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Beeindruckende Eiszeit-Funde des Kreismuseums fließen in Katja Winklers Doktorarbeit ein Forschung, die nicht los lässt: Dr. Gramsch kehrt nach 58 Jahren nach Genthin zurück

Von Manuela Langner 10.10.2013, 03:12

Da muss sich Genthin nicht hinter Berlin verstecken: Das Kreismuseum Jerichower Land verfügt neben dem Museum für Ur- und Frühgeschichte in der Bundeshauptstadt über den reichsten Fundus. Die eindrucksvolle Sammlung an Gerätschaften aus Knochen und Geweihen wird derzeit untersucht.

Genthin l 1955 war Dr. Bernhard Gramsch, damals noch Student der Ur- und Frühgeschichte in Berlin, das erste Mal im Genthiner Museum. Und das nicht aus Zufall. "Es war bekannt, dass es die große Sammlung in Genthin gibt." Die Unterlagen, die der inzwischen 79-Jährige vor 58 Jahren angefertigt hat, waren in dieser Woche die Grundlage für Katja Winklers weitergehende Forschungen. Sie schreibt ihre Doktorarbeit über "Stielspitzengruppen in Brandenburg und Westpolen". Geweih- und Knochenartefakte sind häufig nicht erhalten, was dem Genthiner Fundus seine hervorragende Bedeutung verleiht.

Dass es gerade in unserer Region die Funde gab, erklärt Katja Winkler mit den Haveltonen, die für optimale Erhaltungsbedingungen sorgten. Und wieder der Brückenschlag nach Berlin. Für die wachsende Stadt wurden ab etwa 1870 die Ziegel gebraucht, die aus dem in der Region geförderten Ton entstanden.

Es waren Vater Gustav und Sohn Richard Stimming, beide Ärzte in Wusterwitz, die archäologisch interessiert waren und die im Ton gefundenen Gerätschaften aufkauften. Die Arbeiter wussten, dass sie den Stimmings für kleines Geld ihre Stücke überlassen konnten. Weil damals vorwiegend mit der Hand oder Kleinbaggern gearbeitet wurde, fielen den Männern die Harpunen, Keile etc. im Ton auf.

1920 veräußerte Richard Stimming wiederum seine Sammlung an das Genthiner Museum. Teile befinden sich auch in Berlin.

Auf dem Arbeitstisch von Katja Winkler liegen unter anderem ein- und zweireihige Harpunen, die aus der späten Eiszeit stammen. Die gezackten Werkzeuge werden vermessen und gewogen, fotografiert und katalogisiert. Die Doktorantin von der Graduiertenschule in Kiel ergänzt Dr. Gramsch\' Unterlagen aus den 1950er Jahren. Ihre Ergebnisse fließen nicht nur in ihre Recherche ein, sondern stehen auch dem Kreismuseum zur Verfügung.

Ein Teil der Fundstücke wird für die C-14-Methode eingesetzt. Kleine Löcher werden in die Knochen oder Geweihe gebohrt, um über die Radiokohlenstoffdatierung herauszufinden, ob beispielsweise die ein- und zweireihigen Harpunen zeitgleich oder das eine Werkzeug früher als das andere verwendet worden sind.

Auch nach dem Bohren wiegt Katja Winkler die Stücke. Es wird genau dokumentiert, wieviel Substanz verloren geht. Zu wenig Material kann aber auch nicht entfernt werden, weil eine bestimmte Menge notwendig ist, um eine möglichst präzise Bestimmung zu liefern. Die Untersuchung wird in einem Labor durchgeführt.

"Wegen des Substanzverlusts werden schon beschädigte Stücke ausgewählt", erklärt Antonia Beran, Leiterin des Kreismuseums Jerichower Land. Der Bohrer werde möglichst da angesetzt, wo die Optik des Fundstückes nicht beeinträchtigt wird.

"Man kann nicht aufhören, wenn man sich mit etwas beschäftigt", erklärt Dr. Bernhard Gramsch sein Interesse an dem Forschungsprojekt. Der einstige Student, der Fundstücke im Genthiner Museum untersuchte, war langjähriger Leiter des Ur- und Frühgeschichtlichen Museums in Potsdam (heute in Wünsdorf). Zu der Zeit, als die Stimmings tätig waren, habe es noch keine geordnete Archäologie gegeben. Vater und Sohn arbeiteten nach ihrem besten Wissen und Gewissen. "Sie haben die Funde gut geborgen und aufbewahrt", schätzt der Experte ein. Damals habe es nur ein "learning by doing" gegeben.

Gerätschaften aus Feuerstein, die auch an der Oberfläche erhalten bleiben, gebe es zu Massen, setzt Dr. Gramsch hinzu. Die Genthiner Funde seien wissenschaftlich so bedeutsam, weil es in Deutschland kein vergleichbares Gebiet gebe.