dass die Geräte den Wasserstoff vertragen?“ Auch der Ersatz dieser Geräte oder der Nachweis, dass möglicherweise defekte Geräte auf die Einspeisung von Wasserstoff zurückzuführen seien, müsse geklärt werden.

Der Wasserstoff-Experte Thomas Jordan vom Karlsruher Institut für Technologie hatte vor geraumer Zeit gegenüber der Volksstimme erklärt: „Für den Endkunden und die heimische Heizanlage haben die 20 Prozent Wasserstoff keine technischen Auswirkungen, außer im veränderten Brennwert.“ Damit gibt sich Nils Rosenthal nicht zufrieden und erhofft sich weitere Antworten, in einer öffentlichen Veranstaltung des Energiekonzerns.

Diese hat die Avacon bereits zugesagt. „Für die Kunden sind vor Start des Pilotprojektes Bürgerveranstaltungen geplant, in denen Avacon ausführlich zum Projekt informiert“, bestätigt Corinna Hinkel.